Oury-Jalloh-Demo in DessauOury-Jalloh-Demo in Dessau: Jährlicher Protest dieses Mal unter Corona-Bedingungen
Dessau-Roßlau - Die Demonstration in Gedenken an den Tod von Oury Jalloh fällt wegen der Pandemie kleiner aus. Masken werden vorbildlich getragen, aber Abstand fehlt.
Es ist ein festes Datum im Dessauer Jahreskalender: die stets am 7. Januar stattfindende Demonstration anlässlich des Todes von Oury Jalloh, der 2005 in einer Zelle des Polizeireviers in der Wolfgangstraße verbrannte. Weder Eisregen noch Schneefall konnten die Demonstranten in den vergangenen Jahren aufhalten. Und die Corona-Pandemie, die in ganz Deutschland das gesellschaftliche Leben lahmlegt, konnte es auch nicht.
Am Donnerstag zogen rund 150 Demonstranten vor das Polizeirevier und skandierten ihre altbekannten Parolen: „Oury Jalloh - das war Mord“ waren sie sich sicher. Polizisten, die einige als „Bullen“ betitelten, hätten den Asylbewerber aus Sierra Leona vor 16 Jahren misshandelt und umgebracht.
Auf Schildern wurde die Auflösung der Dessauer Polizei genauso gefordert, wie der Niedergang des „imperialistischen Deutschlands“. Poster mit Konterfeis von in Polizeigewahrsam verstorbenen Menschen wurden neben roten Flaggen mit Sichel und Hammer, die, wie einer der Fahnenträger sagte, für die kommunistische Partei Perus stehen, geschwenkt. Gedenken an Oury Jalloh mischte sich mit zum Teil kruder Kapitalismuskritik und Revolutions-Parolen.
Masken Tragen ja, Mindestabstand eher nicht
Alles wie immer also? Mitnichten. Dass die Kundgebung unter Corona-Bedingungen stattfand, war nicht zu übersehen. So trugen augenscheinlich alle Teilnehmer eine Maske über Mund und Nase und die Demonstrationsroute wurde deutlich verkürzt. Der Zug setzte sich gegen 14.30 Uhr am Hauptbahnhof in Bewegung, überquerte die gesperrte Antoinettenstraße und kam schon 15 Minuten später am mit Kreide bekritzelten Polizeirevier an. Schlenker an der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht vorbei gab es in diesem Jahr nicht.
Befremdlich, angesichts geschlossener Discos und Kneipen, muteten dafür jedoch Szenen auf dem Bahnhofsvorplatz an, als Teilnehmer ohne Mindestabstand gemeinsam zu Musik aus einem Lautsprecherwagen tanzten. Zwar mit Mundschutz, aber viel dichter als 1,50 Meter bewegten sie sich zur Musik und hinterließen bei dem ein oder anderen Passanten Kopfschütteln. Dass die Demo überhaupt stattfindet, obwohl jeder so gut wie möglich Kontakte vermeiden soll, hatte im Vorfeld zu Kritik geführt.
Die Kundgebung zu verschieben oder gar ausfallen zu lassen, sei keine Option gewesen
Nadine Saeed, eine der Organisatorinnen, entgegnete, man halte sich an die Regeln. „Wir veranstalten extra keine große Demonstration. Die meisten Teilnehmer kommen aus der Region und nicht wie in den Vorjahren aus ganz Deutschland. Wir haben extra keine weiten Anreisen organisiert.“ Die Kundgebung zu verschieben oder gar ausfallen zu lassen, sei keine Option gewesen. „Es ist unser wichtigster Tag im Jahr“, so Saeed, die aus Berlin anreiste.
Auch dass einige Dessauer genervt von dem jährlichen Aufzug sind, konnte sie nicht nachvollziehen. „Den Dessauern sollte eher daran gelegen sein, aufzuklären, was damals im Revier passierte. Erst wenn alles aufgeklärt ist, kann man seinen Frieden finden.“
Am Ende des Tages zog die Polizei ein positives Fazit zum Demogeschehen in Dessau
Dass der Fall jemals aufgeklärt wird, dafür kämpft unter anderem die Anwältin von Jallohs Familie, Beate Böhler. Sie sprach vor dem Polizeirevier und erläuterte den aktuellen juristischen Stand. Demnach sei ein sogenanntes Klageerzwingungsverfahren, mit dessen Hilfe ein neuer Prozess begonnen werden sollte, gescheitert. Dagegen geht Böhler derzeit vor dem Bundesverfallungsgericht vor.
Am Ende des Tages zog die Polizei, die sich die ganze Zeit über im Hintergrund und sehr defensiv verhalten hatte, ein positives Fazit: „ Um 17.25 Uhr wurde die Versammlung beendet. Es gab keinerlei Störungen oder Anzeigen“, sagte Polizeisprecherin Doreen Wendland. (mz)