70. Geburtstag Jochen Ehmke aus Halle: Es begann mit dem Rollfilm

Halle (Saale) - Über das Fotografieren, sagt Jochen Ehmke, habe er alles Wichtige in seinem Leben gefunden: einen geschärften Blick, Begegnungen mit Menschen, Freunde und - natürlich das Schönste - die Liebe. Denn Maria Nühlen, Dekanin an der Hochschule Merseburg, war es, die 1993 den Fotografie-Lehrauftrag für Ehmke unterschrieb. Seitdem sind die beiden ein Paar.
Sie hat auch den kreativen, erzählfreudigen Fotografen überredet, einen Teil seiner Bilder in einem Buch herauszubringen. Damit hat sich Jochen Ehmke quasi selbst ein Geschenk gemacht - am 2. November feiert der "Foto-Veteran" seinen 70. Geburtstag. Und sieben Jahrzehnte gelebtes Leben erlauben durchaus einen Blick zurück.
"Ostwind - Waschwind" heißt der Band mit Fotografien von 1969 bis 2002 - samt einem Essay der Philosophie-Professorin Nühlen über Fotografie allgemein und im besonderen in der DDR, die Ehmke über Jahrzehnte mit geprägt hat. Der Titel entstammt Ehmkes 1980 in Buna entstandenem Werk, in dem der gebürtige Chemnitzer die von der chemischen Industrie betroffene hiesige Region über Jahre mit der Kamera festgehalten hat. Maschinen und Menschen hat der gelernte Schlosser und Dreher, der später ein Studium der technischen Fotografie "drauflegte", fotografiert. Sein ironischstes Bild: "Kreypau 1985". Ein Dutzend Frauen in Kittelschürzen vor einer Baracke, an der das verwitterte Schild "LPG-Legehennenhaltung" prangt.
Doch nicht nur solcherart Motive, amüsant oder erschütternd, aber stets mehr als ein dokumentarischer Blick auf die damalige Wirklichkeit, prägen das Werk Ehmkes. "Mich beschäftigt die Geschichte der Fotografie", so Ehmke, der dafür ein ungewöhnliches Sujet gewählt hat: Schaufensterpuppen - als zeit- wie kulturgeschichtliches Phänomen. Einen versierten Blick zurück verraten auch seine Fotos nach Edward Hopper. So wie der amerikanische Maler (1882 bis 1967) Menschen im Raum in ihrer Isolation und Entfremdung darstellt, konstruiert Ehmke seine Fotos, die wie bei Hopper in Cafés ihre Motive finden.
Angefangen hat Ehmke mit einer Rollfilmkamera, heute darf es auch digital sein, und vor dem Rechner schreckt der freiberufliche Fotograf auch nicht zurück. "Ich bin kein Dunkelkammerfan", gesteht er, der zu den Fotografen gehört, die "nichts am Bild machen" - kein Ausschnitt, keine Retusche, keine Korrektur. Damit sind seine Bilder sehr authentisch - so seine Porträts aus der halleschen Jugendszene oder auch Schnappschüsse von einer Israelreise im Frühjahr. Dass die Arbeit Jochen Ehmkes auch international Anerkennung gefunden hat, beweist unter anderem die Beteiligung an einem Edinburgher Festival zu Ostzeiten. Der dort errungene erste Preis lag bei Ehmke im Briefkasten - "ihn selber abholen war ja damals nicht möglich".
Seit acht Jahren nun lebt Ehmke in Halle, und erst kürzlich feierte der von ihm in seinem vorherigen Wohnort Merseburg aus der Taufe gehobene Fotoclub sein 40-Jähriges - ebenso wie die Personalausstellung "70 Jahre und kein bisschen leiser" im neuen theater - ein schöner Grund, ein wenig stolz auf die vergangenen 70 Jahre zu sein.
Foto-Ausstellung Jochen Ehmke im nt bis 10. November