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„Wir brauchen viel Import“ In Leuna diskutieren Politik, Wirt- und Wissenschaft über Perspektiven des grünen Wasserstoffs in Mitteldeutschland

Die sind gut, aber es gibt Einschränkungen.

Von Robert Briest 06.11.2021, 12:00
Bisher ist beim Thema Wasserstoff vieles noch Idee, so wie hier bei der Vorstellung des Elektrolyseurs bei Bad Lauchstädt Ende September.
Bisher ist beim Thema Wasserstoff vieles noch Idee, so wie hier bei der Vorstellung des Elektrolyseurs bei Bad Lauchstädt Ende September. Foto: Robert Briest

Leuna/MZ - Der Saalekreis ist derzeit Vorreiterregion in puncto Wasserstoff. Gleich zwei wegweisende Projekte entstehen hier parallel. Am Chemiestandort Leuna baut die Linde AG den bisher größten privatwirtschaftlich eingesetzten Elektrolyseur für die Erzeugung von grünem, also mithilfe erneuerbarer Energie produzierten, Wasserstoff. In Bad Lauchstädt entsteht eine noch etwas leistungsfähigere Pilotanlage mit der die Speichermöglichkeit des Gases und damit von umgewandelter Windenergie erprobt werden sollen – eines der großen ungelösten Probleme der Energiewende.

Große Chance für das Gelingen des Kohlestrukturwandels

Angesichts dieser Rahmenbedingungen war es nicht überraschend, dass das cCe in Leuna in dieser Woche gleich zwei Großveranstaltungen zum Thema Wasserstoff erlebte. Das Hypos-Konsortium, dem etwa der Gaskonzern VNG angehört, welches die Pilotanlage bei Bad Lauchstädt errichtet, traf sich zu seinem siebten Kongress. Die Metropolregion Mitteldeutschland, die vom Saalekreis bis nach Chemnitz reicht, hielt dort zuvor ihren ersten Wasserstoffkongress ab.

Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) nannte zu diesem Anlass die Entwicklung Mitteldeutschlands zur Modellregion für den grünen Wasserstoff als große Chance für das Gelingen des Kohlestrukturwandels. Ein Punkt, in dem ihm die Referenten des Kongresses wohl zustimmen würden. Allerdings gibt es Bedingungen und Einschränkungen. Die vielleicht Wichtigste: Die mitteldeutsche Metropolregion wird künftig wohl nicht ansatzweise in der Lage sein, den riesigen Bedarf an grünem Wasserstoff selbst zu produzieren, selbst bei massivem Ausbau der erneuerbaren Energien, also etwa von Windrädern.

Ein Markt muss her

Christopher Kutz, der im Auftrag der Metropolregion an einer Studie zu „Grünen Gasen“ arbeitet und in Leuna Zwischenergebnisse präsentierte, schätzte den Bedarf ab 2040 auf über 40 Terrawattstunden. Die Nachfrage käme dann aus allen Energiesektoren, also etwa der Industrie, fürs Heizen oder die Mobilität. Er schätzte, dass die Wasserstoffwirtschaft in der Metropolregion das Potenzial habe, langfristig für gut 15.000 neue Arbeitsplätze zu sorgen.

Michael Sterner, Professor für Energiespeicher an der TH Regensburg, machte allerdings eine Kernvoraussetzung deutlich. Zunächst müsse die Markteinführung des grünen Wasserstoffs gelingen. Der ist derzeit vor allem durch hohe Stromkosten deutlich teurer als konventionell aus Erdgas gewonnener grauer Wasserstoff. Einen Hebel sieht Sterner, darin, dass sich durch die steigende CO2-Steuer die Kosten für die fossilen Quellen erhöhen, zugleich die EEG-Umlage sinkt, also Strom günstiger wird. Zudem müssten regionale Märkte geschaffen werden. So wie sie letztlich im Saalekreis rund um die Chemie entstehen sollen.

„Grundsätzlich ist die Gasinfrastruktur da“

Eine weitere Bedingung für den Erfolg von Wasserstoff als wichtiger Energieträger der Energiewende ist zudem die Infrastruktur. Gert Müller-Syring, Geschäftsführer der DBI Gas- und Umwelttechnik GmbH, stellte Zwischenergebnisse einer Studie für ein Wasserstoffnetz in der Metropolregion vor. 330 Kilometer Pipeline würden demnach benötigt. Ein Ring um Leipzig und Endpunkte in der Chemieregion Saalekreis, in den Großstädten Halle, Leipzig, Chemnitz und in Zeitz.

Die Stadt sehe sich als möglicher Power-to-Liquid-Standort, also für Kraftstoffproduktion mithilfe von erneuerbaren Energien, erklärte Müller-Syring. Er betonte, dass nicht ein komplettes Netz neu gebaut werden müsse. „Grundsätzlich ist die Gasinfrastruktur da.“ Wo möglich, sollten bestehende Leitungen für Wasserstoff umgenutzt werden. Denn dies sei günstiger und bedeute weniger Eingriffe in die Landschaft.

Import aus Osteuropa

Neben dem regionalen Netz bedarf es nach Einschätzung des Fachmanns aber auch der Anbindung an das überregionale Netz, denn: „Die Elektrolyseure werden nur einen kleinen Anteil des Bedarfs decken können. Wir brauchen viel Import.“ Woher der kommen könnte, sei ein heißes Thema, sagte Müller-Syring. Er sieht etwa Energiepartnerschaften Richtung Ukraine und Russland als Möglichkeit. Dorthin bestehe bereits ein Pipelinenetz und in der Ukraine, Kasachstan und Russland gäbe es große Flächen, die für die Produktion von grünem Wasserstoff geeignet wären. „Auch Afrika wäre eine Option.“