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„Das war überwältigend“ Warum CDU-Mann vom Wahlsieg im Neustädter Wahlkreis überrascht ist

Der Sieg von Christian Albrecht im Neustädter Wahlkreis zählt zu den großen Überraschungen der Landtagswahl. Er selbst hat nicht damit gerechnet.

15.06.2021, 13:00
Christian Albrecht in  seinem halleschen Anwaltsbüro: Er weiß noch nicht, wie viel Zeit ihm künftig für die Arbeit als Rechtsanwalt bleibt.
Christian Albrecht in seinem halleschen Anwaltsbüro: Er weiß noch nicht, wie viel Zeit ihm künftig für die Arbeit als Rechtsanwalt bleibt. Foto: Silvio Kison

Halle (Saale) - Christian Albrecht holte bei den Landtagswahlen im Wahlkreis 35 in Halle, der Neustadt, Dölau und Nietleben einschließt, das Direktmandat vor Alexander Raue von der AfD. Dieser hatte dort bei der Landtagswahl 2016 die meisten Erststimmen gewonnen. Als weithin unbekannter Kandidat lag der 38-jährige Albrecht damit auch vor bekannten Vertretern anderer Parteien wie Hendrik Lange (Die Linke), Melanie Ranft (Die Grünen) oder Johannes Menke (Freie Wähler). Mit MZ-Reporter Denny Kleindienst sprach der Wahlsieger über den Überraschungsmoment am Wahlabend, den ersten Besuch im Plenarsaal des Landtags und seine neue Rolle als Berufspolitiker.

Herr Albrecht, Sie sagten im Vorfeld, die Wahrscheinlichkeit, in Ihrem Wahlkreis zu gewinnen, wäre wie ein Lottogewinn. Was dachten Sie, als Sie das Ergebnis sahen?

Christian Albrecht: Bei der ersten Hochrechnung ging es noch nicht um einzelne Wahlkreise, nur um das Gesamtergebnis der CDU. Da waren wir alle schon sehr überrascht. Als ich später meinen Wahlkreis gesehen habe, war Herr Raue zuerst vorn. Irgendwann wurden mehr Stadtteile des Wahlkreises ausgezählt, da war ich dann vorn. Meine Einschätzung war die ganze Zeit, wenn Halle-Neustadt fertig ausgezählt ist, wo Herr Raue zuletzt wahnsinnig viele Stimmen geholt hat, wird er meinen Vorsprung locker überholen. Denn Neustadt hat eine andere Wähler-Struktur als die Randgebiete dieses Wahlkreises. Ich musste dann weg von der Wahlparty, als noch nicht einmal die Hälfte ausgezählt war.

Weil meine Freundin zur Nachtschicht ist, musste ich mich um die Kinder kümmern. Irgendwann abends bekam ich den Anruf: ,Du hast gewonnen.’ Ich habe das in dem Moment nicht richtig glauben können. Es war eigentlich für alle klar: Halle-Neustadt ist eine AfD-Hochburg. Ich habe mich gefreut, dass wir es geschafft haben, in diesem Wahlkreis den Sieg zu holen, wo, glaube ich, seit 20 Jahren kein CDU-Mann gewonnen hat. Das war schon überwältigend. Ich habe ein paar Tage gebraucht, bis ich verinnerlicht habe, die CDU hat das geschafft. Das lag ja jetzt nicht an mir, eher an der Partei.

Wie hat ihre Familie auf Ihr Ergebnis reagiert?

Meine Freundin war aufgeregter als ich an dem Wahltag. Ich habe zwar vorher schon die Erwartungshaltung gedämpft. Habe gesagt: Das ist ein wahnsinnig schwerer Wahlkreis. Es ging darum, Gesicht zu zeigen und als Direktkandidat noch Stimmen für die Partei zu ziehen. Meine Familie hat sich natürlich gefreut, wusste aber auch nicht, was jetzt auf uns zukommt.

Sie waren als Kandidat kurzfristig eingesprungen für Andreas Schachtschneider, der seine Kandidatur zurückgezogen hatte. Hat er sich nach der Wahl bei ihnen gemeldet?

Nein. Mit ihm hatte ich noch nie Kontakt. Ich kenne ihn gar nicht.

Die CDU-Landtagsfraktion kam inzwischen schon zusammen. Unter anderem wurde der bisherige Fraktionschef im Amt bestätigt. Wie war der Start für Sie?

