Rassistische Proteste Rassistische Proteste: Hass auf der Silberhöhe entlädt sich

Halle (Saale) - Zwei eher kleine Demonstrationen haben am Sonnabend die Lage im halleschen Stadtteil Silberhöhe aufgeheizt. Vor dem Hintergrund ausländerfeindlicher und teilweise rassistischer Proteste in den vergangenen Wochen gegen zugezogene Roma-Familien hatten sich rund 85 hallesche Antifa-Aktivisten zu einer Demonstration versammelt. Das drastische Motto „Schnauze in der Platte - gegen fremdenfeindliche Spießbürger“ sollte wohl vor allem provozieren.
Und das tat es auch. Anwohner organisierten eine Gegendemonstration unter dem Motto „Wir wohnen hier. Wo wohnt ihr?“ Daran nahmen gut 100 Menschen teil, erschienen waren auch einige Rechtsextreme.
„Roma-raus“-Rufe - Polizei ermittelt
Eine Polizei-Hundertschaft musste beide Demonstrationen voneinander trennen. Dabei kam es, wohl auch wegen des deeskalierenden Auftretens der Beamten, nur zu wenigen Zwischenfällen: Am Ende standen rund zwei Dutzend Platzverweise, einzelne Anzeigen wegen Beleidigung und Körperverletzung - sowie erneute Ermittlungen wegen Volksverhetzung, weil es auch „Roma-raus“-Rufe gegeben hatte.
Immer wieder fielen auch andere drastische Äußerungen, die Stimmung bei Anwohnern gegenüber Polizei und Medienvertretern war aggressiv. „Roma-Pack, Viehzeug, das Letzte“ - die europaweit grassierenden Vorurteile gegen die Minderheit scheinen auch in Halle teilweise auf fruchtbaren Boden zu fallen. Einige Anwohner meinen, Müllprobleme und Lärmbelästigung hätten durch den Zuzug der wenigen Familien zugenommen, was Behörden und Wohnungsunternehmen zurückweisen.
„Die Probleme sind alle nicht neu, und sie haben nichts mit der Personengruppe zu tun, der sie jetzt zugeschoben werden“, sagte der Stadtvorsitzende der Linken Swen Knöchel. Er und Vertreter seiner Partei waren die einzigen Politiker, die am Sonnabend das Geschehen beobachteten, sich aber keiner Demonstration anschlossen. Der Antifa-Aufruf war zuvor auch von den Grünen zurückgewiesen worden, weil er die Bewohner der Silberhöhe pauschal verurteile. Birke Bull, Landesvorsitzende der Linken, meinte am Sonnabend vor Ort: „Das hier ist Hass gegen Hass.“ Sie forderte eine aktivere Stadtteilpolitik ein, ohne jedoch schnelle Lösungen parat zu haben.
Die sozialen Probleme auf der Silberhöhe sind gewaltig. Die Arbeitslosenquote lag im März mit gut 19 Prozent doppelt so hoch wie im halleschen Schnitt. Der Anteil von Kindern in Hartz-IV-Bedarfsgemeinschaften liegt bei 69,2 Prozent, sogar mehr als doppelt so hoch wie in Gesamt-Halle (33,3).
Wiegand distanziert sich
Halles Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) distanzierte sich gestern „von allen extremen Positionen“. Ziel der Stadt sei die Verständigung zwischen bisherigen und neuen Bewohnern der Silberhöhe. Hierzu wurde vor kurzem eine Rumänisch-Dolmetscherin engagiert. Langfristig will Wiegand auch im Bildungsbereich neue Wege gehen. „Wir müssen wegkommen vom Reagieren und die Prävention verstärken. Der Prozess ist eingeleitet, aber noch lange nicht abgeschlossen“, so Wiegand. (mz)
