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Kinder- und Jugendhaus in Stolberg Kinder- und Jugendhaus in Stolberg: Neues Zuhause für minderjährige Flüchtlinge

Von Christiane Rasch 06.06.2016, 10:00
Die jungen Menschen beim Deutschunterricht.
Die jungen Menschen beim Deutschunterricht. Schumann

Stolberg - Freitagnachmittag im Kinder- und Jugendhaus in Stolberg: Viele der jungen Bewohner nutzen das schöne Wetter und spielen auf der Wiese vor dem Haus. Währenddessen sitzen Nawas, Shabir, Mustafa, Sayed, Naweed an einem großen Tisch im Gemeinschaftsraum.

Ohne Familie auf der Flucht

Seit Ende Februar leben sie in Stolberg. Die fünf Jugendlichen stammen aus Afghanistan und sind ohne ihre Familien nach Deutschland gekommen. Drei Monate waren die Jungen in der Clearingstelle für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Sandersleben, bevor sie nach Stolberg gekommen sind. Im Kinder- und Jugendhaus, das zum Albert-Schweitzer-Familienwerk Sachsen-Anhalt gehört, haben die 17-Jährigen ein neues Zuhause gefunden. „Als sie zu uns kamen“, erklärt Leiterin Kersten Kühn, „war ihre erste Frage: ’Wann dürfen wir in die Schule gehen?’“ Seitdem fahren sie täglich mit dem Bus nach Sangerhausen zu den Berufsbildenden Schulen Mansfeld-Südharz und werden unter anderem in Deutsch, Mathematik und Sozialkunde unterrichtet.

Sprachunterricht am Nachmittag

„Die deutsche Sprache ist das A und O“, sagt Kühn. Damit ihre Schützlinge diese noch schneller beherrschen, erhalten sie zusätzlich Sprachunterricht von Volklinde Abboudi. An zwei bis drei Nachmittagen in der Woche kommt die Stolbergerin ehrenamtlich in die Einrichtung, um mit den Jungen zu üben - auch an diesem Freitag. In gelöster Atmosphäre stellt Abboudi Fragen wie: Wie viele Geschwister habt ihr? Was liegt in einem Kühlschrank? Dabei zeigt sich schnell, auf welchem Stand die Jugendlichen sind.

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Mustafa sticht heraus. Nahezu jede Frage kann der 17-Jährige problemlos beantworten, den anderen Jungen hilft er und übersetzt. „Mustafa ist in Afghanistan zehn Jahre in die Schule gegangen“, erklärt Kühn. Das mache sich bemerkbar. Aufgrund seiner Sprachkenntnisse in Deutsch und Englisch ist er der erste der fünf Jungen, der ein Praktikum beginnen konnte. Derzeit sammelt er Erfahrungen in einer Werkstatt eines Bergaer Autohauses. Damit kommt er seinem Ziel, Automechaniker zu werden, ein großes Stück näher.

Berufserfahrungen sammeln

„Wir haben die Jungs gefragt, in welchem Bereich sie später gern arbeiten möchten“, sagt Kühn. Sayed wollte unbedingt in einem „Office“ arbeiten. Eine Mitarbeiterin des Kinder- und Jugendhauses habe daraufhin kurzerhand bei der Touristinformation in Stolberg nachgefragt. Seit wenigen Wochen hilft Sayed dort aus.

Mit deutschen Jugendlichen unter einem Dach

Die Jugendlichen sollen in Deutschland so schnell wie möglich integriert und zur Selbstständigkeit erzogen werden. Dazu trägt auch die Unterbringung in Stolberg bei. In einem kleinen separaten Haus leben sie gemeinsam mit vier deutschen Jugendlichen unter einem Dach. Wöchentlich werden unter den Bewohnern Haushaltsdienste aufgeteilt.

Gewöhnung an den Alltag

Für die Wäsche ist jeder selbst verantwortlich. Zu jeder Zeit ist zudem einer von vier Erziehern als Ansprechpartner im Haus. „Das Zusammenleben funktioniert gut“, sagt Kühn. Anfangs hätten sich die Jungen an den Tagesablauf gewöhnen müssen. Dazu gehört etwa das Essen zu festgelegten Zeiten. „Die Jungs kannten das nicht. Sie haben gegessen, wenn sie Hunger hatten“, erklärt die Leiterin mit einem Lächeln. Das hätte sich inzwischen eingespielt. Unterschiede aber bleiben. So habe Nawas neulich Hühnchen in der Pfanne gebraten - zum Frühstück.

„Keiner weiß, wie es weiter geht“

Wie lange die afghanischen Jugendlichen in Stolberg bleiben dürfen, ist ungewiss. „Das ist alles unklar“, sagt Kühn und verweist darauf, dass Afghanistan offiziell als sicherer Herkunftsstaat gelte. „Keiner weiß, wie es weiter geht.“ Hinzu kommt, dass die fünf bald volljährig werden und dann möglicherweise auf sich allein gestellt sind. (mz)