Gegensteuern schwierig Gegensteuern schwierig: Immer mehr Drogen in Dessau-Roßlau
Dessau-Roßlau - Die Erfolge wurden recht klein vermeldet: Im Dezember kam die Dessauer Kripo mehreren jungen Männern auf die Spur und stellte bei den Wohnungsdurchsuchungen eine stattliche Anzahl von Drogen sicher.
Zwei von den Dreien - 21 und 29 Jahre alt - sitzen seitdem in Untersuchungshaft. Immer öfter sind die Drogenfunde in Dessau-Roßlau im Umfang beträchtlich.
So wurden 2016 zwar weniger Drogendelikte registriert als im Jahr davor - doch die Zahlen täuschen. „Die Menge von Drogen, die sichergestellt wurden, lag um einiges höher als noch 2015“, sagt Hannes Werner, Chef der Kripo im Dessau-Roßlauer Polizeirevier.
Polizei Dessau: „Ein Problem das uns mittlerweile überrollt hat“
„Dessau-Roßlau ist zwar keine Drogenhochburg, aber lange nicht frei von Drogen.“ Erst kürzlich bei der Vorstellung der Kriminalstatistik hatte der Leiter des Dessau-Roßlauer Polizeireviers betont, dass es in der Stadt ein Problem gibt, dass „uns mittlerweile überrollt hat und nicht von der Polizei allein gelöst werden kann“.
Bei den Drogen ist vor allem Crystal Meth weiterhin auf dem Vormarsch. Diese Droge wird in Tschechien billig produziert. Über Stunden putscht Crystal Meth auf, steigert Leistungsfähigkeit, Konzentration und sexuelles Verlangen. Gleichzeitig unterdrückt es Angstgefühle. Der Körper stellt massenhaft Botenstoffe wie die Glückshormone Serotonin und Dopamin oder das Stresshormon Noradrenalin zur Verfügung. „Doch der Absturz ist programmiert“, erklärt Werner.
Abhängige haben sich sozial von der Gesellschaft abgekoppelt
Die Polizei in Dessau-Roßlau habe mittlerweile mit einer Generation Abhängiger zu tun, die sozial abgekoppelt lebe und „bei der im Hirn nichts mehr ankommt“. Die Gruppe der Abhängigen bezieht keine Stütze vom Jobcenter und ist größtenteils nirgends integriert. „Das soziale Netz greift nicht, weil die Betroffenen nicht mehr in der Lage sind, Termine einzuhalten“, so Werner.
Doch andererseits sind Abhängige gezwungen, für ihren Konsum ständig Geld zu beschaffen. Wenngleich die Polizei das nicht an Zahlen festmachen kann, so zeigen die polizeilichen Erfahrungen, dass 2016 der größte Teil der Diebstähle Kellereinbrüche, Fahrraddiebstähle oder Pkw-Aufbrüche und Handtaschendiebstähle begangen wurde, um den Drogenkonsum zu finanzieren.
Abhängige brauchen pro Tag etwa 30 bis 40 Euro für Drogen
Von den 8.939 Straftaten, die 2016 im Stadtgebiet erfasst wurden (2015 waren es 9.385), zählen 1.941 Taten zur Straßenkriminalität (2015: 1.998). Es ereigneten sich demnach insgesamt 4.101 Diebstähle (2015: 4.313).
Im Stadtgebiet wurden im vergangenen Jahr 802 Kellereinbrüche und 1.086 Fahrraddiebstähle registriert. Bei den Tätern, die gefasst wurden, gibt es Bezüge zur Drogenszene, sagt Werner.
Wer abhängig ist, der muss in der Anfangsphase mindestens täglich 30 bis 40 Euro in Drogen finanzieren, erklärt der Kripo-Chef. In Dessau-Roßlau hatte die Polizei aber auch schon mit Junkies zu tun, die täglich 1,4 Gramm Crystal Meth konsumieren und damit „mehr als 80 Euro pro Tag beschaffen müssen, um ihre Sucht befriedigen zu können.“
Crystal Meth-Abhängige wollen fast ausnahmslos in Therapie
Doch das Gegensteuern ist schwierig. Mittlerweile arbeiten zwar Jugendamt, Suchthilfe, die Jugendberatungsstelle der Kripo enger zusammen, schildert Kripochef Werner. Doch Bemühungen auf kommunaler Ebene allein reichen nicht.
Crystal Meth-Abhängige wollen fast ausnahmslos in Therapie, doch sie müssen zu lange auf Plätze warten, so Werner. Das Problem müsse somit Politik und auch Krankenkassen und die ganze Gesellschaft beschäftigen.
„Das Drogenproblem betrifft übrigens alle Schichten der Gesellschaft“, sagt Dessau-Roßlaus Kripo-Chef. Da, wo die Polizei an Kontrollen nachlässt, da taucht es auf. „Nicht umsonst spricht man bei Betäubungskriminalität auch von Kontrollkriminalität.“ (mz)