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Merseburg Merseburg: Pestnonne erhält eine Schwester

Von Dirk Skrzypczak 19.10.2012, 17:43

Merseburg/MZ. - Vielleicht war es das schiere Gewicht, das mögliche Kunsträuber zur Aufgabe zwang. Rund eine Tonne wiegt die Grabplatte von Magdalena Tammendorf. Das Bildnis einer Bürgersfrau in Trauer hatte ein unbekannter Künstler 1585 in Sandstein gehauen. Zuletzt zierte die Plastik die Mauer des Stadtfriedhofs. Mitglieder des Altstadtvereins hatten Meißelspuren am Rand der Platte entdeckt. Sollte die Arbeit ebenso gestohlen werden wie sechs barocke Buntsandsteinfiguren? Altstadtverein und evangelisches Kirchspiel handelten und brachten das Kunstwerk in Sicherheit. Jetzt soll es bei einem Restaurator in Thüringen konserviert werden.

Bekannt geworden ist die Darstellung als "Pestnonne". Dabei zeigt das Bildnis keineswegs eine Frau aus einem christlichen Orden. Magdalena Tammendorf - Gattin des Merseburger Stadtrichters Casper - war auch nicht an der Pest gestorben, ist Historiker Peter Ramm überzeugt. "Die Seuche hatte 1581 in der Stadt gewütet, also vier Jahre vor ihrem Tod", erzählt er. Gleichwohl war im Pestjahr der Stadtfriedhof angelegt worden. Später fand auch die Tochter eines halleschen Ratsherrn hier ihre letzte Ruhe. Wo genau, ist ein Geheimnis.

Restaurator Siegfried Letsch aus Mellingen wird sich in den nächsten Monaten um die "Pestnonne" kümmern. "Wir werden die Platte reinigen sowie kleinere Schäden ausbessern", sagt er. Wie bei den Skulpturen von Tod und Totengräber soll auch von dem mächtigen Grabstein ein Abguss hergestellt werden. Das Duplikat kommt auf den Stadtfriedhof, das wertvolle Original ins Museum. Ende des Jahres will Letsch mit seiner Arbeit fertig sein.

Der Altstadtverein hat indes die Hoffnung nicht verloren, dass der Kunstraub von Merseburg doch noch aufgeklärt werden kann und die sechs gestohlenen Figuren wieder auftauchen. "Da waren Profis am Werk, die möglicherweise im Auftrag gehandelt haben. Ich glaube, dass die Skulpturen nicht zerstört worden sind", sagt Peter Ramm. Die Polizei hat keine Hinweise auf die Täter. Die Fahndung brachte bislang keine Erkenntnisse auf den Verbleib der Figuren.