Sowjetische Besatzung in Edderitz Sowjetische Besatzung in Edderitz : Zeitzeugen-Suche der MZ bewegt die Leser

Edderitz - Die Reaktionen waren sehr unterschiedlich, häufig aber emotional. Was zu erwarten war bei einem solchen Thema: Mitte Februar veröffentlichte die MZ Köthen unter der Überschrift „Zeitzeugen für Kriegsgräuel gesucht“ einen Artikel, in dem es um die Geschehnisse im Jahr 1945 geht. Ein Mann, der als Jugendlicher 1945 in Edderitz untergebracht war, berichtete darin von seinen Erlebnissen mit sowjetischen Soldaten.
Diese seien freundlich gewesen, berichtet Arno Mohns von seinen Erinnerungen. Er wohnt heute in der Nähe von Mönchengladbach. Bekannte aus Düsseldorf, die 1945 in Großbadegast untergebracht waren, erzählten ihm aber das Gegenteil. Die sowjetischen Soldaten hätten deutsche Zivilisten „drangsaliert“, hieß es. Es habe Vergewaltigungen und Erschießungen gegeben. Mohns wollte nun wissen: Stimmt das? Trügen seine Erinnerungen? Darum wandte er sich an die MZ, die einen Aufruf startete.
Erinnerungen trügen nicht
Die einhellige Meinung der Anrufer zu diesem Thema - wenn sie auch nur aus persönlichen Erfahrungen gespeist ist und keine allgemeine historische Gültigkeit beanspruchen kann - lautet: Mohns’ Erinnerungen trügen nicht.
So sagt etwa Christa Czichos aus Großbadegast: „Es ist nicht so, dass solche Taten nicht hätten stattfinden können. Aber es ist nichts dergleichen bekannt. Wirklich gar nichts. Und ich glaube, wenn es anders wäre, hätte sich das sicher in der Nachbarschaft herumgesprochen.“ Ihre Großeltern, so Czichos, hätten eine Kneipe im Ort gehabt, ihre Mutter sei 1945 eine junge Frau gewesen. „In der Kneipe hätten die Leute doch vielleicht von Gewalttaten erzählt, wenn es welche gegeben hätte“, so Czichos.
Ein anderer Anrufer gab zu bedenken, wenn eine Frau vergewaltigt worden wäre, hätte sie das wohl möglichst verschwiegen.
Auch ablehnende Reaktionen
Dieses Problem sieht auch der Historiker Alexander Sperk. Längst nicht alle Betroffenen hätten über ihre Erlebnisse gesprochen. „Allgemein kann man sagen: Ja, Massenvergewaltigungen, Plünderungen und anderes mehr hat es gegeben. Aber nicht überall. Das muss man von Einzelfall zu Einzelfall sehen.“ Im Übrigen sei es auch vorgekommen, dass sich deutsche Männer sowjetische Uniformen anzogen und sich dann an Frauen vergingen. „Das war aber selten.“
Und Soldaten anderer Besatzungsmächte hätten ebenfalls Übergriffe verübt. Zu Übergriffen in Edderitz oder Großbadegast habe er in seinen Unterlagen jedenfalls nichts gefunden, so Sperk. Besonders viele Fälle habe es damals in den Landkreisen Stendal, Salzwedel und Zerbst gegeben.
Auf den Aufruf gab es im Übrigen auch einige ablehnende Reaktionen. Im sozialen Netzwerk Facebook kommentierten manche Leser, mit dem Thema solle „endlich Schluss “ sein - unabhängig davon, was sich nun ereignet haben mag.
Arno Mohns sieht sich von den Ergebnissen in seinen Erinnerungen bestätigt. Absolute Gewissheit könne es nach so langer Zeit nicht geben, sagt er. „Aber das Thema war mir einfach wichtig.“ (mz)