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Diebstähle Diebstähle: Abgeschraubt und weg

Von Ralf Böhme 16.07.2012, 21:29

Halle (Saale)/MZ. - Hier sagen sich Fuchs und Hase gute Nacht. Um diese Zeit verirrt sich kein Mensch in diese abgelegene Gegend. Ein kleines Waldstück, Felder, Wiesen - und ein Solarpark. Im Morgengrauen kommt aber doch ein Lkw aus Richtung der B 91, biegt ab, bleibt stehen. Einige Leute steigen aus - die Frühschicht? Wenig später knirscht Stahl auf Stahl, das Tor springt auf. Dann surren die Schrauber. Nach einiger Zeit ist der Wagen voll geladen, mit Solarmodulen - und ab. Als man den Raub entdeckt, sind die Diebe längst über alle Berge. So oder so ähnlich muss es abgelaufen sein, vergangene Woche in der Nähe von Teuchern im Burgenlandkreis. Die Polizei steht vor einem Rätsel.

Ein einträgliches Geschäft

Wie vom Erdboden verschwunden: 60 Bauelemente im Wert von etwa 21 000 Euro. Jedes Teil wiegt um die 20 Kilogramm. Besser trägt es sich zu zweit, denn ein Modul ist etwa einen Meter breit und 1,60 Meter lang. Verwertbare Spuren am Tatort gibt es kaum. Hinweise von Zeugen - gleichfalls Fehlanzeige. "Solche Banden sind meistens Profis", sagen die Ermittler. Vieles deute auf professionelle Auftragsarbeit. Erst spähen die Banden die Objekte der Begierde aus. Dann verwenden sie das erforderliche Spezialwerkzeug. So werden die Module nicht beschädigt. Abnehmer, so wird vermutet, finden sich vor allem in osteuropäischen Ländern zur Genüge.

Weil sich gestohlene Solarmodule offensichtlich gut weiter verkaufen lassen, sind die Diebstähle inzwischen keine Einzelfälle mehr. Im südlichen Sachsen-Anhalt muss man seit Jahresbeginn wohl von einer regelrechten Serie sprechen. Ralf Karlstedt, Sprecher der Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Süd: "Das ist für uns ein neues Phänomen." Betroffen sei der ländliche Raum. Die Täter bevorzugten ihm zufolge vor allem Standorte in der Nähe von Autobahnen und Bundesstraßen. So könnten sie rasch das Weite suchen. Erst vor kurzem haben Unbekannte am Ortsrand von Barnstädt im Saalekreis 70 Module abgebaut und sind bei Nacht und Nebel über die B 180 verschwunden.

Der Saalekreis, wo in den vergangenen zwei Jahren etliche Solarparks entstanden sind, erweist sich als ein Schwerpunkt. Aktuell ermittelt die Kriminalpolizei hier wegen vier schwerer Diebstähle. Auf den Plätzen danach folgen der Burgenlandkreis und der Landkreis Mansfeld-Südharz. Dort haben die Diebe jeweils drei Mal reiche Beute weggeschleppt.

Mitunter kommen die Täter sogar gleich mit mehreren Fahrzeugen. So haben sie vor einigen Wochen über 300 Module, Anschlusskästen und Stahlkonstruktionen aus dem Energiepark Beuna abtransportiert. Geschäftsführer Norbert Burkhart geht von einem Schaden um die 250 000 Euro aus.

Die Polizei reagiert - im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Streifenfahrzeuge steuern jetzt ab und an auch schon einmal einen Solarpark an. Man setzt auf Abschreckung. Und vielleicht kommt so Kommissar Zufall zum Erfolg.

Das ist aber nur die eine Seite der Medaille. Nicht ohne Grund interessiert sich die organisierte Kriminalität für die Solarparks. Aus Sicht der Polizei müssten viele Eigentümer deutlich mehr tun, um ihre Solaranlagen zu schützen. "Mit einem Zaun oder Kamera-Attrappen ist es nicht getan", sagt Polizeisprecher Karlstedt. Sowohl der gewerbliche wie auch der private Bereich seien gefordert. Auf Wunsch würden die Berater der Kriminalpolizei sogar vor Ort Tipps geben, wie man Diebe auf Distanz halten könne.

Auch der Bund der Versicherten berichtet, dass sich Diebstähle von Solaranlagen bundesweit häufen. Sprecherin Bianca Boss zufolge sollten Eigentümer die Risiken nicht auf die leichte Schulter nehmen. Unter Umständen könne man sich sogar gegen einen Ausfall der Anlage schützen. Die Fristen für eine Entschädigung fielen dann je nach Vertrag unterschiedlich aus - von drei bis zu zwölf Monaten.

Schutz ist möglich

Laut Wolfgang Kirkamm von den Öffentlichen Versicherungen Sachsen-Anhalt gibt es bereits eine Vielzahl von technischen Schutzmöglichkeiten. Neben mechanischen Sperren, dem Einsatz von speziellen Befestigungen, gehörten auch elektronisch gestützte Freilandsicherungen dazu. Hausbesitzer mit einer Solaranlage auf dem Dach empfiehlt der Fachmann eine zusätzliche Elektronik-Police, die bei Verlust für Ersatz sorge.

Für den Vorsitzenden des Solarvereins Mitteldeutschland, Ottfried Reisch, ist die Diebstahlsserie nur eine ärgerliche Randerscheinung. "Wir sind jetzt dabei, unsere 16. und 17. Anlage zu planen, natürlich mit allen technischen Raffinessen - auch hinsichtlich der Sicherheit." Aber selbst ganz einfache Dinge könnten Dieben das Leben schwer machen. Sein Beispiel: "Keine Leiter aufstellen, über die Diebe auf das Solardach klettern können."