Eigentlich ganz entspannt. Uns wurde der Landtag gezeigt. Im Landtag war ich vorher noch nicht. Wir saßen im Plenarsaal. Es war eine neue Erfahrung.

Präferieren Sie schon eine bestimme Koalition?

Ehrlich gesagt nicht. Da kenne ich auch die Protagonisten zu schlecht. Es gibt drei Parteien, die überhaupt in Betracht kommen. Ich bilde mir im Moment noch keine wirkliche Meinung. Da bin ich offen.

Wie geht es jetzt weiter für Sie?

Es muss ein Übergang gefunden werden, ohne dass man jemanden im Stich lässt. Ich habe die Tätigkeit hier in der Kanzlei. Sachen, die angefangen sind, werde ich noch fertig machen. Das gehört sich einfach. Wie man weiter Zeit dafür findet, muss sich zeigen. Am Krankenhaus in Dölau werde ich es genauso halten. Da muss man gucken, wie man weiter zusammenarbeiten kann. Klar ist, dass der Schwerpunkt jetzt in der Arbeit als Abgeordneter liegen wird. Das hat Priorität. Aber ich breche jetzt nicht alles ab. Es ist glaube ich nicht schlecht, in der anderen Welt drinnen zu bleiben und mitzubekommen, was die Probleme sind. Das geht am besten, wenn man noch was macht.

Haben Sie schon vergegenwärtigt, dass sie nun Berufspolitiker werden?

Das kommt erst so an. Das ist ein neuer Job, das ist natürlich mit Aufregung verbunden und mit Vorfreude. Das ist etwas völlig Neues und Interessantes, was nicht jeder erlebt.

Wann dachten Sie das letzte Mal: Das müsste die Politik anders machen?

Als in der Corona-Pandemie das Gesundheitssystem am Straucheln war. Die ganzen Maßnahmen waren ja notwendig, um das System nicht zu überlasten. Das war jetzt eine Ausnahmesituation. Trotzdem finde ich, man sollte gut vorsorgen und gewappnet sein, wenn so etwas nochmal kommt oder wieder aufflammt. Damit es keine Engpässe gibt, weil keine Masken und keine Ausstattung da sind. Damit Schutzausrüstung in Krankenhäusern nicht rationiert wird und man keine Angst haben muss, dass das Personal nicht reicht.

Wenn es um die Produktion von lebensnotwendigen Sachen geht, die man im Ernstfall braucht, kann man nicht sagen: Das bestellen wir dann mal irgendwo in der Welt und hoffen, dass es ankommt und wenn es ankommt, sehen wir, dass es doch nicht die richtige Qualität hat, dann bestellen wir es nochmal.

Gibt es außer der Gesundheitspolitik weitere Themenfelder, denen Sie sich widmen wollen?

Ich finde Vereine ganz wichtig, weil da ein Großteil der Bevölkerung organisiert ist. Ich weiß selbst, wie viele Vereine ausgeblutet sind, weil in Corona-Zeiten keine Aktivität mehr möglich war. Da treten Leute aus, neue Mitglieder treten aber nicht ein. Da gehen Vereine irgendwann zugrunde. Denen muss man unter die Arme greifen. Es geht mir dabei nicht nur um den Sport, sondern generell um gemeinnützige Vereine, die Aufgaben der Bildung und des gesellschaftlichen Zusammenseins organisieren.

Was können die Leute in Neustadt, Dölau, Nietleben von Ihnen als direktem Vertreter im Landtag erwarten?

Ich muss zugeben: Ich arbeite nur in dem Wahlkreis. Ich bin auch mal in der Heide. Ich habe dort aber wenig persönliche Kontakte. Ich werde demnächst auf Vereine, auf Organisationen, auf Menschen zugehen und erst einmal zuhören. Herausrausfinden, was man überhaupt machen kann. Es gibt schon einige, die einen Termin haben wollen. Da ist Interesse da. Die Wahlkreisarbeit sehe ich als großen Part der Abgeordnetenarbeit. Ich weiß, dass Herr Schachtschneider viel gemacht hat in Halle-Neustadt. Von mir aus kann es da gern einen Austausch geben. Ich habe da keine Vorbehalte. Mein erster Anlaufpunkt ist aber der CDU-Ortsverband. Perspektivisch wird es auch ein Wahlkreisbüro geben. (mz)