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Holzkunst in Großkorbetha Uriges Parlament am Zaun

Die Großkorbethaerin Lore Sprenger macht die Nachbarschaft neugierig. Ein für sie wichtiges Familienprojekt soll in nächster Zeit abgeschlossen werden.

19.04.2021, 14:13

Großkorbetha - Wer in bitterkalter Zeit zwischen Tagesschau und Wort zum Sonntag hin- und hergerissen ist, der kann in Großkorbetha Hoffnung und Erbauung finden. Und das gleich am Gartenzaun auf dem Kirschberg. Die Künstlerin Lore Sprenger treibt auch mit 84 Jahren die Unrast um und so zeigt sie gern ihre Holzarbeiten, die man Urviecher, Aliens (Außerirdische) oder Trolle nennen kann. Die Großkorbethaerin selbst hat sie „Das Parlament der großen Tiere“ getauft. Mit ein wenig Fantasie könnte man auch Jens Spahn ohne Brille ausmachen, der immer aufs Neue für Verunsicherung sorgt, wie Lore Sprenger meint.

Blicke in den Himmel gerichtet

Die Künstlerin, die seit den 1970er Jahren mit ihren Keramik-arbeiten DDR-weit bekannt war, zeigt ihre Werke. Schon von Weitem fällt eine künstlerisch gestaltete Grundstücksmauer auf. Nun kann man fast vom Gartenzaun aus Fabelwesen in Augenschein nehmen und auf andere Gedanken kommen. Das ist in der Gegenwart wichtig.

Wie es Lore Sprenger in Corona-Zeiten geht? Sie weist auf ein Osterkreuz im Flur ihres Hauses hin. Es ist neben den Fabelwesen eine ihrer jüngeren Arbeiten. Am Kreuz hängt nicht Jesus, sondern ein stilisierter Mensch aus einem wunderschönen Stück Baumrinde. Fast sieht man die scheinbar symbolisch dem Himmel entgegengestreckten Hände. Das sagt alles. Man fühle sich wie an einem Kreuz und die Blicke gingen in den Himmel, meint sie. Sie fühle sich wie festgebunden, kann nicht reisen und ist um die Gesundheit besorgt. Inzwischen hat sich Frau Sprenger impfen lassen.

Kraft aus der Natur ziehen

Fast ähnlich wie das Osterkreuz mutet ein Bild an der Fassade ihres Hauses in Großkorbetha an. Es ist vor kurzem auf leicht zu bearbeitendem Ytong-Stein gefertigt worden. Der Baum des Lebens, dessen Äste fast figürlich wirken, als ob eine Primaballerina ihre Hände nach oben reckt und mit ihrer Kunst begeistern will. Verdeckt wird davon das Örtchen Kleinkorbetha auf der anderen Saaleseite. Nur ein paar Häuser sind zu sehen und der Turm der ungenutzten Kirche, die sie von ihrem Grundstück aus erblicken kann. Aus ihr erwächst den Menschen keine Kraft mehr, doch aus der Natur kann er sie ebenso schöpfen wie aus den Arbeiten Lore Sprengers.

Die Ideen sind ihr mit der Zeit nicht ausgegangen, immer noch sucht sie neue künstlerische Ausdrucksformen und Material, das dazu passt. Die Großkorbethaer wissen das und kennen auch ihr Faible für Holz, das sich gut bearbeiten und aus dem sich Vielerlei herstellen lässt. Urviecher und Madonna, die Bandbreite ist unendlich groß und spiegelt letztlich die Kreativität der Frau wider, die weder das Alter noch ein Virus stoppen kann.

„Mit dem Buch will ich ihre Lebensgeschichte bewahren.“

So hatte sie sich mal alte Reb-stöcke aus Italien mitgebracht und diesmal waren es vertrocknete Fichtenstücke einer Großkorbethaer Familie. Daneben liegt nun endlich auch das fertige Manuskript vor, in dem sie aus dem Leben ihrer Mutter erzählt. 1898 geboren, hat sie Kaiserzeit, Weimarer Republik, Nazis und die DDR erlebt. Sie musste hart arbeiten, war zuletzt Reinemachefrau in den Leuna-Werken und konnte sich erstmals preiswert Ferien in Betriebsunterkünften leisten.

Als Rentnerin besuchte sie dann zu Weihnachten einen Neffen in Köln. Und dort lief seinerzeit im Westdeutschen Rundfunk eine Sendereihe zum Fest. Ihre Verwandten machten ihr Mut, sich zu melden und so erzählte sie lange über die Feiertage in der Kindheit. Vier Jahre später starb sie. Nun sagt Lora Sprenger: „Mit dem Buch will ich ihre Lebensgeschichte bewahren.“ (mz/Holger Zimmer)