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Familiär tief verwurzelt Friederun Krosch ist endlich wieder zu Hause und lebt im Haus ihrer Vorfahren

Warum die 72-Jährige keineswegs in der Vergangenheit lebt, sondern gut versteht, wie sich Menschen fühlen, die Asyl suchen.

Von Uwe Kraus 19.09.2021, 15:00
Friederun Krosch engagiert sich ehrenamlich und unterstützt besonders asylsuchende Frauen und Familien.
Friederun Krosch engagiert sich ehrenamlich und unterstützt besonders asylsuchende Frauen und Familien. Foto: Uwe Kraus

Ballenstedt/MZ - Jede Ecke ihrer Wohnung atmet Geschichte. Friederun Krosch ist endlich wieder zu Hause und lebt im Haus ihrer Vorfahren. Sie weist auf Gemälde und restaurierte Möbel, greift zu alten Büchern, die ganze Regale füllen, und freut sich über Handarbeiten ihrer Ahnen.

An der Wand hängt das Porträt eines „Bösewichtes“ aus der Familie. „Ich habe ihn mit Notenblättern heiliger Lieder eingerahmt“, sagt die Nachfahrin. Den Weyhe-Strang ihres Stammbaumes kann sie über 300 Jahre zurückverfolgen. Sie kommt aus der Brinckmeier-Linie, ihr Ururgroßvater Carl gründete 1850 die erste höhere Schule im Ort, die nach ihm benannte Lehranstalt, die Schüler aus aller Welt besuchten. Krosch blättert in einem seiner Bücher, in sechs Sprachen sind hier die Begriffe aufgelistet, und berichtet über seine pädagogischen Bemühungen, die sich eben nicht nur an den Adelssprösslingen der alten Residenzstadt orientierten. Ein verstaubter, bürgerlicher Haushalt im Herzen von Ballenstedt?

„In erster Linie geht es doch nicht ums Materielle, sondern um die Menschen“

Wer Friederun Krosch erlebt, merkt schnell, hier lebt eine gebildete Dame. „In erster Linie geht es doch nicht ums Materielle, sondern um die Menschen“, sagt die 1949 in einer Arztfamilie Geborene. Nicole Müller, einige Jahrzehnte jünger und Vorsitzende des Vereins „heimatBEWEGEN“, sagt: „Sie ist jemand, der seinen Einsatz ganz in den Dienst am Menschen gestellt hat, mit unseren Migrantenkindern den Hof belebt, bastelt, spielt und Wissen weitergibt und sich alle zwei Wochen rührend um die Menschen bei der Ausgabe der Harzer Tafeln auf unserem Hof kümmert. Und die auch sonst immer, wirklich immer, bei jedweder Aktion dabei ist und einen ungeheuren Erfahrungsschatz in unseren Verein hinein gibt.“

Seit 2015 hilft die agile Wieder-Ballenstedterin asylsuchenden Frauen und Familien dabei, in Ballenstedt Fuß zu fassen. Die Stadt ehrte sie kürzlich mit einer Eintragung in ihr Goldenes Buch. Friederun Krosch freut es, dass der Verein „heimatBEWEGEN“ ihr auch während der Corona-Zeit für ihre „familiären Kleinstgruppen“ „Asyl“ bietet. „Sie beleben den Happich-Hof und bieten dort Platz, damit die Kinder, die oft in beschränkten Wohnverhältnissen leben, sich austoben und auspowern können, ohne dass ein Nachbar an die Wand klopft.“

„Ich wurde irgendwann selbst Asylsuchende“

Hier spielte sich einst Familiengeschichte der engagierten Frau ab. Sie nennt den Hof, wie sie es aus Großvaters Zeit kannte, nach dem Ballenstedter Mediziner, mit dem ihre Familie befreundet war. „Ich wurde irgendwann selbst Asylsuchende“, erzählt sie von ihrer Ausbildung bei der Kirche, von Ausreise und ihrem Neustart bei Null in Frankfurt. Später leitete sie eine medizinische Fachschule, hält den Kontakt zur Heimat. Ihr Vater, der Arzt, war des Umbruchversuches bezichtigt und in Bautzen inhaftiert worden, bevor er als Theologe arbeitete. Immer wieder kommt Friederun Krosch auf die deutsche Geschichte und ihre Familie zu sprechen. Erzählt vom Herzog auf dem Schloss, von der VVN-Rente, dem Abhören von BBC im Krieg und vom Traum, mit Prinzessin von Anhalt noch mal den Fürstenweg hinunterzureiten.