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Bomber auf Acker Robert Patrick Caseys B-17 stürzte 1944 bei Gnetsch ab - Am 20.Juni feierte er in Texas 98. Geburtstag.

Von Marcus Michel Aktualisiert: 22.06.2021, 11:54
Robert Casey in seinem 98. Lebensjahr in Texas
Robert Casey in seinem 98. Lebensjahr in Texas Repro: Michel

Gnetsch - Robert Casey sitzt in seinem Zimmer in einer betreuten Wohnanlage in Fort Worth (Texas) und freut sich nach Corona-bedingter Abstinenz auf den langersehnten Besuch seiner Familie. Der frühere Pilot der US-Luftwaffe feiert seinen 98. Geburtstag. Er dürfte einer der letzten Zeitzeugen der Absturzserie von US-Bombern um Köthen im Herbst 1944 sein.

Mehrere Bomberverbände der 8. US-Luftwaffe starteten am Morgen des 2. November 1944 vom englischen Fliegerhorst Bassingbourn einen Angriffsflug auf die Chemiewerke Merseburg, um durch die Bombardierung der dortigen synthetischen Kraftstoffproduktion den Nachschub für die Wehrmacht zu stören. Dieses Vorhaben endete in einem Desaster für die US-Luftwaffe. Das Angriffsziel wurde verfehlt und die Verbände gerieten in einen erbitterten Abwehrkampf mit der deutschen Luftwaffe. Allein in der weiteren Umgebung von Köthen wurden neun US-Bomber von deutschen Jagdfliegern vom Himmel geholt (die MZ berichtete im letzten Jahr über das Ereignis).

Beim Absturz der „Man O War II“ kamen fünf Crew-Mitglieder ums Leben

Der damals 21-jährige Robert Patrick Casey wollte eigentlich Jagdflieger bei der Navy werden, wurde aber als Co-Pilot in einem B-17 Bomber eingesetzt. Leutnant Caseys Flugzeug wurde nach eigenen Aussagen auf dem Rückflug von seiner 14. Mission schwer am Heck getroffen. An seinen eiligen Absprung aus der „Man O War II“, die am östlichen Ortsrand von Gnetsch abstürzte, wobei fünf Crewmitglieder ums Leben kamen und am Folgetag auf dem Gnetscher Friedhof beerdigt wurden, kann er sich jedoch nur noch bruchstückhaft erinnern: Daran, den Fallschirm bereits weit über der Wolkendecke ausgelöst zu haben, da er sich nicht sicher war, ob es nicht auch eine geschlossene Schneedecke am Boden sein könnte. Oder an die Verhaftung auf einem Acker durch deutsche Luftwaffensoldaten, gemeinsam mit seinem Navigator Theodore Pomeroy Herrick, der ein Neffe des späteren US-Außenministers John Foster Dulles war.

Robert Caseys Flugzeug „Man O War II“ im Herbst 1944 an der Absturzstelle bei Gnetsch
Robert Caseys Flugzeug „Man O War II“ im Herbst 1944 an der Absturzstelle bei Gnetsch
(Repro: Marcus Michel)

Aus Furcht von Bauern gelyncht zu werden, trug Casey einen Revolver in einem Holster unter seiner Fliegerjacke. Auf die Frage des deutschen Luftwaffensoldaten nach Waffen, reagierte Casey jedoch geistesgegenwärtig und deutete mit seinen erhobenen Händen nur auf seine linke Schulter, so dass er keinen Anlass gab, beim Herausnehmen der Waffe erschossen zu werden.

Casey landete wie alle an diesem Tag gefangenen Crewmitglieder zunächst zur Befragung im Köthener Ratskeller und schließlich als Offizier im Kriegsgefangenenlager Stalag Luft 3 im jetzt polnischen Zagan. Anfang 1945 wurde er in das Lager Moosburg in Bayern verlegt, wo ihn amerikanische Truppen im April 1945 befreiten. Nach Kriegsende verwirklichte Casey seinen eigentlichen Traum und wurde Jagdflieger in einem Kampfjet.

Funkstille nicht eingehalten - Luftabwehr bemerkte amerikanische Bomber

Mitursächlich für die damaligen Abwehrerfolge der deutschen Jagdverbände soll laut früheren Aussagen des am Angriff beteiligten Bomber-Piloten Earl Morrow die Nichteinhaltung der Funkstille zwischen den amerikanischen Bombern gewesen sein. Offenbar verunsichert durch die erschwerte Navigation wegen der geschlossenen Wolkendecke versuchte man sich über Funk abzustimmen, wodurch die deutsche Luftabwehr bestens informiert wurde.

Robert Casey als Leutnant der US-Luftwaffe 1944
Robert Casey als Leutnant der US-Luftwaffe 1944
(Repro: Michel)

Morrows Bomber wurde über Eisleben getroffen und stürzte bei Volkstedt ab. Namentlich dokumentiert ist ein Abschuss durch den zeitweise auch auf dem Fliegerhorst in Köthen stationierten Luftwaffenoffizier und Kampfpiloten Oskar Bösch, der um 12.47 Uhr des Tages mit seiner Focke-Wulf Fw190 „nördlich von Halle“ einen B-17 Bomber vom Himmel holte. Der begeisterte und erfolgreiche Jagdflieger Bösch ging nach dem Krieg nach Kanada, um seine fliegerische Leidenschaft weiterverfolgen zu können, da bis 1955 von den Alliierten ein generelles Flugverbot in Deutschland für deutsche Piloten und Gesellschaften durchgesetzt wurde.

Bronzetafel in Dorfkirche Gnetsch erinnert an den Zwischenfall

Mit Unterstützung des Landkreises Anhalt-Bitterfeld wird der Ortschaftsrat Weißandt-Gölzau und der Verein Kulturregion Anhalt & Bitterfeld am Volkstrauertag diesen Jahres eine Bronzetafel in der Kirche Gnetsch enthüllen, die an den Absturz der B-17 bei Gnetsch erinnert und auf der auch „Robert Casey“ stehen wird. Gemeinsam mit einer Gedenktafel, auf der die Namen von 32 Gnetscher Vätern und Söhnen stehen, die während des Krieges an der Front ihr Leben lassen mussten, soll das gemeinsame Gedenken mit amerikanischen Gästen an die lokalen Opfer des Zweiten Weltkrieges ein gelebter Beitrag zur internationalen Aussöhnung und Völkerverständigung werden.

Meldezettel der Fliegerhorstkommandatur Köthen 1944
Meldezettel der Fliegerhorstkommandatur Köthen 1944
(Repro: Michel)