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Der Esel, der auf Rosen geht Bürgerpreis verliehen: Das sind die Sieger aus Halle und dem Saalekreis!

Im Neuen Theater Halle sind Ehrenamtliche mit dem Bürgerpreis ausgezeichnet worden. Bei den Entscheidungen der Jury gab es auch Überraschendes.

Von Silvia Zöller Aktualisiert: 03.07.2022, 08:27
So sieht die Skulptur aus, die die Sieger des  Bürgerpreises " Der Esel der auf Rosen geht" erhalten.
So sieht die Skulptur aus, die die Sieger des Bürgerpreises " Der Esel der auf Rosen geht" erhalten. Foto: Dirk Skrzypczak

Halle (Saale) - Seit Freitagabend stehen sie fest, die Gewinner des diesjährigen Bürgerpreises „Der Esel, der auf Rosen geht“. Im Neuen Theater wurden der Polizist Thomas Weber, die 16-jährige Marlene Lang und David Strübing vom „Vierjahreszeiten-Bus“ ausgezeichnet, außerdem die „Offene Jugendarbeit Teicha“ - ein Projekt, das in Sachsen-Anhalt einzigartig ist . Den Preis der Initiatoren erhielt Silke Renk-Lange, Olympiasiegerin und Präsidentin des Landessportbundes und frühere Olympiasigerin, für ihr Engagement für den Sport in Halle und in Sachsen-Anhalt. Hier lesen Sie die Porträts der Sieger und Siegerinnen:

In Teicha lebt ein ungenutzter Jugendclub wieder auf

Die offene Jugendarbeit Teicha ist mit dem Bürgerpreis ausgezeichnet
Die offene Jugendarbeit Teicha ist mit dem Bürgerpreis ausgezeichnet
Foto: Silvia Zöller

Tote Hose auf dem Land? Von wegen, in Teicha (Gemeinde Petersberg) packen Jugendliche mit an, verschönern den Ort, haben ein Survival-Camp gemacht und wollen künftig den Jugendclub in Eigenregie organisieren. „Einen selbstverwaltetes Jugendzentrum gibt es in ganz Sachsen-Anhalt nicht“, sagt Steffen Schulze, ehrenamtlicher und parteiloser Ortsbürgermeister von Teicha. Er ist einer von vier Koordinatoren der „Offenen Jugendbeteiligung Teicha“. Für die knapp 30 Jugendlichen aus Teicha und den benachbarten Orten, die sich für das Projekt zusammengeschlossen haben, ist der 43-jährige Schulze einfach „der Steffen“.

Die Jury hat einstimmig befunden: die „Offene Jugendbeteiligung Teicha“ ist ein beispielhaftes Projekt auch für andere Kommunen und hat den Bürgerpreis „Der Esel, der auf Rosen geht“ verdient. Wie kam es zu der Idee? Steffen Schulze, der vor zwei Jahren neu in das Amt des Ortsbürgermeisters gewählt wurde, hatte in Gesprächen mit den Bürgern festgestellt, dass es in Teicha Angebote für Kinder, Familien und Senioren gibt, aber jahrelang Jugendliche vergessen worden sind. „Das war die Initialzündung“, sagt er.

„Bei uns in der Ortschaft leben 88 Heranwachsende zwischen elf und 18 Jahren“, hat er festgestellt. In dieser Altersgruppe habe es auch Berührungsängste zwischen den Generationen gegeben, einiges wurde auch mutwillig zerstört. „Ein Jugendpfleger fehlt schon seit einigen Jahren. Gerade in der Coronazeit mit Lockdown wurden die Versäumnisse in Sachen Kinder- und Jugendarbeit vor Ort noch einmal besonders deutlich. Die jungen Menschen haben Bedürfnisse, die wir nicht ignorieren wollten.“

Musikfestival und Fußballcamp in Teicha geplant

Schulze organisierte im Juni 2021 einen Kennenlerntag und daraus entwickelten sich schon die ersten Projekte. „Die Aufräumaktion im Ort hat am meisten Spaß gemacht“, sagt der 15-jährige Leo. Dabei sammelten die Jugendlichen nicht nur Müll ein, sondern beseitigten auf Graffiti. Sie legten ein bienenfreundliches Lavendelbeet im Ortskern an, räumten den verwaisten Jugendclub auf und organisierten unter anderem auch einen Kreativnachmittag.

