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Gericht Urteil für Angriff auf Polizisten in Wittenberg

Bei einem Polizeieinsatz in einer Privatwohnung geriet ein Wittenberger in ein Handgemenge mit der Polizei - dafür soll er nun bestraft werden.

20.04.2021, 08:48
Handschellen
Handschellen dpa

Wittenberg/Dessau - Zu neun Monaten Haft hat die 7. Strafkammer des Landgerichts Dessau-Roßlau einen Mann aus Wittenberg wegen eines tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung verurteilt. Allerdings ging die Kammer unter dem Vorsitz von Siegrun Baumgarten davon aus, dass der 44-Jährige noch eine Bewährungschance verdient hat.

Entzug angeordnet

Falls die Entscheidung rechtskräftig wird - Staatsanwältin Heidrun Voss forderte ein Jahr Gefängnis, Verteidiger Holger Gläser einen Freispruch -, beträgt die Bewährungszeit drei Jahre. Außerdem soll der Familienvater innerhalb von neun Monaten 200 gemeinnützige Arbeitsstunden ableisten und monatlich einen Termin bei der ambulanten Suchtberatung wahrnehmen, um seinen Hang zum Alkohol in den Griff zu bekommen. Der Lutherstädter war am 30. Januar 2019 im Zuge der Verkündung eines Haftbefehls gegen einen seiner Bekannten, der bei ihm in der Wohnung übernachtete, übergriffig geworden.

Im Zuge der polizeilichen Maßnahme boxte der Angeklagte einem Beamten in Brusthöhe gegen die Schutzweste und umschlang diesen dann so an der Hüfte, dass man gemeinsam zu Fall kam. Beim Aufprall auf ein Möbelstück zog sich der Mann eine Kopfplatzwunde zu, die im Krankenhaus behandelt werden musste.

Die MZ hatte bereits über den ersten Verhandlungstag berichtet. Entzündet hatte sich der Konflikt an dem Umstand, dass der Angeklagte den Einsatz filmte, obwohl er mehrfach gebeten wurde, das zu unterlassen. Die Kammer widersprach ausdrücklich der Auffassung des Verteidigers, dass die Beamten die Videoaufnahmen von ihnen uneingeschränkt dulden mussten. „Das gilt nicht unbegrenzt. Auch Polizisten haben das Recht am eigenen Bild“, erklärte die Vorsitzende.

Sie verwies darauf, dass sich die Ereignisse in einer Privatwohnung zutrugen und es sich nicht um ein öffentliches Zeitgeschehen handelte. Den Vollstreckungsbeamten stand im Rahmen ihres Ermessens folglich auch zu, das Filmen zu unterbinden, hieß es weiter. Die Diensthandlung, zu der die Sicherstellung des Handys gehörte, sei als korrekt einzustufen. „Den Polizisten wurde nicht gesagt, wozu die Aufnahmen dienen sollten. Sie mussten befürchten, dass das Video letztlich doch im Internet landet“, so die Richterin.

Wenn der Angeklagte dazu anderer Meinung gewesen wäre, hätte er sich durch eine direkte Nachfrage aufklären lassen oder gegebenenfalls Kontakt zu einem Anwalt aufnehmen können. Stattdessen habe der 44-Jährige versucht, recht aggressiv seine eigenen Regeln aufzustellen. Zu seinen Gunsten habe man freilich berücksichtigt, dass ihn der zuvor getrunkene Alkohol teilweise enthemmte.

Bewährung als Ausnahme

Die Strafaussetzung zur Bewährung - die erste Instanz hielt sechs Monate Haft für erforderlich - sei „ausnahmsweise möglich“, machte die Berufungskammer geltend. Seit dem Vorfall habe sich der Wittenberger straffrei verhalten. Sein Bewährungshelfer habe bestätigen können, dass eine aktive Zusammenarbeit bestehe und die Verantwortung in der Familie, wo der gelernte Tischler der Stabilitätsanker sei, ernsthaft wahrgenommen werde.

„Er ist eine wesentliche Stütze der gesamten Familie“, fand sein Verteidiger Holger Gläser. „Er wird sich am Riemen reißen können und müssen.“ (mz/Andreas Behling)