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Oberbürgermeister-Wahl in Naumburg Heiße Phase - online wie offline

Der Wahlkampf kurz vor der Entscheidung zwischen Armin Müller und Henrik Schumann spitzt sich zu.

Aktualisiert: 18.4.2021, 09:04

Naumburg - Ronaldo oder Messi? Die Beatles oder die Stones? Schoko oder Vanille? Gewiss, es gibt noch berühmtere Entscheidungsfragen als die zwischen Armin Müller (CDU) und Henrik Schumann, dem unabhängigen Bewerber. Doch in diesen Tagen ist es zumindest in Naumburg das Duell, das die Stadt elektrisiert, wie es hierzulande selten passiert.

Noch eine Woche ist es hin bis zur Stichwahl um den Oberbürgermeisterposten am Sonntag, 25. April. Es ist für beide potenziellen Nachfolger von Bernward Küper, der am 1. Juli Landesgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes wird, eine Woche des Stimmenfangs, der Gewinnung von Unentschlossenen und der Mobilisierung der eigenen Anhänger, die noch ein zweites Mal die (kleine) Mühe des Wählens auf sich nehmen sollen.

Als Neulinge in den sozialen Netzwerken unterwegs

Die Besonderheit des diesjährigen Wahlkampfes: natürlich die Pandemie und die daraus resultierenden Einschränkungen für öffentliche Veranstaltungen. Sowohl Armin Müller als auch Henrik Schumann haben deshalb, quasi als Neulinge, den Weg in die sozialen Netzwerke beschritten und vor allem auf Facebook sehen müssen, wie hart und unbarmherzig Kritiker dort in die Tasten hauen. Zwar sachlich, aber ebenfalls deutlich gab dort dieser Tage etwa der unterlegene Einzelbewerber Benjamin Bossone in einem Video eine klare Nicht-Empfehlung für Henrik Schumann ab. Er belegte dies mit streitbaren Aussagen aus Schumanns Wahlkampf. Klar, dass Bossone diese persönliche Meinung sowohl positives („Wahre Worte“) als auch negatives Feedback („Schlechter Verlierer“) von diversen Kommentatoren einbrachte.

Armin Müller hingegen durfte in dieser Woche erleben, dass Diskussionen auf Facebook zuweilen ein Gewinn sein können. In zwei eigenen Beiträgen widmete er sich der Zukunft des Blütengrundes, sowohl des Schwimmbades als auch der Schifffahrt. Zu Wiederbelebungs-Ideen in puncto Naturschwimmbad schreibt Müller: „Leider musste dieser Gedanke wieder verworfen werden, weil dieses Schwimmbad keinen natürlichen Zu- und Ablauf zur Saale besitzt und deshalb ohne starke Chemikalien die hygienischen und gesundheitsrechtlichen Auflagen kaum erfüllbar wären. Den geschätzten Kosten einer Schwimmbad-Reaktivierung von über einer Million Euro steht eine maximale Nutzerzahl von nur 100 Badegästen (gleichzeitig im Wasser) gegenüber.“

In den Kommentaren dazu fanden sich alsbald viele Ideen ein, dass ein solcher Zu- und Ablauf doch zu realisieren sei und es dafür ein Konzept gebe. Auch weitere Ideen für das Areal (Festivalgelände, Wasserspielplatz, Kletterpark, „Grünes Klassenzimmer“) wurden von Lesern in Spiel gebracht, weshalb sich Müller erfreut über den konstruktiven Austausch zeigte.

Zur Schifffahrt führt der CDU-Kandidat aus, wie es zum nun vorliegenden neuen Vertrag mit Ex-Betreiber Manfred Schmidt kam, für dessen Unterzeichnung die Zustimmung des Gemeinderates aber noch weit in den Sternen steht. So schließt denn auch Müller mit dem Satz: „Zusätzlich erschwerend wirkten sich persönliche Irritationen mit Herrn Schmidt aus, da er zum Beispiel städtische Flächen ohne Genehmigung nutzte, was zu einem Vertrauensbruch führte. Dem Gemeinderat obliegt nun die letzte Entscheidung.“

