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Verwahrloste Herzogsgräber Verwahrloste Herzogsgräber: Gebeine sollen in Marienkirche umgebettet werden - Letzte Heimkehr

Von Christian Eger 09.01.2019, 08:30
Askanier-Gruft unter dem Mittelschiff der Schloss- und Stadtkirche St. Marien in Dessau: Hier können die zehn Toten ihre Ruhe finden.
Askanier-Gruft unter dem Mittelschiff der Schloss- und Stadtkirche St. Marien in Dessau: Hier können die zehn Toten ihre Ruhe finden. Thomas Ruttke

Dessau-Rosslau - Es ging dann doch schneller als erwartet. Nur zwei Wochen dauerte es, um Lösungsvorschläge für ein 60 Jahre währendes Ärgernis zu unterbreiten: die rechtlich willkürliche Umbettung von zehn Mitgliedern des anhaltischen Herzogshauses aus dem 1947 enteigneten Mausoleum auf den kommunalen Friedhof von Dessau-Ziebigk. 1958 auf Weisung der Stadt Dessau angelegt, war die Grabstätte über die DDR-Jahrzehnte anonym geblieben, um immer stärker zu verwahrlosen.

Kein Grab- oder Gedenkstein erklärte den Ort und die Identität der Toten, zu denen drei Herzöge gehören. Der zuletzt mit einem verwitterten, hilflos handschriftlich gekennzeichneten Holzkreuz markierte Ort lag außerhalb jeder rechtlichen Zuständigkeit und öffentlichen Wahrnehmung.

Bis zum Ende des vergangenen Jahres. Nach MZ-Berichten über den Zustand der Grabstätte hatte Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) zu einer kleinen Runde in den Landtag in Magdeburg gebeten, um Vorschläge für eine Korrektur der Situation zu diskutieren. Den Toten, deren Familienname ein Teil des Landesnamens ist, soll nach Jahrzehnten eine würdige Ruhe ermöglicht werden.

Mit dem Ministerpräsidenten versammelten sich der Oberbürgermeister von Dessau-Roßlau, Peter Kuras, der Präsident der Anhaltischen Landeskirche, Joachim Liebig, und der Kulturminister Rainer Robra. Eine Runde zunächst ohne die Familie von Anhalt, die aber „rechtzeitig eingebunden“ werden sollte, sobald konkrete Lösungsvorschläge vorlägen, hieß es im Dezember.

Familienzusammenführung

Das ist jetzt der Fall. Mit einem Telefonat am Donnerstag vergangener Woche informierte Haseloff die Familie von Anhalt über drei mögliche Optionen. Erstens, die kurzfristige Umbettung der Toten in die restaurierte historische Askanier-Gruft unter dem Mittelschiff der Dessauer Schloss- und Stadtkirche St. Marien. Zweitens, das langfristige Warten auf eine indes sachlich und zeitlich unkalkulierbare Restaurierung des Mausoleums. Sollten beide Varianten ausgeschlossen werden, wäre - drittens - die dauerhaft würdige Gestaltung der Ziebigker Grabstätte notwendig.

Es war der Vorschlag des Ministerpräsidenten, sagt Regierungssprecher Matthias Schuppe, eine eventuelle Umbettung in die Marienkirche zunächst von der Mausoleumsfrage „abzukoppeln“, nämlich der Option, die Toten irgendwann einmal in die Krypta des Mausoleums zurückzuführen. Dessen baulicher Zustand erlaube derzeit keine Beisetzung, heißt es aus Magdeburg.

Am Montag ließ Eduard von Anhalt, als 1941 geborener Sohn des Herzogs heute Chef des Hauses Anhalt, seine Position dem Ministerpräsidenten und den von ihm vertretenen Akteuren mitteilen. Demnach deuten die Zeichen in Richtung Marienkirche. „Alle Beteiligten haben grundsätzlich Bereitschaft signalisiert, die vorgeschlagene Lösung Marienkirche weiter zu verfolgen“, sagt Regierungssprecher Schuppe. Ministerpräsident Haseloff erklärt: „Mit der Umbettung auch der sterblichen Überreste aus Dessau-Ziebigk würde eine Rückführung an einen authentischen Ort und eine Zusammenführung der Familie erreicht werden.“

Tatsächlich wäre die Marienkirche nicht nur ein dynastisch authentischer, sondern in Sachen Askanier-Rückführung auch ein erprobter Ort. Bereits im Dezember 2014 waren auf Initiative des Dessauer Kreisoberpfarrers Alfred Radeloff die sterblichen Überreste von zehn Askaniern in die Gruft der Schlosskirche überführt worden. 1968 vor Vandalismus aus der kriegszerstörten Kirche gerettet, waren die Toten - unter denen sich der Fürst Franz-Vater Leopold Maximilian befindet - in die Berenhorst-Gruft auf dem Historischen Friedhof in Dessau transportiert worden.

Feuchtigkeit und Einbrüche setzten den sterblichen Überresten zu, so dass eine neuerliche Rettung notwendig war. Mit einer gottesdienstlichen Feier wurden die in neue Holzsärge gebetteten Toten 2015 in der Hauptgruft der Marienkirche bestattet. Zehn von ursprünglich 52 Angehörigen des Herzogshauses, die bis 1945 in den vier Gruftanlagen der Kirche beigesetzt waren. Platz für die Ziebigker Toten ist vorhanden.

„Es ist wunderbar“

Der ist selbstverständlich auch im Mausoleum gegeben, dessen bauliche Ertüchtigung aber in den Sternen steht. Für eine Sanierung des 1898 von Franz Schwechten vollendeten Sakralbaus seien mindestens 15 Millionen Euro, ein schlüssiges Nutzungskonzept, eine Sanierungsdauer von mindestens fünf bis sechs Jahren und ein Beschluss des Stadtrates notwendig, heißt es aus der Staatskanzlei. Letzteres sei bei der Kirchen-Lösung nicht der Fall.

Die Marienkirche wurde zwar 1992 für 99 Jahre von der Evangelischen Kirche an die Stadt Dessau verpachtet, die Hoheit über die Gruft aber habe die Kirche behalten. Über das weitere konkrete, also sachliche und finanzielle Vorgehen werden sich jetzt die Stadt, die Landeskirche und das Haus Anhalt einigen.

„Es ist wunderbar“, sagt Eduard von Anhalt über den eingeschlagenen Weg. „Das ist gut für mein Herz und meine Seele. Es war unwürdig, die Toten an einem Ort zu belassen, an den sie zwangsversetzt worden waren.“ In der Marienkirche fänden nun die Vorfahren der Familie zusammen. „Und falls die sterblichen Überreste irgendwann einmal, wenn das Mausoleum bezugsfähig sein sollte, in das Mausoleum zurückkehren sollten, wäre auch das wunderbar.“ Er danke dem Ministerpräsidenten, der Stadt Dessau-Roßlau und der Evangelischen Kirche, sagt Eduard von Anhalt. (mz)