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Neue Ausstellung von Jochen Ehmke Neue Ausstellung von Jochen Ehmke in Merseburg: Warum seine Fotos verboten und gefeiert wurden

Von Undine Freyberg 05.11.2016, 15:00
Jochen Ehmke mit einem Porträt aus der Reihe „Meinesgleichen“, die er 2011 fotografiert hat.
Jochen Ehmke mit einem Porträt aus der Reihe „Meinesgleichen“, die er 2011 fotografiert hat. Peter Wölk

Merseburg - 99,5 Prozent aller seiner Fotos sind schwarz-weiß. „Nur ganz skurrile Sachen fotografiere ich in Farbe“, sagt Jochen Ehmke. In dieser Woche hat er genullt und stellt nun anlässlich seines 80. Geburtstages in der Merseburger Willi-Sitte-Galerie aus.

30 Jahre lang hat der gebürtige Chemnitzer in der Domstadt gewohnt und hier von 1966 bis 1996 auch seine Spuren hinterlassen. Gleich 1966 gründete er gemeinsam mit Kurt Güttel den Merseburger Fotoclub, der in diesem Jahr sein 50-jähriges Bestehen feiert.

Wie viele andere Fotografen hielt auch Ehmke zu DDR-Zeiten Straßenszenen mit seiner Kamera fest. „Ich war kein Revolutionär, aber ich legte den Finger immer auf das Schlimme.“ Was ihm ein Ausstellungsverbot einbrachte.

Ausstellung von Jochen Ehmke: Berliner Filmteam war begeistert

1982 zeigte er nämlich gemeinsam mit Harald Hirsch im Kulturhistorischen Museum die Schau „Merseburg mit unseren Augen“. Die blieb so lange relativ unbeachtet bis ein Filmteam aus Berlin, das einen Film über Merseburg drehte, die Ausstellung entdeckte, beeindruckt war und bei der Kreisleitung der SED davon erzählte. „Hochinteressant“ nannten die Berliner die Schau. „Darauf hat der 1. Sekretär, Gustav Waschkowitz, der Stalin von Merseburg, mehrere Leute hingeschickt, um sich das anzusehen. Als die ihm sagten, dass das gar nicht gehe, was wir zeigten, kam Waschkowitz selbst und sagte: Das ist eine Provokation und hier ist Schluss.“

Der Grund: Die Fotos störten den guten Eindruck vom Sozialismus, der vermittelt werden sollte - die Gotthardstraße mit Ruinen, das Pferdefuhrwerk, dass dort 50 Zentner Kohle auskippte, oder auch das Bild mit dem Betriebsleiter der Alufolie in der mit Orden dekorierten Bergmannsausgehuniform (die Firma gehörte zum Mansfeld-Kombinat) wie er einer Mitarbeiterin in Dederonschürze zum Frauentag gratuliert.

Als die Ausstellung geschlossen wurde, beantragte Ehmke die Mitgliedschaft im Künstlerverband und wurde Freiberufler.

Leidenschaft der Projetkfotografie besteht bis heute

In der Folge war er unter anderem ein Jahr lang mit der Kamera in der Braunkohle unterwegs und fotografierte zum Beispiel die „Baggermadonna“. Ein Jahr lang begleitete er eine Hausärztin - beim Dienst in der Merseburger Poliklinik oder auch bei einer nächtlichen Fahrt zu einem Herzinfarkt in Wölkau.

Vor 20 Jahren zog Ehmke nach Halle - seiner Leidenschaft der Projektfotografie blieb er treu. Er fotografierte „Halle, deine Jugend“ - das ganze Spektrum vom obdachlosen jungen Mann bis zum Banker. „Ich nahm Kontakt zu einer Gothik-Truppe auf und fragte, ob ich sie fotografieren dürfte. Diese Porträts sind in der aktuellen Schau zu sehen.“ Auch Bilder aus der Fotoreihe „Meinesgleichen“. Dafür hatte Ehmke Menschen gesucht, die wie er Jahrgang 1936 sind. „Eigentlich hatten mir auch Menschen wie Wolf Biermann oder Kardinal Lehmann vorgeschwebt, aber das wäre zu schwierig geworden.“ Also suchte er zusätzlich zu den gleichaltrigen Menschen, die er kannte, weitere per Zeitungsaufruf. Und da haben sich einige gemeldet.

Einige Fotos werden zum ersten Mal in Merseburg gezeigt

Zum ersten Mal wird Jochen Ehmke in Merseburg auch Fotos aus der halleschen Punkerkneipe Gig (Ganz im Gegenteil) zeigen, die er Weihnachten 2000 gemacht hatte. „Das war nicht leicht. Die fingen ja meist erst 22 Uhr an - da gehe ich eigentlich ins Bett. Und dann haben die geraucht, dass mir die Augen brannten. Aber die Leute waren toll und die Fotos sind super geworden.“

Ein Ausschnitt eines der großformatigen Gig-Fotos ziert auch das Plakat zur Schau „Komplizenbilder - Gothik, Gig und alte Freunde“, in der auch Uwe Jacobshagen, Norbert Kaltwaßer, Peter Kersten, Ingo Gottlieb und Ehmkes Frau Maria Nühlen ausstellen.

Musik wird es zur Ausstellungseröffnung übrigens nicht geben. Ehmke schmunzelnd: „Musik bitte nur zu meiner Beerdigung.“

6. November, 11 Uhr, Vernissage zur Ausstellung in der Sitte-Galerie (mz)