Das Thema „Blütengrund“ hätte man auch im Mittelpunkt einer Veranstaltung erwartet, zu der Henrik Schumann am Donnerstag alle „Kritiker und Unentschlossenen“ ins „Turbinenhaus“ eingeladen hatte, zumal dort mit Fährmann Manfred Schmidt sogar der Blütengrund-Protagonist als Wahlhelfer mit vor Ort war. Doch vor den nur spärlich erschienenen Zuschauern sparte Schumann das Thema aus, wohl, um zu zeigen, dass er nicht nur darauf spezialisiert, sondern breit aufgestellt ist. Und das gelang dem 55-Jährigen sehr gut. Zunächst hatte man, als Schumann über seinen persönlichen Werdegang sprach, zu befürchten, er würde seinem Hang zum Plaudern - Kritiker würden es wohl Schwafeln nennen - nachgeben. Doch auf die Fragen aus dem Publikum reagierte er souverän und hochgradig informiert. Schumann präsentierte inhaltsreich seine Vorstellungen zur Haushaltssanierung, zum Theater („Ich hätte es lieber weiter in der Innenstadt, werde mich aber damit arrangieren“), zu Jugendarbeit („Wir brauchen Streetworker“) und zum Umgang mit dem Gemeinderat, dem er als OB nicht einfach nur fertige Vorschläge präsentieren, sondern Varianten vorschlagen würde, um die Räte zu fordern und einzubinden.

Mit alteingesessenen Ratsmitgliedern zusammengerasselt

Es war also ein überzeugender Auftritt Schumanns, doch wer genau zuhörte, wurde womöglich stutzig. Locker weg erzählte der unabhängige Kandidat, dass es in der Vereinten Bürgerliste, die er mitgegründet hat und deren vierköpfige Fraktion er im Gemeinderat anführt, zuletzt Streit und große Differenzen gegeben habe. Das sei völlig normal in solch jungen Vereinigungen. Geschenkt. Auch, dass er aufgrund des polarisierenden Wahlkampfes vor zwei Jahren stark mit alteingesessenen Ratsmitgliedern zusammengerasselt ist, gab Schumann unumwunden zu. Ebenso, dass Freundschaften zu Kontrahent Armin Müller und zu Theater-Intendant Stefan Neugebauer aufgrund unterschiedlicher Ansichten auseinandergegangen sind oder zumindest gelitten hätten, gab der 55-Jährige preis. Eine Offenheit, die ihn ehrt, doch die Häufigkeit solcher Differenzen verwundert.

Wobei, eigentlich nicht, wenn man sich anhört, was Schumann über den derzeitigen Wahlkampf sagt. Diesen lege er mit Absicht „heftig“ und „polarisierend“ an, „aber nach den zwei Wochen muss man wieder zu einem respektvollen Umgang zurückfinden“, sagte er am Donnerstagabend im „Turbinenhaus“. Das ist viel verlangt: sich hart in der Sache streiten und danach schnell wieder zum sachlichen Miteinander finden. Das erfordert enorm viel Professionalität. Zu viel? Denn wie oft erlebt man es, dass Arbeitskollegen, Nachbarn oder Ehepartner nach heftigen Streits eben nicht mal mir nichts dir nichts zu einer verständigen oder zumindest professionellen Ebene wiederfinden.

Wie würde er mit den Mitarbeitern im Rathaus umgehen?

Interessant wäre es deshalb, wie Schumann, falls gewählt, mit den Mitarbeitern im Rathaus umgehen würde. Man könnte aus seinem dynamischen Auftreten heraus annehmen, dass er viel erwarten, eine stärkere Leistungsbereitschaft mit klaren Ansprachen und Zielen fordern würde. Doch in diesem Punkt gibt sich Schumann zurückhaltender, sensibler. Er würde zunächst durch die Gänge und Büros gehen, die Gespräche suchen, Vertrauen aufbauen und sich bei Kritik vor seine Verwaltung stellen. Und er wolle die Mitarbeiter stärker in Entscheidungen einbinden. In seiner beruflichen Laufbahn habe er sehr gute Fortbildungen zur Mitarbeiterführung erlebt. „Ich glaube, das kann ich richtig gut“, ist sich Henrik Schumann sicher.

Wer sich vor der Stichwahl am 25. April noch einmal ein eigenes Bild über ihn machen will: Allein am morgigen Sonntag sowie Montag stellt er sich Interessierten drei Mal in Naumburg, Bad Kösen sowie Prießnitz. Armin Müller hingegen wird am heutigen Sonnabend von 9 bis 13 Uhr in Roßbach, Klein- und Großjena sowie am morgigen Sonntag von 10 bis 12 Uhr in Prießnitz sowie von 16 bis 18 Uhr in Flemmingen für alle Bürgerfragen offen sein, zudem am Montag in Naumburg, zunächst am Flemminger Weg und später in der Siedlung. (Harald Boltze)

Wer sich in die detaillierten Vorstellungen der beiden Stichwahl-Kandidaten einlesen möchte, wird online unter muellerfuernaumburg.de sowie henrik-schumann.de fündig.