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Gesellschaft An der Schwelle zum Erwachsenwerden in Wittenberg

Achtklässler der Evangelischen Gesamtschule „Philipp Melanchthon“ in Wittenberg bereiten sich auf ihre Segensfeier vor.

Von Corinna Nitz 08.05.2021, 08:38
Lehrer Wolfgang Müller, hier mit einem Schüler, der an der ersten Wittenberger Segensfeier  teilnimmt, in der  Aula der Evangelischen Gesamtschule „Philipp Melanchthon“
Lehrer Wolfgang Müller, hier mit einem Schüler, der an der ersten Wittenberger Segensfeier teilnimmt, in der Aula der Evangelischen Gesamtschule „Philipp Melanchthon“ (Foto: Corinna Nitz)

Wittenberg

Dass Glück kein Geschenk der Götter sei, sondern „die Frucht innerer Einstellung“, fand der Psychoanalytiker und Philosoph Erich Fromm. Vor einiger Zeit hing der Spruch nun an einer Tafel in der Evangelischen Gesamtschule „Philipp Melanchthon“ in Wittenberg. 36 Schülerinnen und Schüler der beiden achten Klassen haben sich in Vorbereitung auf ihre Segensfeier, die am 29. Mai in der Stadtkirche begangen werden soll, mit Sinn- und Lebensfragen beschäftigt.

Im Mittelpunkt stand demnach auch die Frage nach einer zunehmenden Verantwortung. Oder um es mit Stadtkirchenpfarrer Florian Mederacke, der die Segensfeier mit durchführen wird, zu sagen: „Erwachsen werden heißt, Verantwortung für das eigene Leben und die Gesellschaft zu übernehmen.“

Gemeinsamkeit zählt

Dass dem so ist, hat auch der 14-jährige Marius Mittmann offenbar schon bemerkt. „Man spürt, dass man mehr Verantwortung hat“, sagt er zur MZ und spricht zudem von einer Vorbildfunktion etwa Geschwistern gegenüber. Obwohl er konfirmiert wird, hat er sich doch zusätzlich für die Segensfeier entschieden. Es gehe ihm dabei um die „Gemeinsamkeit mit dem Klassenverband“, da man sonst überwiegend in unterschiedlichen Kursen sei. Mit der Kombination aus Segensfeier und Konfirmation stellt der Teenager aber wohl eher die Ausnahme dar.

Tatsächlich richte sich die Segensfeier eben gerade an jene Mädchen und Jungen, die keine Konfirmation, aber auch keine der im Osten noch immer stärker verbreiteten Jugendweihen machen wollen. Dass es sich trotz des kirchlichen Gepräges gleichwohl nicht um eine „Konfirmation light“ handelt, betont gegenüber der MZ Wolfgang Müller. An der Evangelischen Gesamtschule unterrichtet er Religion, Kunst und Technik.

„Gott möchte jeden Menschen segnen, egal wie weit er ist und wo er steht mit dem Glauben“, findet er und verweist in diesem Zusammenhang auf die Tradition von Andachten in der Schule, die ja keineswegs nur von Schülern aus christlichen Elternhäusern besucht wird. Die Rede ist auch von der Schwelle, an der junge Menschen mit 14?Jahren stehen, wenn sie gegen Erwachsene aufbegehren und doch noch Hilfe und Unterstützung brauchen.

In so einer „Findungsphase“ (Müller) kann eine Segensfeier ein schöner und verbindender Moment sein. Dass sie in anderen Evangelischen Schulen bereits durchgeführt werden, sagen Müller und Mederacke. Unterschiede gibt es in der inhaltlichen Ausgestaltung. Diese wird in Wittenberg mit den Schülern und deren Eltern gemeinsam bedacht, gerade gab es einen Elternabend, bei dem Müller zufolge der Ablauf für den 29.?Mai in der Stadtkirche besprochen wurde. Worum es noch ging? Eltern werden ihren Kindern einen Brief schreiben und reflektieren, wie sie etwa die Kindheit mit ihrem Nachwuchs erlebt haben und was sie diesem für die Zukunft wünschen.

Eine Verbindung

Symbolhaft wird sich das laut Mederacke auch in einem Schlüsselanhänger, den die jungen Leute zur Segensfeier erhalten sollen, zeigen: Der Anhänger greife das Logo der Schule, einen Baum auf, und verweist zugleich auf die Wurzeln, die ein Mensch im Idealfall entwickelt hat, und auf die Blätter, die sich entfalten. Wie Fabian Mederacke auf Nachfrage erklärt, stamme die Idee, in Wittenberg eine Segensfeier anzubieten, von seinem Kollegen, Stadtkirchenpfarrer Alexander Garth. Für ihn, Mederacke, ist das Format auch ein „Baustein als Verbindung zwischen Schule und Kirche“. (mz)