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Familiendrama wird am Landgericht Dessau verhandelt Sohn bedroht in Köthen die eigene Mutter, sticht auf Schwägerin ein und drängt alle auf den Balkon

Von Thomas Steinberg 22.11.2021, 11:34
Das Landgericht in Dessau.
Das Landgericht in Dessau. Foto: Thomas Ruttke

Dessau-Rosslau/Köthen MZ - Sie hatte Angst vor ihrem Sohn, er hatte sich sehr verändert. Alleine wollte sie nicht mit ihm sprechen und hatte deshalb zur Unterstützung Schwägerin und Schwager mitgenommen. Zu einem Gespräch kam es nicht. Stattdessen griff er die drei an. Das war im Mai.

Ein halbes Jahr später sagt die Frau vor dem Landgericht Dessau gegen ihren Sohn aus. Der Köthener ist des versuchten Totschlags, der gefährlichen Körperverletzung und der Freiheitsberaubung angeklagt. Ob er dieser Vorwürfe wegen verurteilt werden kann, wird sich zeigen müssen. Das er nämlich voll verantwortlich für sein Handeln war, ist durchaus fraglich. Momentan jedenfalls ist der Mittdreißiger in der Psychiatrie untergebracht und für den Prozess wurde eine psychiatrische Gutachterin bestellt.

In der Wohnung hatte die Mutter ihren Sohn auf dem Bett liegend angetroffen. Sie fragte, ob sie einen Pullover aus dem Schrank nehmen dürfe. Er sagte nein. Sie verließ das Zimmer und sagte Schwager und Schwägerin, in diesem Zustand könne man nicht mit ihm sprechen.

„Er hatte wahnsinnige Augen und in der Hand ein Messer“

Pläne, was nun geschehen solle, konnten sie nicht fassen. Denn der Sohn stand urplötzlich im Raum. „Er hatte wahnsinnige Augen und in der Hand ein Messer.“ Damit verletzt er die Schwägerin am Hals, unabsichtlich, das bezweifelt die Mutter eher. Dann drängt er die drei auf den Balkon, verschließt die Tür, sagt, sie müssten nun runterspringen und wirft die Handtaschen der beiden Frauen aus einem Fenster. „Warum?“ fragt die Mutter und hebt die Schultern. Mit einem Schal gelingt es, die Blutung am Hals notdürftig zu stoppen. Es dauert lange, bis die drei von der Feuerwehr gefahrlos gerettet werden können. Die Schwägerin überlebt.

Der Angeklagte wurde in Russland geboren, kam mit der Familie 2001 als Jugendlicher nach Deutschland und hier wohl zunächst gut klar. Doch nach der Schule fasste er nicht richtig Tritt, hatte mal Jobs, mal war er arbeitslos und zog sich, so schildert es die Mutter, nach einer Kündigung völlig zurück. Spielte am Computer oder stand stundenlang an einer Parkbank. Zu Hause half er weiterhin, nur im Garten wollte er nichts mehr machen.

2019 bedrohte er zum ersten Mal seine Mutter mit einer Axt in der Hand. Es kam zu keinen Gewalttätigkeiten, freiwillig stellte sich der Sohn der Polizei und die ließ ihn auf eigenen Wunsch in die Psychiatrie bringen. Ein Arzt erklärte in einem Telefonat der Mutter, er wisse überhaupt nicht, was ihr Sohn in der Psychiatrie solle. Als die Gutachterin das hört, wirkt sie überrascht. Nach einigen Tagen entließ sich der Sohn selbst aus der Klinik.

Ob sie heute noch unter den Folgen der Tat leide, will die Richterin von der Zeugin wissen. „Nein“, sagt sie, „mein Sohn wurde abgeholt. Wovor sollte ich noch Angst haben?“

Der Prozess wird Freitag fortgesetzt.