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Tierischer Helfer Hochschule Merseburg: Wie ein fast Blinder in Merseburg mit Hund studiert

Von Michael Bertram 03.06.2017, 12:00
Tino Apelt ist Student an der Hochschule und sehbehindert. Um sich orientieren zu können, hilft ihm Blindenhund Ben.
Tino Apelt ist Student an der Hochschule und sehbehindert. Um sich orientieren zu können, hilft ihm Blindenhund Ben. Peter Wölk

Merseburg - Die Bibliothek der Hochschule Merseburg kennt Ben bereits aus dem Effeff. Zielstrebig läuft er am Ausleiheschalter vorbei in den hinteren Bereich, wo ihn ein Aufzug in den Keller bringt. Vorbei an den randvollen Bücherregalen steuert er seinen festen Arbeitsplatz an und legt sich erschöpft quer auf den Boden.

Für verwunderte Blicke unter den anderen Studenten sorgt dieses Verhalten jedoch nicht: Ist Ben doch nicht etwa eingeschriebener Student an der Hochschule, sondern nur der wichtigste Assistent von Tino Apelt. Ohne Blindenhund Ben wäre für den Müchelner jedoch ein Studium an der Hochschule kaum denkbar.

Sehbehinderter studiert in Merseburg mit Hilfe seines Blindenhundes Ben

Seit vier Semestern studiert der 36-Jährige in Merseburg Angewandte Medien- und Kulturwissenschaften. Vor dem Masterstudiengang machte Apelt, der nur noch über zwei Prozent Sehkraft verfügt und deshalb lediglich Schemen seiner Umgebung erkennen kann, einen Bachelor in Sozialer Arbeit. Überhaupt wirkt der Student zielstrebig: Nach seinem Abitur, absolvierte er eine Ausbildung zum Fachinformatiker und wurde auch übernommen.

Nach einer kurzen Arbeitslosigkeit nahm er eine Weiterbildung beim Berufsförderungswerk für Blinde und Sehbehinderte in Halle in Angriff, wo er zu einem Studium ermutigt wurde. „Ich absolvierte ein Praktikum an der Merseburger Hochschule, das den letzten Anstoß gab“, erzählt Apelt vom Weg, der ihn in den Hörsaal führte.

An der Hochschule erhält der sehbehinderte Student viel Unterstützung

An der Hochschule erhält der sehbehinderte Student reichlich Unterstützung. „Gleich in der ersten Vorlesung fragte der Professor nach einer studentischen Hilfskraft, die mir zur Seite steht und mich unterstützt“, erinnert sich Apelt. Neben ihm saß eine junge Kommilitonin, die prompt Interesse zeigt und ihm für ein kleines Entgelt Mitschriften anfertigte oder bei der Organisation des Studiums half.

Damit er lernen und Arbeiten anfertigen kann, wurde in der Bibliothek auch ein eigener Arbeitsplatz für Apelt eingerichtet. Mit einer Braille-Zeile, die sich an den Computer anstöpseln lässt, kann er Bücher lesen, die zuvor von einem speziell Scanner in Signale umgewandelt werden. „Das ist schon nicht selbstverständlich, dass so viel Aufwand betrieben wird“, meint Apelt. Zudem hat er im Falle von Prüfungen mehr Zeit als sehende Studenten. Schriftliche Prüfungen kann er zudem mündlich absolvieren, wenn er möchte.

Sehbehinderter studiert in Merseburg: Blindenschrift vor den Seminarräumen wäre wünschenswert

Wie viele Studenten mit Behinderungen auf dem Campus unterwegs sind, dazu machte die Hochschule auf MZ-Anfrage keine Angaben. Wie Apelt würden aber sicher auch sie sich einige Nachbesserungen wünschen. „Es wäre gut, wenn alle Fahrstühle auch für Blinde umgerüstet werden“, sagt er. Er meint nicht nur Installationen in Blindenschrift oder Ansagen zu den Etagen. Auch lassen sich nicht mit jedem Aufzug alle Bereiche anfahren, was zusätzliche Laufwege beschert.

Auch Blindenschrift vor den Seminarräumen wäre wünschenswert. „Vielleicht wäre auch ein erfühlbares Modell der Hochschule sinnvoll, um Neulingen einen Eindruck von der Lage der Häuser zu verschaffen“, sagt Apelt. Inzwischen hat sich auch Labrador Ben wieder aufgerappelt. „Vorlesungen und Seminare sind auch für ihn anstrengend“, sagt sein Herrchen. „Und in den Pausen muss ich auch eine Gassi-Runde einplanen.“ (mz)