Gedenken Gedenken: Dauerausstellung bei früherem Stützpunkt

BurkersrodA - Seine Briefe kamen zu ihm zurück. Jahre nachdem sie verfasst worden waren, in Ordnern akribisch von der Mutter abgeheftet. „Diese Dokumente sind nicht zu ersetzen. Mach doch ein Buch draus, riet mir ein Freund“, erzählt Wilfried Schober. Der heute 64-Jährige war in den Jahren 1969 und 1970 Soldat an der innerdeutschen Grenze in Thüringen. Im Projekte-Verlag hat er nun, dem Rat seines guten Freundes folgend, seine Erinnerungen publiziert.
Die einst an die Eltern, Mutter Melitta und Vater Berthold, geschriebenen Briefe mit seinen Gedanken und Erlebnissen bilden die Grundlage des Buches. „Die Erinnerungen kamen wieder hoch, als ich mit dem Schreiben begann. Mehrere Vorfälle haben mich ungeheuer beschäftigt“, schildert er.
Aufgewachsen ist Schober in Burkersroda. Nach Abschluss der zehnten Klasse folgt die Lehre zum Werkzeugmacher. Dann erhält er die Einberufung, um den Wehrdienst in der Volksarmee der DDR zu leisten. „14 Tage vorher wusste ich noch nicht, dass es an die Grenze gehen soll. Ich hatte keine andere Wahl“, berichtet er weiter.
Rettung aus dem Bunker
Ab dem Mai 1969 dient er in Thüringen, in der Rosenhof-Kaserne in Mühlhausen erfolgt die Ausbildung zum Grenzsoldaten. Schließlich wird er abkommandiert ins Eichsfeld. Die folgenden Briefe schreibt Schober als Grenzposten der 3. Grenzkompanie Großtöpfer. Es sollte eine nervenaufreibende und anstrengenden Zeit für ihn werden. In einem Schreiben heißt es: „Unser Zug kennt nur acht und 20 Stunden Dienst und höchstens mal sechs Stunden Ruhe und danach wieder Dienst. Dazwischen hat man in der Woche noch zwei- bis dreimal Wache, wo man 24 Stunden hintereinander für die Sicherheit des Objektes verantwortlich ist. (...) Wir bezeichnen die Aufgabe auch als ,Lattenfuchs’, da wir vor dem Lattenzaun unseres Objektes auf und ab gehen.“ Der Winter 1969/1970 zeigt sich streng. Während eines Einsatzes im Februar 1970 schneit Schober in einem Bunker mit dem Postenführer ein, weil beide eingeschlafen waren. Die Luft wird knapp. Doch der Schäferhund des Mitsoldaten spürt die Gefahr und weckt sein Herrchen. Zu den weiteren besonderen Ereignissen zählen die Fahnenflucht und der Grenzdurchbruch eines NVA-Soldaten sowie der Alarm, den ein russischer Soldat, mit Maschinenpistole und mehreren Munitions-Magazinen bewaffnet, nach der Flucht aus seiner Einheit auslöst. Doch auch der Alltag des Wehrdienstleistenden findet Eingang in das Buch. Schober erzählt vom Tagesablauf und Freunden, die er in der Truppe kennengelernt hat. Von den Eltern wird er regelmäßig mit „nahrhaften“ Paketen versorgt.
Mit historischen Aufnahmen
So entsteht ein detailreiches Stimmungsbild, das Einblicke in die damalige Zeit und speziell die Geschehnisse an der innerdeutschen Grenze gibt - gerade durch die persönliche Sicht des Autors als „einfacher“ Grenzsoldat und vor allem durch die zahlreichen Erinnerungen, die dank der erhaltenen Briefe die Zeit bis in die Gegenwart überstanden haben. Historische Fotografien, die in den Jahren aufgenommen worden sind und für die Schober sicherlich bestraft worden wäre, begleiten die Texte. Das Fotografieren von Grenzanlagen war damals strengstens verboten.
Wilfried Schober hat in der Vergangenheit mehrfach die einstige innerdeutsche Grenze und die jetzigen Gedenkstätten besucht. Mit einigen Mitsoldaten pflegt er weiterhin Kontakt. Vor vier Jahren reifte der Entschluss, die Briefe in einem Buch zu bündeln. Vor allem in den Wintermonaten arbeitete er an seinem Werk. Auf der Leipziger Buchmesse im Frühjahr kam er schließlich in Kontakt mit dem Projekte-Verlag. Nach einem Gespräch und der Lektüre durch den Verlagschef fand der Band Eingang in das Verlagsprogramm.
Wilfried Schober lebt heute in der Nähe von Eisenberg. Nach seinem Wehrdienst absolvierte er ein Ingenieurstudium für Wissenschaftlichen Gerätebau und war anschließend unter anderem im Kreisbetrieb für Landtechnik in Fränkenau tätig. Ein Fernstudium an der Universität Leipzig im Fach Maschinenbau folgte. In jenen Jahren schrieb Schober Artikel für technische Fachzeitschriften. Heute ist er im Vertrieb beschäftigt.
Mit Blick auf seinen anderthalbjährigen Wehrdienst als „Grenzläufer“ an der innerdeutschen Grenze ist er über etwas besonders froh: „Gott sei Dank musste ich nie meine Schusswaffe gebrauchen.“
