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„Das gefährdet Leben“ Grünen-Fraktionschefin Lüddemann will Modellprojekte stoppen

Grünen-Fraktionschefin Cornelia Lüddemann will Modellprojekte stoppen. Der Ministerpräsident verhalte sich wie ein Geisterfahrer, rügt sie.

Aktualisiert: 12.4.2021, 07:26

Magdeburg. In der Landesregierung bricht offener Streit über den richtigen Kurs in der Corona-Pandemie aus. Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) will eine bundesweite Notbremse verhindern. MZ-Redakteur Hagen Eichler befragte Grünen-Fraktionschefin Cornelia Lüddemann, wie ihre Partei reagiert.

Frau Lüddemann, Sachsen-Anhalt gehört zu den Ländern mit der höchsten Quote an Neuinfektionen. Ist die Landesregierung bei der Pandemiebekämpfung auf dem richtigen Weg?

Cornelia Lüddemann: Nein. Seit einigen Wochen sehen wir, dass die Verantwortlichen nicht genug tun, um das Leben und die Gesundheit der Menschen zu schützen. Am Freitag hat der Burgenlandkreis gemeldet, dass er kein einziges freies Intensivbett hat. Am gleichen Tag beginnen aber Modellprojekte zur Öffnung der Gastronomie, und Ministerpräsident Haseloff lehnt bundesweit einheitliche Regeln über das Bundesinfektionsschutzgesetz ab. Das gefährdet Menschenleben. Mir kommt es so vor, als ob die CDU in einem Bus sitzt, mit Ministerpräsident Haseloff als Geisterfahrer, der sich wundert, dass ihm alle anderen entgegenkommen.

Was fordern Sie?

Herr Haseloff hat dazu beigetragen, dass die Ministerpräsidentenkonferenz die Pandemiebekämpfung an die Wand gefahren hat. Ich begrüße daher sehr, dass die Bundestagsfraktionen und Frau Merkel klare Regelungen für eine Inzidenz ab 100 treffen wollen. Ich kann den Kollegen von der Landes-CDU schon einmal sagen: Wir werden alles dafür tun, dass Sachsen-Anhalt eine solche Regelung im Bundesrat nicht verhindert.

Sie rügen die Landes-CDU. Die Modellprojekte zur Öffnung der Freiluftgastronomie hat aber Wirtschaftsminister Armin Willingmann von der SPD genehmigt, der am Freitag als einer der ersten ein Café besucht hat.

Das sind die völlig falschen Signale. Die Menschen sehen, wie die medizinischen Kapazitäten an ihre Grenzen kommen. Da geht es nicht nur um die Intensivbetten. Auch die Pflegekräfte sind komplett am Limit. Da gibt es Krankenstände zwischen 15 und 20?Prozent - das hält das System nicht mehr lange durch. Wir müssen konsequente und wirksame Maßnahmen ergreifen.

Wenn der Bund durchgreift, wird alles besser?

An dem, was zum Bundesinfektionsschutzgesetz bekanntgeworden ist, habe ich deutliche Kritik. Aktuell wird die Pandemiebekämpfung privatisiert. Der Staat zieht sich zurück und gefährdet Leben. Das ist nicht akzeptabel und unsolidarisch. Wir brauchen wirksame staatliche Maßnahmen. Wir müssen die Wirtschaft stärker in die Pflicht nehmen.

Was ist da aus Ihrer Sicht notwendig?

Eine Pflicht zum Homeoffice, wo immer das die betrieblichen Abläufe zulassen, ist überfällig. Die Bundesregierung hat das bislang verhindert. Und wo Präsenz notwendig ist, wollen wir zweimal pro Woche verbindliche Antigen-Schnelltests einführen. Das muss Pflicht werden, so wie wir das auch in den Schulen machen.

Das bekommt der Staat doch selbst nicht hin.

Die öffentliche Verwaltung muss im zweiten Jahr der Pandemie endlich Vorbild werden. Ich werde das im Kabinett für alle Bereiche der Landesverwaltung noch einmal deutlich ansprechen.

Ihre Forderung nach der Notbremse ab Inzidenz 100 bedeutet: Die Biergärten im Harz werden wieder geschlossen, die Hotel-Öffnung in Mansfeld-Südharz wird abgesagt.

Ja, so schwierig das ist. Wir haben massiv davor gewarnt, falsche Hoffnungen und unredliche Versprechungen zu machen. Die Modellprojekte bei Landkreis-Inzidenzen über 100 sind falsch. 100?ist die maximale Grenze, bis zu der man medizinisch verantwortlich handeln kann.

Dass der Wirtschaftsminister solche Modellprojekte genehmigen kann, haben die Grünen im Kabinett mitbeschlossen.

Wir haben immer gesagt, dass wir das für falsch halten.

Die grüne Ministerin Claudia Dalbert wurde überstimmt?

Öffnungen müssen an die Entwicklung von Neuinfektionen gekoppelt sein, das haben wir immer gesagt.

Wie wollen Sie sich dann am Dienstag mit Ihren Forderungen durchsetzen?

Wir wollen Einigkeit darüber herstellen, dass der Bund bei Inzidenzen ab 100 einheitliche Regelungen trifft. Es darf nicht wieder im Klein-Klein Diskussionen geben, die nachher zu unverständlichen Regelungen führen. Die Landesverordnung tritt in Kürze außer Kraft. Es braucht jetzt wirksame Pandemiebekämpfung via konsequenter Landesverordnung und über den Bund. Dafür streiten wir. (mz)