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Sangerhausen Sangerhausen: Geht's noch?

Von Steffi Rohland 08.03.2012, 17:39

Sangerhausen/MZ. - Es wird Frühling. Die ersten Zugvögel kehren aus dem Süden zurück. Über Rottleberode kreist ein Roter Milan. Während man seinem Flug folgt, kommt man auf einen stark befahrenen Feldweg, dem sogenannten Stadtweg in Richtung "Krummschlacht". Was sieht der heimgekehrte Vogel von oben? Auf alle Fälle die blauen Säcke am Wegrand. Sie enthalten Grünschnitt. Ja, der Garten sieht jetzt sicher todschick aus, aber mit den Müllbeuteln verschandeln die Leute die Landschaft.

Auch in der Bennunger Flur findet man problemlos wilde Müllkippen. So auf dem Weg über die Eisenbahn- und Autobahnbrücke in Richtung Wickerode. Da winkt einem links schon ein weißes Stoffgespenst entgegen. Man traut sich auch gar nicht nachzusehen, ob darunter wirklich nur ein Ballen liegt. Papier und Plastikradkappen am Wegrand sind nichts Außergewöhnliches, ja man erwartet sie eigentlich schon. Aber was wächst denn da rechts auf dem Feld? Plastikbehälter und Kanister für Scheibenklarfrostschutz. Na klar, die Behälter sind sicher an dieser Stelle leer geworden, da musste der Ballast weg. Auf dem gegenüberliegenden Feld freut sich der Landwirt über ein anderes Gewächs: Hier liegt, sicher noch gar nicht lange, eine Tasche mit Malerutensilien.

Als Wanderer hat man sich jetzt eine Pause verdient. Dankenswerter Weise steht hier eine Bank. Aber die Umgebung? Der Wegrand zum Höhenweg nach Sangerhausen ist eine langgestreckte Müllkippe. Die Müllschweine haben sich hier am Strauchwerk orientiert, das eigentlich den Wildtieren Deckung bieten soll. Zwei fast künstlerisch anmutende Rosen- und Baumschnitttürmchen zeigen, dass der Besitzer noch mehr zutun hat, er hat die Behälter nur ausgekippt. Zwischen Plastiktüten mit Windeln sorgfältig zugeschraubten Schnapsflaschen, diversem Haus- und Renovierungsmüll, recken sich Schneeglöckchen der Sonne entgegen. Daneben schauen einen die Innereien einer Hifi-Anlage an, wobei der dazugehörige Korpus auf die schon obligatorische Kühltruhe im Gebüsch weist. An der Kreuzung ist richtig rührend zu sehen, dass ein Reifen, wie früher die Prellsteine in Toreinfahrten, Verletzungen von einem alten Kirschbaum abhalten soll.

Auch die Hohlstedter Mauer enttäuscht einen Müllkippensucher nicht: An der Pappelreihe zwischen Bennungen und Hohlstedt stehen oft Autos und offensichtlich nicht nur, damit menschliche Bedürfnisse befriedigt werden. Je näher man dem Helmedamm kommt, umso größer werden die wild deponierten Gegenstände, die weder Fuchs noch Hase braucht. Auch wenn es sich um eine Matratze handelt, ganz zu schweigen vom Computerflachbildschirm, Fernbedienung und Wasserkocher. Margrit Kühne, Bürgermeisterin von Nienstedt mit Ortsteil Einzingen und Vorsitzende der Kreisjägerschaft Sangerhausen, fand ihren Satz: "Manche Menschen sind die größten Schweine", leider wieder bestätigt. "Es wird Frühling, da wird aufgeräumt und das findet man in Wald und Flur", sagt sie. Aber was man am Dienstag auf den Feldweg, direkt vor die Schachthalde abgeladen hatte, verschlägt ihr die Sprache: Es ist ein ganzer Berg Autoteile, wie Stoßstangen, Sitze, Armaturenbretter.

Nach so viel Müll sollte es auf dem Heimweg wirklich noch etwas Natur sein: Der Abstecher zur "Preußischen Sandgrube" in der Beyernaumburger Flur brachte allerdings die Krönung der Exkursion: Singend steigen rechts und links drei Feldlerchen in den Himmel. Nur wenige Meter vor dem Schild, das an die Rekultivierung der Altdeponie Einzingen im Jahr 1998 erinnert, liegen im Straßengraben gefüllte Einweckgläser: Kirschen, Aprikosen, Pflaumen, Mangold. Allein die Nektarinenmarmelade vom 27.7.07 hat bestimmt viel Arbeit gemacht. Gut gemeint von der Hausfrau war sicher auch die noch unberührte Menge Fett in einem Steintopf. Das alles am Feldrand entsorgt zu sehen, hat dann doch gereicht, um am Verstand der Menschen zu zweifeln und diese Art der Frühjahrsexkursion abzubrechen. Merkwürdig war nur: Ich wurde an diesem Nachmittag auf der Mülltour mehrfach gesehen. Nur diejenigen, die den Müll in die Landschaft transportieren, sieht leider niemand.