1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Landkreis Harz
  6. >
  7. Tourismus: Tourismus: Wieso die AfD-Erfolge für Sorgenfalten im Harz sorgen

Tourismus Tourismus: Wieso die AfD-Erfolge für Sorgenfalten im Harz sorgen

Von Ralf Böhme 19.03.2016, 13:58
Wahl hin, Wahl her - in Wernigerode war die Urlauberwelt am Freitag noch in Ordnung.
Wahl hin, Wahl her - in Wernigerode war die Urlauberwelt am Freitag noch in Ordnung. Chris Wohlfeld

Wernigerode - Gute Zeiten, schlechte Zeiten. Was die Glocke wirklich schlägt, das merkt man in Wernigerode zuerst beim Fleischer in der historischen Altstadt. Lässt der Touristenstrom im Harz einmal etwas nach, stehen gleich viel weniger Leute in der Schlange. Melissa Leiste, die jüngste Metzgermeisterin der Region: „Die Zahl der verkauften Bratwürste signalisiert, wie viel Trubel in der Stadt gerade herrscht.“

Kurz vor dem ersten Wochenende nach der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt schlägt der Bratwurst-Seismograph weit nach oben aus. Das Markenzeichen „Typisch Harz“ steht hoch im Kurs, es herrscht Hochbetrieb im Laden. Dennoch lebt die alteingesessene Fleischer-Familie nicht sorgenfrei. Anlass sind die Wahlerfolge der rechten Alternative für Deutschland (AfD), die auch im Windschatten des Brocken mit beachtlichen zweistelligen Stimmenanteilen punktet. Wird das Touristen, die einen Besuch planen, am Ende doch abschrecken. Das befürchtet nach ersten besorgten Briefen und Stornierungen der Landestourismusverband. „Gewerbetreibende, Hoteliers und Wirte - wir alle hoffen, dass die böse Prophezeiung nicht eintrifft“, sagt Leiste.

Lars-Jörn Zimmer, der Vorsitzende des Landestourismusverbandes, bringt die aktuellen Herausforderung mit diesen Worten auf den Punkt: „Es ist ein schwieriges Reisejahr.“ Wenn die Rede auf diese unsichere Aussicht kommt, weckt das in der Branche sofort bittere Erinnerungen an die durchwachsene Bilanz 2015 in Dresden. Dort ist die Zahl der Übernachtungen deutlich zurückgegangen, um minus drei Prozent im vergangenen Jahr. Und die sächsische Landeshauptstadt sagt inzwischen auch, warum. Es liegt am „Pegida-Effekt“, die umstrittene Bewegung soll auf alle Fälle mitverantwortlich sein. Aufgrund fremdenfeindlicher Parolen habe man einen Imageverlust erlitten, heißt es.

„Das ist alles ganz traurig“, meint Heidrun Rattunde aus Gelsenkirchen, die mit ihrer ehemaligen Schulfreundin aus Magdeburg, im Kaffeehaus am Markt eingekehrt ist. Im Osten sei es seit dem Mauerfall so schön aufwärts gegangen - und jetzt plötzlich solche extremen politischen Gegensätze. Und wenn sie sich noch vorstelle, dass womöglich auch in Nordrhein-Westfalen die Unzufriedenheit in rechte Parolen umschlägt, „dann will mir der Kaffee gar nicht mehr schmecken“. Daran könnte, so die Rentnerin, auch der herrliche Ausblick auf sanierte Fachwerkhäuser und das romantische Rathaus nichts ändern. Wiederkommen in die bunte Stadt am Harz will sie aber auf alle Fälle. „Wernigerode ist ein Schatz, für ganz Deutschland.“

Die Berlinerin Astrid Dauert, die zum Kurzurlaub hier weilt, glaubt nicht daran, dass die Attraktivität des Harzes unter den AfD-Wahlerfolgen leidet. Hier geht es friedlich zu wie in einer gutaufgeräumten Puppenstube, so ihr Eindruck als Urlauberin. „Fakt ist: Dreiviertel der Wähler in Sachsen-Anhalt haben anders gewählt.“ Das sollte man nicht vergessen. Einen konkreten Anlass, eine geplante Reise in den Harz abzusagen, sei für sie nicht erkennbar. Auch in der Hauptstadt gehe es manchmal drunter und drüber. „Sachsen-Anhalt ist nicht die Türkei.“

Verhalten optimistisch sieht die Dinge auch Dagmar Vith, Inhaberin eines Hotels mit angeschlossenem Kunsthaus im benachbarten Quedlinburg. In der über 1000-jährigen Otto-Stadt erwarten die Gastgeber den ersten großen Besucheransturm während der Osterfeiertage. Vith zufolge gibt es noch einige freie Betten, aber nicht mehr viele. Die Frau, die vor 18 Jahren aus Frankfurt am Main in den Harz gekommen ist, macht sich dennoch ihre Gedanken. „Schlimm wäre es, wenn die extreme Rechte in der Regierung sitzen würde.“ So aber müssten sich die demokratischen Parteien im Landtag mit der AfD auseinandersetzen. Das müssten sie schaffen. Das müsse ein Parlament aushalten, so ihre Meinung.

Neun Kilometer zu Fuß liegen hinter einer Wandergruppe aus Emden. Nach ihrem Ausflug von Westerhausen nach Quedlinburg - auf dem Kaiserwanderweg - freuen sich die fünf ehemalige Mitarbeiter des Volkswagen-Konzern auf eine Stärkung. „Wir sind zum ersten Mal im Osten“, sagt der 63-jährige Oswald Klinger. Seine Begleiter rufen ihm zu, dass das längst überfällig gewesen sei. „Wir sind positiv überrascht“, so die einhellige Meinung. Gastronomie und Übernachtung top und zu moderaten Preisen, die Natur überaus reizvoll - der Ostharz stehe dem Westharz in nichts nach.

„Für Panik gibt es keinen Grund“

Beim Stichwort AfD allerdings bricht die Rede erst einmal ab. Eberhard Trescher, inzwischen Hobby-Fischer, findet als erster die Worte wieder. „Für Panik gibt es keinen Grund“, meint er bedächtig. Die Neuen im Parlament müssten doch erst einmal beweisen, was in ihnen stecke. „Und wenn sie nichts taugen, fliegen sie beim nächsten Mal eben wieder raus.“ Die anderen Wanderer, die mit ihren Partnern und Familien auf jeden Fall nach Sachsen-Anhalt wiederkommen wollen, nicken. Mehr sei dazu eigentlich nicht zu sagen.