Für dieses Jahr steht nun für zwei der Jugendlichen eine Jugendleiter-Ausbildung an - denn nur so können die komplett unter 18-Jährigen die Schlüsselgewalt über den Jugendclub erhalten. Denn diejenigen Teichaer, die vor gut zwölf Jahren den Jugendclub in einem ausrangierten Container des Bauhofs eingerichtet haben, sind nun Ende Zwanzig und somit aus dem Club herausgewachsen. Es sei nicht schwer gewesen, für die Ausbildung zwei Jugendlichen als Freiwillige zu finden, berichtet die 16-jährige Mia. „Wir kannten uns zwar alle von der Grundschule, aber erst seit gut einem Jahr treffen wir uns regelmäßig“, ergänzt sie.

Schon jetzt freuen sich die Teichaer Jugendlichen auf ein Musikfestival und Fußballcamp, das es zum Abschluss der Sommerferien am 24. August geben soll - zum ersten Mal. Schulze und drei weitere Unterstützer im Ort haben so ehrenamtlich Schwung in die Gemeinde gebracht. Aber: „Es wäre wichtig, dass die Gemeinde Petersberg ab 2023 einen Jugendpfleger einstellt, denn die Ehrenamtlichen brauchen professionelle Unterstützung“, sagt der Bürgermeister und verweist gleichzeitig auf die finanziell enge Lage.

XXL-Konvoi fährt kurz nach Kriegsbeginn an die polnisch-ukrainische Grenze

Eselpreisträger Thomas Weber stellte einen Hilfsgütertransport mit zwölf Transportern zusammen.
Eselpreisträger Thomas Weber stellte einen Hilfsgütertransport mit zwölf Transportern zusammen.
Foto: Silvio Kison

Für Thomas Weber gilt nicht nur in seinem Beruf als Polizist, Freund und Helfer zu sein. Auch in seiner Freizeit engagiert sich der Familienvater und begeisterte Triathlet im Sportverein seiner Söhne, dem SV Halle, indem er beispielsweise die Wasserballer mit seinem VW-Bus zu Auswärtsspielen fährt. „Nach dem Kriegsausbruch in der Ukraine am 20. Februar habe ich im Fernsehen erschreckende Bilder von den Flüchtlingslagern gesehen“, sagt er. Nach wie vor sei entsetzt, dass ein souveräner Staat überfallen worden ist.

Deswegen war für den 44-Jährigen klar gewesen, die Hilfsaktion der ukrainischstämmigen Familie Pobidinski zu unterstützen, von der er per WhatsApp erfahren hatte: Mit den Inhabern der Lettiner Musikschule ist er in Kontakt, weil sein Sohn dort Schüler ist. Kurzerhand bot er nicht nur seine Scheune als Lager für die Hilfsgüter an, die tonnenweise von Konserven über Getränke, Verbandskästen und Medikamenten gebracht wurden - sondern aktivierte auch sechs Polizei-Kollegen sowie Firmen und organisierte zwölf Transporter, die am 5. März mit rund sechs Tonnen Hilfsgütern an die polnisch-ukrainische Grenze fuhren. „Wir haben alles akribisch vorbereitet, alles in Pakete verpackt und diese beschriftet und das Führungsfahrzeug mit einer ukrainischen Fahne geschmückt“, erinnert er sich. Auf dem Rückweg nahmen sie 17 Frauen und Kinder mit nach Halle.

Die Welle der Hilfsbereitschaft nahm nicht ab und so startete am 12. März ein weiterer Konvoi mit über drei Tonnen Hilfsgütern. Am 7. April holten sie 14 weitere Ukrainerinnen von der Grenze ab. „Das waren Angehörige von ukrainischen Polizisten“, sagt Thomas Weber. Diese Aktion kam zustande, weil die Ascherslebener Polizeischule eine Partnerschaft mit der Polizeischule in Lwiw hat, von wo die Flüchtlinge stammen.

Rückblickend ist Peter Weber klar, „dass das alles nur ein Tropfen auf den heißen Stein war.“ Man hätte auch alles auf einen Lkw laden können und in einer Fuhre transportieren können. „Aber wir wollten einen Hilfsbeitrag leisten und nicht nicht nur auf der Couch sitzen“. Auch wenn er einer der Hauptinitiatoren war, so betont er: „Es war ein Gemeinschaftswerk.“

Warum eine 16-Jährige sich dafür stark macht, Kinder selbstbewusster zu machen

Marlene Lang stärkt  Hortkinder mit einem speziellen Training.
Marlene Lang stärkt Hortkinder mit einem speziellen Training.
Foto:Steffen Schellhorn

„Marlene! Marlene!“ Die 16-Jährige wird überschwänglich und mit Umarmungen von den Viertklässlern des Hortes der Franckeschen Stiftungen begrüßt. Denn die Mädchen und Jungen freuen sich auf das Projekt „Stärkung durch Selbstvertrauen“, das die Gymnasiastin seit zwei Jahren dort anbietet und selbst entwickelt hat. Schüchterne blühen durch die Übungen und Spiele auf, lernen laut „Nein“ zu sagen und Aktivere respektieren dies.

