Umfrage der IHK Umfrage der IHK: 98 Prozent der Dessau-Roßlauer finden Industrieansiedlungen wichtig

Dessau-Roßlau - Die Grundeinstellung zur Industrie ist in Dessau-Roßlau überaus positiv. Das ergab eine Untersuchung, die ein hallesches Meinungsforschungsinstitut im Auftrag der Industrie- und Handelskammer (IHK) durchführte.
93 Prozent der Bürger sind der Meinung, man sollte die Industrieunternehmen stärken und Ansiedlungsmöglichkeiten schaffen. 98 Prozent finden Industrie in der Region sogar sehr wichtig.
77 Prozent stehen Industrieunternehmen in ihrer direkten Umgebung positiv gegenüber. Für fast die Hälfte hat Industrie eine hohe Bedeutung. Manfred Piotrowsky, Geschäftsführer der Dessauer IHK-Geschäftsstelle findet diese Umfrageergebnisse sehr beachtlich und überraschend. Weshalb eigentlich? Mit Piotrowsky sprach MZ-Redakteurin Annette Gens.
Herr Piotrowsky, Industrie bringt Wohlstand und den braucht auch Dessau-Roßlau. Hätten Sie mit anderen Umfrageergebnissen gerechnet?
Manfred Piotrowsky: Diese Umfrageergebnisse sind überraschend, weil viele Menschen nach 1990 einen tiefgreifenden Strukturwandel mit persönlichen Schicksalsschlägen erlebten und damit zum Teil noch heute hadern.
Das war bei der Umfrage nicht zu spüren. Für die Stadt Köln liegt übrigens ein ähnliches Gutachten vor. Dort ist die Akzeptanz von Industrie deutlich geringer. Das zeigt, wir in Sachsen-Anhalt und in der Region belegen eben nicht in vielen Bereichen die hintersten Plätze mit der oft zitierten „rote Laterne“.
Vor welchem Hintergrund ist Industrieakzeptanz wichtig?
Manfred Piotrowsky: Vor drei Jahren wollte ein italienischer Investor 55 Millionen Euro in den Bau eines neuen Schlachthofes bei Bernburg investieren. 2.200 Arbeitsplätze sollten entstehen. Doch eine Bürgerinitiative und mit ihr über 31.000 Menschen kippte das Vorhaben.
Die Investition entsprach allen gesetzlichen Bestimmungen. Wir standen fassungslos da. Die Ereignisse von Bernburg haben die Frage aufgeworfen, ob Industrie in der Region eine Chance hat. Das Gutachten weist auf einen Standortvorteil hin.
Große Betriebe der Region haben sich in Dessau-Roßlau angesiedelt
Weshalb kommt die Wirtschaft trotzdem nicht?
Manfred Piotrowsky: Die Zeit der großen Industrieansiedlungen ist vorbei. Und doch gibt es in Dessau-Roßlau sehr gute Entwicklungen. Die Konjunktur hat Schwung aufgenommen. Wir verfügen mit der IDT Biologika, der Merz GmbH, der DB Fahrzeuginstandhaltung über die größten Betriebe der Region.
Gibt es Unternehmen, die sich vergrößern wollen?
Manfred Piotrowsky: Vom Pharmapark Rodleben sind solche Absichten ja bekannt. Andere Unternehmen überlegen und führen im Moment noch vertrauliche Gespräche. Man muss sehen, ob alle Geschäftsmodelle aufgehen.
Angenommen, der italienische Investor würde in Dessau anklopfen. Würden Sie es gerne sehen, dass vor Ihrer Haustür in Massen Tiere geschlachtet werden?
Manfred Piotrowsky: Die Frage stellt sich hier nicht, weil Dessau keine geeigneten Flächen anbieten könnte. Aber mal ganz abgesehen davon, hat das Beispiel Bernburg eines gelehrt und die Studie unterstrichen, dass Investitionen mehr Transparenz erfordern. Die Bürger wollen wissen, was sich für sie ändert. Werden sie womöglich durch Geruch, Lärm oder Erschütterungen beeinträchtigt. Solche Fragen müssen auf den Tisch.
Unternehmen, die sich ansiedeln wollen, sollten nicht mit Informationen an die Bürger sparen
Der Gesetzgeber hat dafür öffentliche Anhörungen vorgeschrieben...
Manfred Piotrowsky: Leider reagieren die Bürger meist erst, wenn die Fristen dafür überschritten sind und wenn der erste Spatenstich ansteht. Wir raten der Industrie deshalb, im Vorfeld zu größerer Transparenz. 96 Prozent der Gefragten fordern sie zum Beispiel in Fragen der Umweltstandards.
94 Prozent wollen, dass die Unternehmen ein starkes Gefühl der Unternehmenszugehörigkeit bei Mitarbeitern entwickeln. Über 90 Prozent wollen, dass Unternehmen offen und frühzeitig informieren, wenn Unfälle passieren. Sie befürworten Engagement im regionalen Sport- und Kulturbereich, wollen in der Presse informiert werden.
Die Umfrage unterstreicht einmal mehr, dass die Unternehmen, was ihr Image betrifft, Potenzial hat. Sie sollte mit Informationen über sich nicht sparen.
Was können Stadtrat und Verwaltung aus diesem Umfrageergebnis lernen?
Angenommen, Sie wären der Oberbürgermeister, wie würden Sie mit der Studie umgehen?
Manfred Piotrowsky: Ich würde mich zunächst über das Ergebnis dieser Studie freuen, denn Stadtrat und Stadtverwaltung haben bei Festsetzung von Industriegebieten vieles richtig gemacht. Dann würde ich nochmals hinterfragen, ob alle Rahmenbedingungen für die Wirtschaft stimmen.
Woran denken Sie konkret?
Manfred Piotrowsky: Zum Beispiel an die Nordumfahrung, die nun nicht gebaut werden soll. Die Entscheidung ist nicht nachzuvollziehen, weil sie direkten Einfluss auf die Wirtschaft haben wird.
Welchen?
Manfred Piotrowsky: Es steht doch mit Wirtschaftswachstum außer Frage, dass der Verkehr zunehmen wird. Die IDT Biologika hat in den vergangenen vier Jahren 400 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen. Mit mehr Arbeit erhöht sich sowohl der individuelle als auch der Güterverkehr.
Oder nehmen wir das Beispiel des Ausbaus im Roßlauer Hafen. Wenn er fit ist für die Zukunft, dann wird dort mehr Verkehr stattfinden. Dazu kommt, dass nach dem Umbau der Kavalierstraße in der Innenstadt kein Schwerverkehr mehr zugelassen wird. Die Nordumgehung wird nach wie vor benötigt. (mz)