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Ausstellung in der Stadtkirche Wittenberg Antje Huses hat das Neue Testament kalligrafisch aufgeschrieben

In der Stadtkirche Wittenberg ist Antje Huses kalligrafische Abschrift des Neuen Testaments zu sehen.

Von Corinna Nitz Aktualisiert: 24.09.2021, 09:33
Antje Huse, Mathelehrerin, Künstlerin, beschäftigt sich seit 2015 mit Kalligrafie. Jetzt hat sie eine  kalligrafische Abschrift des  Neuen Testaments geschaffen. Ausgestellt wird diese Arbeit derzeit in der Wittenberger Stadtkirche.
Antje Huse, Mathelehrerin, Künstlerin, beschäftigt sich seit 2015 mit Kalligrafie. Jetzt hat sie eine kalligrafische Abschrift des Neuen Testaments geschaffen. Ausgestellt wird diese Arbeit derzeit in der Wittenberger Stadtkirche. Foto: Corinna Nitz

Wittenberg/MZ - Antje Huse ist Mathelehrerin in Bremen. Zu berechnen, wie lange sie brauchen würde, um die Bibel kalligrafisch abzuschreiben, war für sie also kein Hexenwerk. Unter Zugrundelegung sämtlicher Verse im Alten und Neuen Testament kommt sie auf fünf Verse - pro Tag. Schafft sie das, wäre die Abschrift nach 17 Jahren fertig.

Als Huse diese Berechnungen anstellte, war sie 47 Jahre alt. Bis zur Rente würde sie also brauchen. Dann lieferte das Internet ihr einen Anlass, das Projekt neu zu denken: 2021 jährt sich Martin Luthers Übersetzung des Neuen Testaments ins Deutsche zum 500. Mal. Es gab noch andere Begebenheiten, in denen Huse eine Fügung sah, sie schreibt auch von Gottes Arbeitsauftrag, und dem entzog sie sich nicht. Am 29. August 2016 war Tag 1 der Abschrift des Neuen Testaments.

Solche historischen Handschuhschatullen dienen heute als Schutz für Abschriften der Bücher des Neuen Testaments. Aber auch die Handschuhe sind in der Stadtkirche zu sehen.
Solche historischen Handschuhschatullen dienen heute als Schutz für Abschriften der Bücher des Neuen Testaments. Aber auch die Handschuhe sind in der Stadtkirche zu sehen.
Foto: Nitz

Zitate zum Mitnehmen

In diesen letzten September-Tagen des Jahres 2021 - und sehr wahrscheinlich noch ein wenig länger - sind die Ergebnisse von Huses Ausnahmeprojekt in der Wittenberger Stadtkirche zu sehen. Und selbst, wer nicht mit der Künstlerin ins Gespräch kommen kann, weil sie am Sonntag wieder abreist, dürfte staunend stehen zwischen schmalen Seidenpapier-Bannern, die neun Meter lang von der Decke hängen, und kleineren, die entlang der Südseite des Sakralbaus präsentiert werden.

Leporellos sind entstanden, Schriftbilder, Bücher, letztere in koptischer Bindung, so dass sie aufgeschlagen werden könn(t)en. Tatsächlich befinden sie sich unter Glashauben. Die Bücher und Leporellos sind auch sonst nicht unbehaust, sie können in historischen Handschuhschatullen geborgen werden. Die Schatullen für sich genommen, übrigens aus weiten Teilen der Welt zusammengekauft, sind selbst kleine Kunstwerke. Auch sie können in der Ausstellung betrachtet werden, ebenso jene Utensilien, für die sie einst gemacht wurden. Zu den weiteren Besonderheiten der Schau gehören originale Kaffeesäcke aus Bremen, in die Huse Kärtchen mit erbaulichen Bibelzitaten zum Mitnehmen gegeben hat.

Insgesamt sind 37 kalligrafische Objekte in der Schau zu sehen: Zwölf Bilder auf Staffeleien, zwölf Leporellos, zwölf Bücher auf Säulen und die Banner mit Jesu „Ich bin“-Worten aus dem Johannesevangelium. Diese neun Meter langen Streifen aus zartem japanischen Seidenpapier gehörten wohl mit zu den größeren Herausforderungen bei der Umsetzung des Projektes, da sie zusätzlich stabilisiert werden mussten. Aber auch schwierige und komplexe Schriftarten nahmen Antje Huse in Anspruch, jedes Buch sei in einer anderen geschrieben, weshalb die Ausstellung zugleich ein Gang durch die Schriftgeschichte sei.

Ein Buch der Bibel
Ein Buch der Bibel
Foto/Repro: Nitz

Eine Arbeit, die verändert

Gearbeitet, sagt Huse zur MZ, hat sie tatsächlich täglich - abends für eine halbe Stunde. Aufwendige Schmuckbuchstaben habe sie auch mal fürs Wochenende oder die Ferien gelassen - umgekehrt arbeitete sie durchaus vor, um in den Ferien etwas unternehmen zu können mit ihrem Partner, über den sie sagt: „Ich habe einen gnädigen Verlobten.“ Tatsächlich hat dieser sich extra freigenommen für die Zeit in Wittenberg, eröffnet wurde die Schau wie berichtet am Sonntag zum Auftakt einer Aktionswoche. Huse selbst wurde von der Bremer Bildungsbehörde für diese Woche freigestellt. Andere öffentliche Unterstützung für das Projekt habe es nicht gegeben.

Nach Wittenberg, wo die kalligrafische Abschrift des Neuen Testaments erstmals gezeigt wird, kam Huse über die „Wycliff-Bibelübersetzer“. Huse sagt, sie könne sich vorstellen, die Ausstellung auch auf Wanderschaft zu schicken und geht es nach ihr, bleibt deren Besuch kostenfrei.

Übrigens: Auf die Frage, was es mit einem Menschen macht, der sich fünf Jahre, praktisch täglich, schreibend mit dem Neuen Testament beschäftigt, sagt Antje Huse: „In dieser Zeit habe ich mich verändert.“ Offener sei sie geworden, sie fühle sich getragen und angenommen: „Und dann kann man sein, wie man wirklich ist.“

Zu sehen ist die Ausstellung von Antje Huse derzeit zu den Öffnungszeiten der Stadtkirche Wittenberg. Wie es am Donnerstag von Kirchmeister Klaus Pohl hieß, soll die Schau verlängert werden.

Malerisch: Im Anfang war das Wort. Zu sehen ebenfalls in der Stadtkirche.
Malerisch: Im Anfang war das Wort. Zu sehen ebenfalls in der Stadtkirche.
Corinna Nitz