Katja Preuß im Porträt Katja Preuß im Porträt: Riesengroße Geschenkkiste

Naumburg - Als Frau von Stein fragte sie auf der Naumburger Bühne in dem Ein-Personen-Stück „Ein Gespräch im Hause Stein über den abwesenden Herrn von Goethe“: „Warum bleibt er so lange hier?“ Gemeint war Goethe. Das war 2013. Damals gehörte sie gut ein Jahr dem Schauspielensemble an. Heute fragt sich die 39-Jährige: „Warum bin ich so lange in Naumburg geblieben?“ Anderthalb Jahre, so sah ihr Plan ursprünglich aus, wollte sie dem vierköpfigen Ensemble angehören. Es wurden sechseinhalb Jahre daraus. Eine Zeit, die aber wie im Fluge verging und die es wert war, in der Domstadt zu verbringen.
„Naumburg war für mich die reinste Geschenkkiste, von der ich anfangs nichts ahnte“, resümiert Katja Preuß. Als sie in die Domstadt kam, sei das wegen des sprichwörtlichen Winks mit dem Zaunpfahl gewesen. „Ich hörte ein Radio-Interview mit der neuen Naumburger Theaterintendantin, da dachte ich: Toll, die weiß, was sie will.“ Katja Preuß, damals gerade beruflich nicht fest gebunden, wusste sofort, was sie wollte: Es mit einem Engagement am kleinsten Stadttheater Deutschlands versuchen. Um zu schauen, worauf sie sich einlasse, sah sie sich eine Naumburger Inszenierung an. Auf der Zugfahrt studierte sie die Vita der Intendantin und fiel dabei in ihre eigene Vergangenheit zurück.
Inkognito in Naumburg
Sie kannte Susanne Schulz aus ihrer Jugend. Ab ihrer Schulzeit in Eisenach aufgewachsen, spazierte die zwölfjährige Katja nach einem Aufführungsbesuch mit der Klasse noch allein durchs Theater. Dort traf sie auf eine Frau, die sie fragte, wohin sie wolle. Katjas Antwort: „Ich will Schauspielerin werden.“ Eine Woche später gehörte sie dem Eisenacher Theater-Jugendclub an und stand sogleich als Statist auf der großen Bühne - dank erwähnter Frau, die keine andere als Susanne Schulz und einst als Dramaturgin für den Bereich Kinder und Jugend zuständig war.
Während Katja Preuß’ Naumburger Inkognito-Besuch erkannte auch Susanne Schulz im Theaterfoyer sogleich ihren einstigen Schützling: „Sie waren das Kind mit der tiefen Stimme“, habe sie sich an die gemeinsame Eisenach-Zeit erinnert. Nach dem auf diesen Besuch folgenden Vorsprechen hatte Katja Preuß das Naumburger Engagement in der Tasche. „So war es wieder Frau Schulz, die mich erneut auf die Bühne stellte.“ Dabei war sie zu dieser Zeit eigentlich auf dem, wenn auch sehr steinigen Weg ins Filmgeschäft.
Dass sie Schauspielerin werden wollte, stand für Katja Preuß im Alter von sechs Jahren fest. „Ich wollte schon immer alles haben, ganz viele Leben leben: Prinzessin, Indianer, Architektin, Psychologin, Kindergärtnerin, aber am liebsten Winnetou, obwohl ich wusste, dass das im realen Leben nicht geht. Es musste also einen anderen Weg geben - den der Schauspielerei“, erzählt sie. Auch als sie später in Eisenach bereits als Statist schon die erste Theaterkürzung mitbekommen hat - das Schauspiel wurde abgewickelt -, „konnte ich mir nicht vorstellen, dass es in der Kultur weitere Kürzungen geben sollte. Es war für mich so aus der Welt, dass die Menschheit ohne Theater, ohne geformte Realität, ohne in Bilder gefasste Wünsche und Träume auskommt.“
Weil für sie „Theater in die Natur der Menschheit gehört“, startete sie nach dem Abitur frohen Mutes ihre Schauspieler-Laufbahn - an der Hochschule des Saarlandes für Musik und Theater. Während dieser Zeit hatte sie einen Gastvertrag am Koblenzer Theater. Es folgte ein Zweijahresvertrag in München am Theater. Dann tauchte sie in eine andere Rolle ein. An einer Münchener Sprachschule gab sie Deutschunterricht für ausländische Mitarbeiter bedeutender Firmen. „Morgens“, so Katja Preuß, „machte man sich schick, es gab einen Dresscode, und wenn man in die Schule kam, bekam man Kaffee gereicht. Ich habe das geliebt.“ Aber nicht genug, um von der Schauspielerei zu lassen.
