Kandidat aus Torgau Kandidat aus Torgau: Der Hoffnungsträger für die Pferderennbahn in Halle

Torgau/Halle (Saale) - Der Mann hat wenig Zeit. Am ehesten erwischt man Matthias Tandler im Stall bei seinen Pferden. Gerade schaut der Chef nach, was der Hufschmied macht: Pferde beschlagen, klar, aber das ist dann doch schon ein aufregender Auggenblick, denn die Eineinhalbjährigen sind dran - und für acht von denen geht es nächste Woche nach Baden-Baden zur Auktion.
Es ist die Weichenstellung schlechthin: Für Tandlers Gestüt mit der Frage nach dem Verkaufspreis und damit dem wirtschaftlichen Erfolg der letzten Monate - und für das jeweilige Jungpferd mit der Frage, ob es womöglich ein neuer Champion auf der Rennbahn werden kann: auf einer Rennbahn wie der in Halle.
Pferderennbahn in Halle braucht bald einen neuen Chef
Doch ausgerechnet diese Bahn braucht bald einen neuen Chef, genauer gesagt der Rennclub Halle (Saale), der sie betreibt, wählt neu: Und versucht einen Neuanfang nach langer Zwangspause und umfangreicher Sanierung. Nach dem Saalehochwasser 2013 wird die Bahn auf den Passendorfer Wiesen derzeit für rund 11 Millionen Euro wieder fit gemacht. Und als Termin für den ersten Renntag war zuletzt Karfreitag 2019 im Gespräch.
Doch bis dahin wird die Personalie an der Spitze des Rennclubs geklärt sein. Vereins-Vize Andreas Neugeboren, bekannt als Fernsehmoderator des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR), hofft, dass schon im September gewählt wird - und hofft, dass die Wahl auf Matthias Tandler aus Torgau fällt. Dazu besteht Anlass, denn Matthias Tandler sei der einzige Kandidat. Neugeboren erklärt, was aus seiner Sicht für diesen Kandidaten spricht: Es müsse jemand sein, „der für das Kulturgut Rennbahn Verantwortung übernimmt“. Und der diesen Sport versteht.
Diplom-Agraringenieur und Betriebswirt leitet mit seinem „Gestüt Graditz“ quasi das Nachwuchsinternat des Pferderennsports
Davon kann man mit Blick auf Tandler ausgehen, schließlich gehen viele der späteren Rennpferde durch seine Hände. Der Diplom-Agraringenieur und Betriebswirt leitet mit seinem „Gestüt Graditz“ quasi das Nachwuchsinternat des Pferderennsports, sprich die Zucht und Aufzucht englischer Vollblüter. Derzeit 50 Stuten und die beiden Deckhengste Arrigo und Lucky Lion sorgen - betreut von aktuell zehn Mitarbeitern - für den vierbeinigen Nachwuchs mittels einer in der Tierzucht leider selten gewordenen, uralten Zuchttechnik namens „Natursprung“.
Dessen Ergebnisse, die Fohlen und Jährlinge, wachsen dann unter fast schon paradiesischen Unständen auf - in einem Gestüt, das kein Geringerer als der Sachsen-König August, der Starke in der jetzt noch zu bewundernden, prachtvollen Weise zu gestalten befahl - wiederum keinem Geringeren als dem „Landbaumeister“ und Dresdener Barockmeister, Matthäus Daniel Pöppelmann.
Prachtvolle Anlage „Gestüt Graditz“ hat eine wechselvolle Geschichte erlebt
Die prachtvolle Anlage hat danach eine wechselvolle Geschichte erlebt, zu der auch ein Moment der Weltgeschichte gehörte, als nämlich Russen und Amerikaner hier im Schloss feierten, nachdem am 25. April 1945 auf der Elbe-Brücke in Torgau der historische Handschlag der Alliierten stattgefunden hatte, nach den siegreichen, finalen Offensiven gegen Hitlers Wehrmacht.
Doch für das Gestüt hatte dies auch die bittere Folge, dass der Restbestand an Pferden bereits kurz danach verschwunden war, erzählt Tandler. So sei ein Neubeginn nötig gewesen - und ein weiterer dann nach 1990, als die Sächsische Gestütsverwaltung die Anlage aufwändig sanieren und restaurieren ließ.
Seit vier Jahren ist Tandler mit seinem Gestüt ein Pächter in Graditz
Seit nunmehr vier Jahren ist Tandler mit seinem Gestüt ein Pächter in Graditz, nutzt eine der langen Stallanlagen und die 80 Hektar Weideland für seine jungen Pferde, von denen acht nun aber Abschied nehmen müssen. Matthias Tandler dagegen bleibt, wenn er Rennclub-Chef in Halle werden sollte, auch im Torgauer Gestüt. Club-Vorstand ist nämlich ein Ehrenamt, und weil Tandler in Delitzsch wohnt, seien es passable Entfernungen in beide Richtungen.
Mit der Rennbahn in Halle sehen Tandler und Neugeboren die Möglichkeit, den Rennsport in Mitteldeutschland nach vielen Krisenjahren auf allen Bahnen wieder nach vorn zu bringen. Dafür sehen sie gute Chancen - auch weil in Halle Renntage mit bis zu 7.000 Besuchern möglich seien. Und weil die Rennbahn nun richtig schön zu werden verspreche - egal ob noch 2018 oder erst im nächsten Frühjahr. (mz)

