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Debatte im Stadtrat Wittenberg Wittenberg: AfD-Politiker will Flüchtlingsboot der Weltausstellung entsorgen

Von Marcel Duclaud 29.09.2017, 10:32
Das etwa 15 Meter lange Flüchtlingsboot, auf dem 244 Menschen die Überfahrt von Afrika nach Europa wagten.
Das etwa 15 Meter lange Flüchtlingsboot, auf dem 244 Menschen die Überfahrt von Afrika nach Europa wagten. Archiv/Klitzsch

Wittenberg - Sie bleiben: Weltkugel, House of One, die Clouds, das Flüchtlingsboot, der Schweizer Pavillon, natürlich die verspiegelten Stege auf dem Bunkerberg und noch manches mehr, was die Weltausstellung Reformation im Jubiläumsjahr 2017 nach Wittenberg brachte. Der Stadtrat hat sich die Entscheidung nicht leicht gemacht. Am Ende einer gut einstündigen Diskussion stimmten fünf Abgeordnete gegen die mühsam über Wochen erarbeitete Wunschliste, die große Mehrheit aber dafür.

Zankapfel waren zum einen die Eile, das Nichteinbinden der Ausschüsse in die Debatte, die unklare Lage, wie hoch die Kosten etwa für die Unterhaltung der Geschenke tatsächlich ausfallen werden - und das Flüchtlingsboot. AfD-Mann Dirk Hoffmann kann mit allem gut leben, er lobt das House of One als Symbol, schwärmt von einem „tollen Sommer“ , allein das Boot gehöre „entsorgt“.

Hoffmann sieht es als Signal, „die illegale Einwanderung gut zu finden“. Mit Weltoffenheit habe das nichts zu tun, Gäste seien willkommen: „Die fahren dann aber wieder nach Hause.“ Worte, die auf Widerspruch stießen. Es sei verfehlt, von einem verfehlten Symbol zu sprechen, sagte Insa Christiane Hennen (CDU). Sie nannte das Flüchtlingsboot am Schwanenteich ein überzeugendes authentisches Symbol. Es erinnere nicht zuletzt daran, „dass wir sehr komfortabel und warm hier sitzen und anderen das Wasser bis zum Hals steht“.

Flüchtlingsboot in Wittenberg: OB Zugehör verteidigt Entscheidung für Verbleib

Zuvor hatte bereits Oberbürgermeister Torsten Zugehör (parteilos) die Entscheidung, das Boot in Wittenberg zu lassen, vehement verteidigt. Er nannte das kleine Schiff, auf dem einst mehr als 200 Menschen das Mittelmeer in Richtung Europa überquerten ein „Denkmal für Menschlichkeit, Konsequenz und Rechtsstaatlichkeit“.

Es könne unter anderem Anstoß sein, darüber nachzudenken, wie das Land in Zukunft mit Flüchtlingen umzugehen gedenkt. Auch der Grüne Reinhard Lausch sprach sich wie Vertreter von Linken, SPD und Freien Wählern für den Verbleib des Bootes in Wittenberg aus: „Es steht für mich für die Rettung von Menschen.“

Im Übrigen „hatte ich den schönsten Sommer meines Lebens“, erklärte Lausch vor den Stadträten. Überhaupt: Dass das Jubiläumsjahr für Wittenberg ein gutes ist, dass es die Entwicklung der Stadt enorm befördert hat, darüber herrscht weitgehend Einigkeit. „Zu allererst bleiben schöne Erlebnisse, eine pulsierende Stadt, gute Gastgeber und die Erkenntnis, dass Wittenberg eine Reise wert ist“, bemerkte etwa Horst Dübner (Linke), bevor er sich in Kritik übte über die vagen Folgekosten und eine Auszeit forderte.

Kosten bereiten CDU Bauchschmerzen

„Über wie viel Geld reden wir, wenn das mit dem Bibelturm-Fundament am Bahnhof nicht klappt?“, fragte Dübner und betonte: „Nicht nur die politische Botschaft ist wichtig, auch die Finanzen sind es.“ Die bescheren ebenfalls der CDU Bauchschmerzen. Bettina Lange: „6.000 Euro Unterhaltskosten für den Bunkerberg? Das kann ich nicht glauben.“ Und dass unklar sei, ob das von Dübner angesprochene Fundament tatsächlich taugt für die geplante Radstation, findet sie ebenfalls nicht sonderlich professionell. Aber trotz allem: „Es war ein toller Sommer, bei dem Wittenberg nur gewinnen konnte.“

Dass möglichst viel Schwung von 2017 mitgenommen werden soll in die folgenden Jahre, das möchten Politik und Verwaltung. Ein Element können eben die Übernahme-Objekte sein. „Eine sichtbare Erinnerung an die schönen Momente“, wie der Oberbürgermeister formuliert.

Das House of One, das übrigens in Berlin in „Groß“ entstehen soll, nennt er „ein deutliches Signal für Einheit in Vielfalt“. Idee ist, Synagoge, Kirche und Moschee unter einem Dach zu vereinen. Es sei nicht zuletzt ein guter Ort für die Übung in „kulturvollem Streit“. Dass es da einigen Nachholbedarf gibt, zeigten die jüngsten verbalen Entgleisungen in Berlin, wo von „jagen“ und „auf die Fresse“ die Rede ist. (mz)