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Wasserspringen Wasserspringen: Neue Höhenflüge

Von Petra Szag 23.05.2014, 20:23
Die 15-jährige Felicitas Richter ist sowohl vom Turm als auch vom Brett nationale Spitze. Jetzt darf sie zur Nachwuchs-EM.
Die 15-jährige Felicitas Richter ist sowohl vom Turm als auch vom Brett nationale Spitze. Jetzt darf sie zur Nachwuchs-EM. Archiv/Schulz Lizenz

Halle (Saale)/MZ - Die Landung im Wasser ist eine Idee zu weit weg vom Brett. „Die Flugkurve“, ruft Trainer Norman Becker vom Beckenrand aus und zeigt eine korrigierende Handbewegung. Ansonsten gibt es bei an der Technik von Felicitas Richter nichts zu kritisieren. Noch sechs, sieben Mal zeigt die Wasserspringerin an diesem Freitagvormittag den Doppelsalto rückwärts, den sie ausnahmsweise mit den Füßen zuerst eintaucht.

Trockentraining auf der Akrobatik-Bahn

Nach einem so harten Wettkampf wie den deutschen Jugendmeisterschaften letzte Woche in Dresden ist das nicht ungewöhnlich. Um an der Technik zu feilen, wird die Zahl der Umdrehungen reduziert. Insgesamt 42 Sprünge macht die Wasserspringerin noch, bevor sie in der Umkleidekabine verschwindet. Immerhin folgt noch das Trockentraining auf der Akrobatik-Bahn. Zwei Trainingseinheiten am Tag sind nicht ungewöhnlich.

Felicitas Richter betreibt Wasserspringen als Hochleistungssport. Und weil sie inzwischen bundesweit eine der Besten ihres Fachs ist, hat sie sich nun für die Nachwuchs-Europameisterschaften im nächsten Monat im italienischen Bergamo qualifiziert.

Ein großer Erfolg für sie persönlich. Aber in Zeiten, in denen Sport immer politischer wird, hat ihre Qualifikation eine Dimension von weit größerer Tragweite. Es ist ein Erfolg, der dem ganzen Stützpunkt in Halle zugute kommt - und hinter dem liegen keine einfachen Zeiten.

Seit dem Karriereende der olympiaerprobten Andreas Wels und Katja Dieckow fehlt dem SV Halle ein Athlet mit internationaler Strahlkraft. Deshalb geriet zuletzt sogar der Status einer Schwerpunktsportart in Gefahr. Denn das von Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) auf den Weg gebrachte Sportfördergesetz schreibt vor, dass der Status eines Stützpunkts - mit den daran gebundenen Fördermitteln inklusive Traineranstellungen - abhängig davon ist, dass er „im Spitzen- oder Nachwuchsleistungssport dreimal im Olympia-Zyklus durch mindestens eine Sportlerin oder einen Sportler beim jährlichen internationalen Wettkampfhöhepunkt vertreten ist“.

Vier Medaillen bei deutschen Meisterschaften

Letzten Sommer war Felicitas Richter schon einmal eine solche Qualifikation gelungen. Musste man die erste EM-Teilnahme noch als positive Überraschung werten, so war sie diesmal - nicht nur von ihr - erhofft worden. Vier Medaillen holte sie bei den deutschen Meisterschaften, zweimal Gold sowie je einmal Silber und Bronze. Also folgten gleich zwei Nominierungen für die internationale Bühne. Felicitas Richter qualifizierte sich für die Wettkämpfe vom Turm und Brett.

Zwei Drittel der politischen Vorgabe ist also geschafft. Und auch für das noch fehlende Drittel 2015 sind sie im Stützpunkt zuversichtlich. Denn neben Felicitas Richter gibt es mit Diana Yaakoob, Isabell Utmann, Nico Herzog und Carlo Strauß weitere talentierte Springer. Und auch bei den Jüngeren sind bereits wieder einige Hoffnungsträger dabei.

Die positive Entwicklung in seinem Stützpunkt schreibt Chefcoach Horst Wels auch einem erhöhten Trainingsumfang zu. Die Sportschule erlaubt seinen jungen Sportlern inzwischen sogenannte Schulstreckungen, also eine Verlängerung der Schulzeit, damit mehr Zeit für das Training bleibt. „Was das betrifft, sind wir nun mit der nationalen Konkurrenz auf Augenhöhe“, sagt Wels.

Hohe Trainingsumfänge gehören dazu

Auch Felicitas Richter profitiert von dieser Regelung. Hohe Trainingsumfänge gehören auf dem Weg zu internationalen Meriten dazu. Und gerade bei Felicitas Richter war nicht unbedingt abzusehen, dass sie diesen Weg schaffen würde. Anfangs hatte sie gehörigen Respekt vor den Anforderungen im Training. „Sie ist sehr sensibel und war damals auch nicht so leicht zu führen“, berichtet Trainer Attila Kantor. Über mehrere Monate setzte Felicitas Richter sogar ganz aus, um sich in der Leichtathletik zu versuchen. „Doch das kam ans Wasserspringen nicht heran, also bin ich in der vierten Klasse zurück“, erzählt sie.

Nun ist also die Vorbereitung für die EM angesagt. Und die ist durchaus speziell. Die Wettkämpfe werden unter freiem Himmel ausgetragen, in der Halle kann Felicitas Richter solche Bedingungen nicht testen. „Ich weiß gar nicht, was da alles auf mich zukommt. Das alles ist ganz spannend“, sagt sie. „Keine Ahnung, wie es sich bei Wind springt.“ Ob gleißendes Sonnenlicht sie behindern wird. Und was passiert , wenn es regnet? Felicitas Richter zuckt mit den Schultern.

Eine Woche vor der EM wird sie in Kroatien den Ernstfall proben und vielleicht vorher noch drei, vier Tage in Frankfurt (Main), wo es eine wettkampftaugliche Open-Air-Sprunganlage gibt. Und sollte all das Wirkung zeigen, dann könnte sie sich sogar das Ticket für die Junioren-WM im September in Pensa sichern. Ein Erfolg, der nicht nur für sie wichtig wäre.