„Mich motivieren ihre Erfolge, etwa, wenn sie es schaffen, ein klares Nein zu formulieren oder in einer stillen Umgebung laut Stopp zu sagen. Sie werden im Laufe des Kurses immer selbstbewusster“, sagt Marlene, die als Grundschülerin selbst den Hort in den Stiftungen besucht hat. Den Anstoß zu dem Projekt hat ihr das Schulfach „Lebenswelten“ gegeben, das an ihrer Schule, dem Lyonel-Feiniger-Gymnasium, ab der 9. Klasse angeboten wird. Dabei geht es um ehrenamtliches Engagement. Doch darüber hinaus hat Marlene Lang noch einen weiteren Anstoß: „Seit der 1. Klasse mache ich selbst Taekwondo und merke, wie gut sich der Sport auf die Stärkung meines Selbstvertrauens auswirkt. Jetzt bin ich 16 und möchte mit meinem Projekt anderen dieselben Erfahrungen ermöglichen.“

Wie funktioniert das Projekt? Zum Warmwerden gibt es verschiedene Spiele wie etwa das Abwerf-Ballspiel „Alle gegen alle“. Was gespielt wird, entscheiden die Kinder. Dann kommt die erste Übung: Eines der Kinder steht auf einer Matte, die anderen um die Matte herum und reden unablässig auf das Kind ein. Dessen Aufgabe ist es, Stopp zu sagen, wenn es zu viel wird. Und das kommt freundlich, aber bestimmt herüber. Cora sagt: „Kannst du jetzt bitte aufhören zu reden. Das ist ein bisschen zu viel für mich.“ Tim sagt Stopp und: „Bitte hört auf zu reden, das nervt.“

Denn auch das gehört zum Training: nett zueinander sein. Oder auch mal nicht. Beim Pratzentraining, bei dem die Kinder gegen ein Schlagpolster treten, geht es darum, sich das auch zu trauen. Doch auch Marlene lernt bei dem Projekt dazu. „Die Kinder bringen mir durch ihr Feedback viel bei, sie machen mich dadurch erwachsen“, sagt sie, „die Kinder machen mich unglaublich happy.“

Wäremebus versorgt Obdachlose und Bedürftige in Halle

David Strübing wird mit dem Bürgerpreis "Der Esel, der auf Rosen geht" ausgezeichnet.
David Strübing wird mit dem Bürgerpreis "Der Esel, der auf Rosen geht" ausgezeichnet.
Foto: Silvia Zöller

Als Unternehmer führt David Strübing ein erfolgreichen Containerdienst. Und gerade deswegen ist dem 43-Jährigen sehr bewusst, dass es vielen Menschen in Halle nicht so gut geht. „Ich war selbst nie von Obdachlosigkeit betroffen, aber ich möchte der Gesellschaft etwas zurückgeben“, sagt er. Anlass dafür war der Tod eines Obdachlosen, dem er oft vor einem Einkaufsmarkt sein Leergut überlassen hatte, um ihm so das Pfandgeld zu schenken. Als der Mann plötzlich nicht mehr da war, recherchierte Strübing und erfuhr von dessen Tod. „Ich konnte nicht glauben, dass so etwas in Deutschland passiert, und wollte etwas tun“, sagt er. So kaufte er zusammen mit seiner Frau Diana Strübing einen alten Bus und baute ihn gemeinsam mit Tochter Jessica zum Bus aus, der im Winter als Wärmestube und zu allen Jahreszeiten als Anlaufpunkt für alle die dient, die eine warme Suppe, ein Getränk, vielleicht auch Shampoo oder eine neue Hose brauchen. Seit April ist er montags, mittwochs und freitags damit unterwegs. Und das nicht alleine: rund 60 ehrenamtliche Helfer kochen eine Suppe, finanzieren das Projekt mit Spenden oder fahren als Team mit auf den Touren.

„Wir haben jetzt auch einen Verein gegründet“, sagt Strübing. Natürlich gehört er zu den sieben Gründungsmitgliedern. Ob die zahlreichen Helfer, die sich ausschließlich durch Mundpropaganda oder persönliche Kontakte zusammen gefunden haben, auch dem Verein anschließen sollten, ist für den Hallenser noch nicht klar. „Wir wollen erst ein Mitgliederkonzept aufstellen“, sagt er. Auf alle Fälle soll es ein kleiner, kumpelhafter Verein bleiben.

