Wassereinbruch im Archiv Wassereinbruch im Archiv: Tausende Akten der Staatsanwaltschaft im Trockner

HALLE/MZ - Jahrhunderte alte Schätze der Marienbibliothek in Halle vom Holzwurm befreien oder Bücher aus der Weimarer Anna-Amalia-Bibliothek, die nach dem Feuer vor Löschwasser trieften, einfrieren und trocknen - das ist das normale Geschäft einer Leipziger Buchrestaurierungsfirma. In den vergangenen Monaten aber wurden dort Berge von Gerichtsakten getrocknet: Akten aus dem Archiv der Staatsanwaltschaft.
So etwa passiere eben offenbar immer an einem Wochenende, sagt Oberstaatsanwalt Andreas Schieweck. Tatsächlich: Das Leck eines Fünf-Euro Schlauches in der Kantine des Justizzentrums hat zwischen Freitag und Montag insgesamt 28 Tonnen Strafakten im Archiv-Keller der Staatsanwaltschaft völlig durchnässt. Rasch begannen die Akten zu schimmeln - und mussten gefriergetrocknet werden. Ein enormer Schaden: Die Behandlung der Akten habe 350 000 Euro gekostet, sagt Oswald Prokopp, der Verwaltungsleiter der Staatsanwaltschaft Halle.
„Es sah hier unten aus wie in einer Tropfsteinhöhle. Wochenlang liefen große Industrie-Entfeuchter, die auch am Wochenende gelehrt werden mussten“, sagt Gudrun Strebe. Sie leitet das Archiv, in dessen Regalen mehr als 2,6 Kilometer Akten lagern - 200 Tonnen Papier insgesamt. Nach und nach kehren die Akten nun aus den Trocknern zurück.
Im Archiv einer Staatsanwaltschaft darf nichts schimmeln. Denn auch nach dem endgültigen Abschluss eines Verfahrens muss die Behörde sämtliche Akten aufbewahren, um etwa bei Wiederaufnahmen oder im Zusammenhang mit neuen Verfahren zur Verfügung zu stehen.
Da kommt einiges zusammen: Jedes Jahr landen rund 50 000 Verfahren auf den Tischen der Staats- und Amtsanwälte in Halle. Und jeder Vorgang produziert Papier: bei der Polizei, bei der Staatsanwaltschaft, bei den Gerichten. Sehr vieles davon landet am Ende im Keller, in den Rollregalen und Kisten von Gudrun Strebe und ihrer Kollegen. Die Papierflut kann nur eingedämmt werden, in dem gleichzeitig auch aussortiert wird: Jedes Jahr werden auch rund 25 000 Akten vernichtet. Dafür gibt es genaue Fristen: Nach fünf Jahren etwa werden viele Vergehen aus dem Archiv aktenmäßig getilgt, nach 20 Jahren erst beispielsweise Fälle von Brandstiftung, nach 30 Jahren Urteile zu Kapitalverbrechen. Außer Mord, der bleibt für immer archiviert. Seit Jahren wird über eine Digitalisierung der Gerichtsakten geredet, doch bis etwa auf die Ausnahme umfangreicher Wirtschafts-Verfahren gibt es die „Elektronische Akte“ und deren Archivierung nicht. So bleibt man auch durch Wasserschäden wie in Halle gefährdet.
Laufende Ermittlungsverfahren waren vom Wassereinbruch aber kaum betroffen, sagt Staatsanwalt Schieweck. Schließlich handelte es sich ja um die Akten abgeschlossener Verfahren. Doch immerhin, einige aktuelle Ermittlungsverfahren mussten dennoch ruhen.