Flutschender Ton in Kinderhänden
BRAUNSDORF/GRÄFENHAINICHEN/MZ. - Das versuchte sie am Wochenende in ihrer Werkstatt im Wittenberger Ortsteil Braunsdorf auch der elfjährigen Michelle zu vermitteln. Denn das Hängenbleiben an der sich drehenden Form hatte fatale Folgen. Schnell erhielt die Wandung eine verknautschte Stelle, erinnerte das Gefäß eher an abstrakte Kunst als an einen Gebrauchsgegenstand.
Handwerk braucht viel Kraft
Die Werkstatt von Juliane Schering war eine von fünf zwischen Gräfenhainichen und Zahna im Wittenberger Landkreis, die sich am Wochenende am "Tag der offenen Töpfereien" beteiligte. In Braunsdorf zum Beispiel konnten Kinder oder auch andere Interessierte einmal selbst an der Töpferscheibe erleben, wie viel Kraft es braucht, um dem Formlosen die gewünschte Form zu geben. Michelle schlug sich ganz achtbar, und auch ihrem neunjährigen Bruder Nico gelang es schon ganz gut, wobei er das schon einmal gemacht hatte, wie sich herausstellte.
"Wir sind zum ersten Mal beim Tag der offenen Töpferei", sagte Lysann Elsner aus Apollensdorf Nord, die Mutter der Kinder. "Nico wollte unbedingt noch einmal her, weil es ihm Spaß gemacht hat." Im Hort hatten sie den Flyer gefunden, und so machte sich die ganze Familie auf den Weg. Für die vierjährige Emily war die Töpferscheibe allerdings ungeeignet, sie durfte mit Hilfe von Vater Sebastian ein Stück Ton mit dem Nudelholz ausrollen und ihren kleinen Handabdruck darin verewigen.
Es herrschte ein ständiges Kommen und Gehen in dem Raum mit den Kerzen, den noch unfertigen Töpfen, Sparschweinen, Schalen und Vasen auf den Regalen und dem Zettel neben dem Waschbecken, auf dem die Kinder ihre Farbwünsche für ihre selbst angefertigten Stücke angeben konnten. Bereits zum vierten Mal beteiligte sich Juliane Schering an der bundesweiten Aktion, "so haben die Leute mal die Möglichkeit, in die Werkstatt zu schauen", meinte die 45-Jährige. "Es ist kein sauberer Beruf, hier ist nicht alles akkurat und aufgeräumt. Aber das Produkt lässt sich ja gut reinigen." Immer wieder kamen neue Besucher, und während die Kinder das Selbermachen toll fanden, prüften die Erwachsenen mit genauem Blick, ob nicht Tasse oder Kännchen in weiß, grün oder blau zum schon bestehenden Geschirr passten.
Genau ausgewählt hat Doris Schleifer aus Wittenberg ihre Erwerbungen. "Ich schaue auch woanders, aber hierher gehe ich besonders gern. Die Dinge gefallen mir", meinte sie. Auch das Ambiente bei Juliane Schering spreche sie an, in einer Töpferei wisse sie, durch welche Hände die individuellen Stücke gegangen seien. Selbst Extrawünsche könne man äußern. "Damit habe ich schon vielen eine Freude gemacht." Michelle, Nico und Emily müssen übrigens auf ihre Stücke etwas warten. Die Gefäße und der Handabdruck werden vorgebrannt, mit Farbe versehen und sie erhalten danach ihre perfekte Festigkeit bei 1 120 Grad.
Abdruck von Struwwel
Mit einer Neuerung startete Petra Schütze in ihrem Atelier in Gräfenhainichen. Sie nahm Maß bei Struwwel und bereitete damit den Boden für einen besonderen Eindruck. Einen, der bleibt, sagt die Heidestädterin, für die die Arbeit mit Struwwel die wirklich erste ihrer Art war. Struwwel ist Vierbeiner. Ein Rauhaardackel und der absolute Liebling seines Frauchens. Den Abdruck seiner Pfote gibt es jetzt in gebranntem Ton. Immer wieder etwas Neues möchte Petra Schütze ihren Kunden präsentieren. Die Abdrücke von Füßen und Händen gehören dazu. Dabei ging es ihr nicht einmal vordergründig um die lieb gewonnenen vierbeinigen Familienmitglieder. "Wir haben dabei zuerst an die kleinen Kinder gedacht."
Tatsächlich kommen immer mehr stolze Eltern mit dem Nachwuchs in die Werkstatt, um sich ein nicht alltägliches Erinnerungsstück anfertigen zu lassen. Dabei müsse niemand Angst haben. "Es tut auch überhaupt nicht weh", erzählt die Töpfermeisterin und demonstriert, wie die Abdrücke in den Ton gelangen. Nein, es funktioniere eben nicht so, dass die Körperteile einfach nur in die fertige Masse gedrückt würden. "Zumindest nicht in den Ton." Vielmehr werde zuerst ein Silikonmuster hergestellt. Die spätere Gussform gewissermaßen. Die wird dann mit Ton gefüllt, der fertige Rohling noch intensiv bearbeitet.
Nicht nur Schulterblick
"Die Linien der Hände und Füße sollen schon sichtbar sein", erzählt Petra Schütze, für die der Tag der offenen Töpferei immer wieder auch willkommene Gelegenheit ist, Einblicke in das traditionelle Handwerk zu geben. Beim Schulterblick allein sollte es aber am Sonnabend nicht bleiben. "Wir haben mit Kindern gebastelt. Den ganzen Nachmittag lang", so die Gastgeberin, die am Abend auch dem einen oder anderen Neugierigen den Platz an der Töpferscheibe überlies. Werner Czopowski gehörte zu denen, die das Angebot annahmen. Auf völlig neuem Terrain schlug sich der Gast wacker. Viel Gefühl, so der Eindruck, braucht es, um aus einem Klumpen Ton eine Schale werden zu lassen. Zumindest sei es kein Selbstläufer, hieß es in der Töpferei. Doch Petra Schütze assistierte und steht den Neugierigen auch in Zukunft zur Seite. "Wer will, kann sich sein fertiges Stück in ein paar Tagen abholen", betont sie und erzählt von den Arbeiten, die eine Schale erst zu einer gebrauchsfertigen machen.