Pläne hat Strübing dagegen schon, wie die Tour zwischen Bahnhof, Steintor, der Neustädter Weststraße, dem Hallmarkt und dem Haus der Wohnhilfe am Böllberger Weg noch erweitert werden kann. Geplant sei, mit einem Transporter eine weitere Tour durch Heide-Nord, die Silberhöhe und die Huttenstraße zu machen. Denn Bedarf sei da: „Es gibt Obdachlose, die nicht einmal die drei Euro haben, die sie für einen Tag im Haus der Wohnhilfe zahlen müssen“, so Strübing. Deswegen werde er auch weiter am Steuer des Busses sitzen, der sozial Schwachen Hilfe bietet.

Die Präsidentin des Landes-Sportbundes Silke Renk-Lange will mehr Sport für alle möglich machen

Silke Renk-Lange  ist mit dem Preis der Initiatoren beim "Esel, der auf Rosen geht" ausgezeichnet.
Silke Renk-Lange ist mit dem Preis der Initiatoren beim "Esel, der auf Rosen geht" ausgezeichnet.
Foto: Steffen Schellhorn

68,34 Meter - das war die Weite, die Silke Renk-Lange 1992 bei den Olympischen Spielen in Barcelona die Goldmedaille einbrachte. „Das war ein langer Weg“, blickt die 55-Jährige zurück. Und ein erfolgreicher. Damit möglichst viele Menschen im Lande auch kleine und große Erfolgserlebnisse im Sport haben, engagiert sich die Ausnahmesportlerin seit 2008 im Landessportbund und ist seit 2019 dessen Präsidentin. „Ich möchte allen ermöglichen Sport zu treiben, von ganz jungen Menschen bis hin in den Seniorenbereich“, ist ihr Credo für diesen ehrenamtlichen Einsatz.

Für dieses Engagement haben die Initiatoren des Bürgerpreises „Der Esel, der auf Rosen geht“, Marco Fehrecke, Geschäftsführer der Mitteldeutsche Verlags- und Druckhaus GmbH, Volksbank-Vorstand Sascha Gläßer und Matthias Brenner, Intendant des Neuen Theaters, Silke Renk-Lange mit dem Preis der Initiatoren ausgezeichnet.

Damit wird ihr Einsatz im Landessportbund unter anderem für die Gleichstellung von Frauen, aber auch für das Ringen um Millionenhilfen des Landes für den Sport in der Corona-Pandemie geehrt. Silke Renk-Lange, die sich für die rund 350.000 sporttreibenden Bürger in Sachsen-Anhalt einsetzt, sagte in einem MZ-Interview: „Ich wünsche mir, dass Sport keine freiwillige, sondern eine gesellschaftliche Pflichtaufgabe wird. Das würde politisch und finanziell, auch auf Bundesebene, viel bedeuten. Wir müssen um jeden Euro kämpfen. Hier wäre es mein Wunsch, dass der Sport sein festes Budget hat. Der Sport leistet seinen Beitrag für die Gesellschaft und die Gesundheit.“

Dass die aus Roßla im Mansfelder Land stammende Renk, die heute bei den Stadtwerken Halle im Gebäudemanagement beschäftigt ist, nach dem Ende ihrer sportlichen Karriere in Halle geblieben ist, sei einem zu verdanken: dem früheren Oberbürgermeister Klaus Rauen. „Sie müssen unbedingt hier bleiben, Sie sind doch ein Leuchtturm für die Stadt“ habe er ihr um 1996 nach dem Ende ihrer sportlichen Karriere gesagt. Rauen habe sich darum bemüht, dass sie einen Job in der Saalestadt findet. So arbeitete sie zunächst im Gesundheitssport bei einer Krankenkasse, seit 1997 dann bei den Stadtwerken. „Der SV Halle ist und bleibt mein Heimatverein“, sagt sie heute - und ist auch im Präsidium des Vereins. Ihre Erfahrung in diesem Ehrenamt: „Man hört einer Olympiasiegerin zu, wenn etwas verändert werden muss.“

Und Veränderungen sind notwendig. Aktuell mangele es an Übungsleitern und es sei vor allem schwer, Menschen zu finden, die Kindergruppen leiten oder als Wettkampfrichter ehrenamtlich arbeiten. „Deswegen müssen wir die Rahmenbedingungen für den Sport verbessern“, sagt sie. Arbeitgeber müssten flexiblere Arbeitszeitgestaltungen ermöglichen, da Kinder beispielsweise nicht um 19 Uhr zum Training kommen, sondern früher am Tag. „Wir müssen auch mehr Zugänge zum Training schaffen für Randgruppen wie Geflüchtete und hier wohnende Migranten“, ergänzt sie. Genau deswegen sei sie dankbar für jeden, der sich schon jetzt ehrenamtlich im Sport engagiert.