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Künstlerischer Abschied Wie die Syrerin in ihren letzten Tagen in Halle ihre erste Ausstellung eröffnet

Von Phillip Kampert 24.09.2021, 16:30
 Jian Hasan blickt aus verschiedenen Perspektiven auf die Menschen und erzählt mit ihren Bildern Geschichten.
Jian Hasan blickt aus verschiedenen Perspektiven auf die Menschen und erzählt mit ihren Bildern Geschichten. Foto: Silvio Kison

Halle (Saale)/MZ - Abwechselnd stehen Männer und Frauen im Reigen, ihre Trachten in prächtigen Farben. „Sie feiern Nauruz, das kurdische Neujahrsfest“, erklärt Jian Hasan bei der Eröffnung ihrer Ausstellung „Spiegelbild meiner Emotionen auf dem Pinsel“ am Mittwoch. Das gute Dutzend Bilder, das in der Kunstwerkstatt Grüne Villa hängt, deckt dabei ein breites Spektrum an Emotionen ab.

Syrerin startet nächsten Schritt ihrer akademischen Karriere

Vor zwei Jahren ist Hasan aus Syrien nach Deutschland gekommen. Aus den Bildern mit kurdischen Dorfmotiven - dem Fest, dem Feld, dem Esel, der alten Arbeiterin - spricht ein gewisses Heimweh, aber auch der Wunsch, die Traditionen sichtbar zu machen, „damit sich die Leute hier ein Bild machen können“, sagt sie. Ob sie sich selbst ein Leben auf dem Dorf wünscht? „Nein“, lacht sie, „das ist zu hart für mich. Ich kenne das von meiner Oma und auch von meiner Mutter, aber für mich wäre das nichts.“

Anstatt auf dem Feld zu ackern, möchte Hassan im Labor arbeiten. Nachdem ihr Bachelor-Studium aus Syrien in Deutschland anerkannt wurde und sie die sprachlichen Qualifikationen erlangt hat, startet im Wintersemester nun der nächste Schritt ihrer akademischen Karriere, ein Masterstudium der Humanbiologie in Greifswald. „Ich bin noch auf der Wohnungssuche. Halle und die Plätze an der Saale werde ich sehr vermissen“, sagt sie.

Syrerin fand zum Malen aufgrund der Corona-Pandemie

Während sie im Studium mit einem wissenschaftlichen Blick auf den Menschen blickt, erforscht sie in der Malerei seelische Zustände. Das eindrucksvollste Bild der Ausstellung zeigt eine Gruppe, die durch eine nächtliche Landschaft ohne Merkmale zieht. Ihr Gepäck, ihre Kinder, selbst ihre Körperteile werden dabei zu Stein. Es ist eine Fluchtszene. Bei dieser Darstellung habe sie auf kulturelle Merkmale, wie etwa Trachten, verzichtet, sagt Hasan: „Auszuwandern ist eine universelle Erfahrung geworden. Das betrifft nicht nur Kurden, sondern immer mehr Menschen.“

Seit einem Jahr malt die 27-Jährige. Die vierwöchige Ausstellung in der Grünen Villa, wo sie ehrenamtlich Jugendarbeit betreibt, ist ihre erste. „Als Corona kam, war mir sehr langweilig“, sagt sie, „da habe ich mit dem Malen begonnen.“ In Video-Anrufen habe sie eine befreundete Künstlerin, die noch in Syrien lebt, ermutigt und angeleitet. Man merkt Hasans Bildern an, dass sich die junge Künstlerin noch ausprobiert.

Wenn ich male, fühle ich mich, als wäre ich nicht in der Welt“

Von der Dorffestszene mit fröhlichen Bergen im Hintergrund bis hin zu einem fantastischen Fisch-Hirsch-Mischwesen sind viele Stile vertreten. Auch wenn viele Bilder auf handwerklicher Ebene noch etwas ungeschliffen wirken, gelingt es Hasan doch, ihnen eine emotionale Ausdrucksstärke zu verleihen:

Ein schizophrener Mann sinkt aufgrund der inneren Zerrissenheit in sich zusammen, eine Frau spaltet sich im Traum in verschieden fühlende Teile ihrer selbst - bei diesen Szenen, die ins Innere schauen, bemerkt man die psychologische Einsicht der Künstlerin. Alle Menschen seien verletzlich, ob sie es zugeben wollen oder nicht, sagt Hasan - auch sie selbst. Ihre künstlerische Arbeit sei auch eine Methode, damit umzugehen: „Wenn ich male, fühle ich mich, als wäre ich nicht in der Welt.“