In Eisleben heuerte sie als Schwangerschaftsvertretung an. „Ich wollte nach dem Studium mal einen Abendspielplan gemacht haben“, so ihr Argument. Doch blieb sie letztlich so lange - so lange dauert keine Schwangerschaft. Nach fünf Jahren wollte sie zum Film. Also standen Leipzig und Köln, die „Drehstädte“ schlechthin, zur Wahl. Sie entschied sich für Leipzig, des Dialektes wegen - es ist die Sprache ihrer Mutter, die aus dem Raum Leipzig stammt. Über zwei Jahre versuchte Katja Preuß als Freiberuflerin ihr Glück und blieb nebenher Gastschauspielerin in Eisleben. Ihr Berufsleben wurde bunt: Kabarett in Gera, Hörbuchproduktionen für Jugendliche, dann ein Drehtag für „Glück auf Brasilianisch“, ein Comedy-Dreh „Auch das noch“, und immer wieder ein satirischer Jahresrückblick im öffentlich-rechtlichen Fernsehen.
Was waren das aber für Geschenke, die sie in Naumburg auswickelte? Kaum angekommen, fiel ihr das erste große Geschenk in die Hände: „Hier traf ich auf ein Hammerteam, einen tollen Stab. An dem hänge ich“, sagt sie über ihre Kollegen auch hinter der Bühne. „Tolle Rollen bekommt man sowieso, wenn man nur zu viert im Ensemble ist“, schaut sie auf ihre Naumburger Karriere zurück. In dieser erlebte sie erstmals, dass das Publikum mit ihr über die Inhalte aufgeführter Stücke sprach. „Da merkte ich zum ersten Mal, dass das, was wir machen, worum wir in den Proben ringen, auch ankommt. Das hat mir die Sinnhaftigkeit meines Berufes klargemacht.“
Eine Offenbarung
Das nächste Geschenk kam mit Stefan Becker daher, der in Naumburg Kinderstücke inszenierte - unter anderm mit ihr den Froschkönig. Sie bewunderte, wie er das junge Publikum abholte, mit diesem in eine Kommunikation trat. Das war der Augenblick, in dem sie auf die Theaterpädagogik aufmerksam wurde. Becker habe sie dann in die Richtung gestupst. „Er erzählte mir, dass man sich nebenher in Wochenmodulen zum Theaterpädagogen weiterbilden kann.“ Also besuchte sie diese - anfangs „ohne den Plan, das hauptberuflich zu machen“. Das habe sich dann mit dem Intendantenwechsel Mitte 2015 ergeben. Damals erhielt sie das nächste Geschenk: Das Land hob eine Förderstelle Theaterpädagogik aus der Taufe - für Naumburg. Sie bewarb sich, wie wir wissen erfolgreich, bei Intendant Stefan Neugebauer. „Es war eine Offenbarung, Theaterpädagogik machen zu dürfen. Dabei fühle ich mich wie ein Fisch im Wasser“, sagt sie. Wenn eine gute Fee mit drei Wünschen käme - Katja Preuß müsste sie nicht lange überlegen: Theater, Film und vor allem Theaterpädagogik. „All das müsste man in ein Leben kriegen.“ Doch Theaterpädagogik werde sie nie ganz aufgeben.
Nächstes Ziel: Japan
Nun sei es an der Zeit, an einem Ort anzukommen - beruflich wie privat. Leipzig soll dieser Ort sein. „Wenn ich Naumburg und das Theater mitnehmen könnte, mit all den Kollegen, dem Chef und den Partnern, würde ich weiter für das Theater arbeiten“. Die kurzfristigen Zukunftspläne klingen verlockend. Nun möchte sie die Welt sehen - auch unter beruflichen Aspekten. Erste Station soll Japan sein. Spätestens 2019 möchte sie einen Monat lang vor Ort herausfinden, „wie Kreativität in so einem reglementierten System funktioniert.“