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Fußball Fußball: Jubiläum für Jürgen Roscher

Von Rainer Schultz 26.07.2013, 17:27
Jürgen Roscher blickt mit seinen 61 Jahren auf eine aufregende Karriere als Fußballer zurück.
Jürgen Roscher blickt mit seinen 61 Jahren auf eine aufregende Karriere als Fußballer zurück. kUHN Lizenz

Wittenberg/MZ - „Ich habe von meinem Garten aus einen Premiumblick direkt auf den Sportplatz von Apollensdorf. Da muss ich zugeben, es juckt immer noch in den Füßen. Doch einmal muss Schluss sein.“ Der dies sagt, heißt Jürgen Roscher, Jahrgang 1952. Er besitzt ein Diplom als Sportlehrer und ist Fußballer aus Leidenschaft.

50 Jahre auf dem Platz aktiv

So recht glauben mag man seinen letzten Satz vom Aufhören indes nicht. In der zurückliegenden Saison, bereits 61-jährig, bestritt er sein letztes Spiel beim Kreisoberligisten Grün-Weiß Piesteritz III gegen Nudersdorf - dabei zurückblickend auf 50 Jahre aktiven Fußball! Zugegeben, wer kann eine solche Kontinuität in seiner Sportbiografie schon aufweisen.

„Eigentlich war mein Studienschwerpunkt an der Deutschen Hochschule für Körperkultur und Sport in Leipzig Boxen. Für einen Fußballer passte ich mit 1,71 Meter Körpergröße und 61 Kilo Gewicht damals nicht in das Raster für diese Sportart. Große stämmige Typen waren gefragt. Ich gab jedoch nicht auf“, sagt der Kämpfer Roscher.

Das Wort „aufgeben“ gab es auch später in seinem Sprachschatz nie. „Ich war kein Toptalent, musste mir alles hart erarbeiten, war dafür aber extrem ehrgeizig“, beschreibt der Fußball-Oldie sich selbstkritisch. „Ich ging eine Stunde früher zum Training, arbeitete individuell an der Schusstechnik und machte außerhalb der offiziellen Übungseinheiten noch Waldläufe.“ Inzwischen 65 Kilo wiegend, noch immer gertenschlank und durchtrainiert, könnte Roscher wohl auch heute noch jedem Kreisoberligisten zur Zierde gereichen.

Es begann Anfang der 70er Jahre bei Einheit Wittenberg. Mit Carsten Riedeberger und Lutz Witteck ergänzte sich Roscher glänzend. „Es war eine schöne Zeit, die ich nicht missen möchte“, so sein Resümee. Das höherklassige Piesteritz hatte jedoch schon lange einen Blick auf Roscher geworfen. Dem Werben konnte er nicht widerstehen. Als er die Vereinsfarben wechselte, da musste er sich leider auch böse Worte von Einheit-Fans, wie „Verräter“ anhören. Das waren jene „gepflegten Feindschaften“ zwischen den Ortsrivalen, die hin und wieder durchkamen.

„Fußballschuhe von der Tante aus dem Westen hütete und pflegte ich, bis sie nach vielen Jahren auseinanderfielen“, so Roschers schonender Umgang mit seinen Sportutensilien in den 70er Jahren. Doch da gab es auch Begebenheiten, wie die folgende, die man nicht vergisst. Mit 48 Jahren nochmals in der 1. Mannschaft von Grün-Weiß Piesteritz beim Verbandsligapunktspiel vor 1 000 Zuschauern in Quedlinburg aufgestellt, hörte Roscher vom Spielfeldrand die Worte: „Opa hör endlich auf!“. Von diesen beleidigenden Äußerungen fühlte er sich so sehr getroffen, dass er darüber wutentbrannt bei jenem Spiel noch selbst zwei Tore beisteuerte. Warum nicht DDR-Oberliga? Viele Fans und Fußballkenner stellten sich bei Jürgen Roscher oft diese Frage. „Ich war auf meinen Heimatverein und die Region fixiert. In diesem Umfeld fühlte ich mich wohl. Ich hatte nie höherklassige Ambitionen.“

Bei diesen Worten demonstrierte Roscher noch mal im heimischen Garten seine fußballerischen Fähigkeiten. Im Liegen jonglierte er den Ball einige Dutzend Mal und erinnerte dabei unwillkürlich an sein Idol, den einstigen brasilianischen Weltklassefußballer Pele. Ja, Fußball in all seiner Ästhetik kann eine wahre Augenweide sein. „Ein einheimisches Idol war für mich auch Martin Buchheim. Die gemeinsame Zeit mit ihm als Stürmer bei Piesteritz werde ich wohl nie vergessen. Lange agierte ich dort in der Ersten als Linksaußen, später im linken Mittelfeld. So war ich Spielmacher und Ballverteiler, was mit großem Laufaufwand verbunden war, was mir aber entgegenkam.“

Nur zwei Platzverweise

Bewegende Momente gab es so einige in der Fußballkarriere von Jürgen Roscher. Dazu zählte auch das Freundschaftsspiel 1981 gegen Union Berlin vor 3 000 Zuschauern im Volkspark, das mit 1:3 nur knapp verloren ging und bei dem das Stadion tobte. 50 Jahre Fußball und nur zwei Platzverweise - auch das zählt zur ehrenvollen Bilanz eines stets fairen Fußballers, der mit seiner sportlichen Lebensweise allen Kickern ein Vorbild sein dürfte. Und ballverliebt sind alle Roschers. Mit seinen Söhne Ronny (Jahrgang 80) und Marcus (Jahrgang 84) kickte der Papa einige Jahre lang in einer gemeinsamen Mannschaft. Und man braucht kein Prophet zu sein, wenn man ahnt, dass Jürgen Roscher auch mit 70 bei den „Alten Herren“ weiter dem Leder nachjagen wird.