1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Dessau-Roßlau
  6. >
  7. Ein halbes Jahrtausend alt: Geläut der Dorfkirche Sollnitz wird saniert

Kirche Ein halbes Jahrtausend alt: Geläut der Dorfkirche Sollnitz wird saniert

Fachfirma aus Leipzig hat die drei Glocken sowie die Joche abgebaut. Für die Reperaturarbeiten braucht die kleine Kirchgemeinde aber noch Unterstützung. 21.000 Euro werden benötigt.

Von Heidi Thiemann 06.03.2022, 12:00
Die kleinste der Sollnitzer Glocken  wird von René Sieber abgehangen.
Die kleinste der Sollnitzer Glocken wird von René Sieber abgehangen. (Foto: Thomas Ruttke)

Sollnitz/MZ - „Du kommst hier ja überhaupt nicht ran zum Heben!“ Tom Träger überlegt kurz mit seinem Kollegen René Sieber, wie er das rund 100 Kilogramm schwere Holzteil am besten fassen kann. Mit einem Greifzug soll das sperrige Stück - ein Joch zur Aufhängung einer Glocke - Zentimeter für Zentimeter im Sollnitzer Kirchturm in die Tiefe gebracht werden. Vorbei an steilen Treppenstufen und Leitern. „Immer, wenn es was zum Schinden gibt, sind wir richtig“, lacht der Leipziger nur Minuten später. Denn Probleme sind zum Lösen da, auch wenn der Platz den zwei Männern kaum Bewegungsfreiheit gewährt.

Bernhard Zachäria GmbH Turmuhrenfabrik und Läuteanlagen aus Leipzig ist die älteste bestehende Firma ihrer Art in Deutschland

Träger und Sieber kommen von der Firma Bernhard Zachäria GmbH Turmuhrenfabrik und Läuteanlagen. Die älteste bestehende Firma ihrer Art in Deutschland ist das und auch Spezialist, wenn es um Kirchenglocken geht. Das Sollnitzer Geläut ist marode. Es musste 2020 aus Sicherheitsgründen stillgelegt werden.

Erst vor wenigen Wochen hatte die Gemeinde den Auftrag zur Sanierung vergeben. Grundlage war das Gutachten von Kornelius Werner, Glockensachverständiger der Evangelischen Landeskirche Anhalts. Das Geläut ist ein besonderes, stellte er heraus. Die älteste Glocke entstand 1463, ihre Schwestern im Jahr 1500 beziehungsweise 1590.

Fast geschafft: Das 100 Kilogramm schwere Joch der großen Glocke wird mit einem Greifzug in die Tiefe gebracht. Keine einfache Sache, sagt Tom Träger.
Fast geschafft: Das 100 Kilogramm schwere Joch der großen Glocke wird mit einem Greifzug in die Tiefe gebracht. Keine einfache Sache, sagt Tom Träger.
(Foto: Thomas Ruttke)

Nun werden alle drei am Donnerstag abgehängt. Das ist nicht nur knifflig für die beiden Mitarbeiter der Leipziger Traditionsfirma aufgrund der beengten Platzverhältnisse, sondern zum Teil auch Schwerstarbeit. Das Joch der großen Glocke, das ebenso wie das der kleinen und der mittleren Glocke nun restauriert werden, bringt alleine zwei Zentner auf die Waage.

Eine Sackkarre hilft, die schweren Lasten zu transportieren.
Eine Sackkarre hilft, die schweren Lasten zu transportieren.
(Foto: Thomas Ruttke)

Fast schon ein Leichtgewicht ist dagegen die kleine Glocke. Rund 50 Kilogramm, schätzt Träger, wiegt die. Auch sie muss vorsichtig vom Kirchturm abgelassen werden. Denn die über 550 Jahre alte Glocke wird mit nach Leipzig genommen, um von dort in eine Manufaktur in den Niederlanden gebracht zu werden. „Die Kronenhenkel sind defekt“, zeigt Träger auf fehlende Teile. Ein aufwändiges Verfahren ist notwendig, damit die Henkel angeschweißt werden können. „Danach sieht die Glocke aus wie neu“, weiß er.

Zwei Henkel fehlen an der Glockenkrone. Sie muss restauriert werden und wird dazu in eine Spezialmanufaktur gebracht.
Zwei Henkel fehlen an der Glockenkrone. Sie muss restauriert werden und wird dazu in eine Spezialmanufaktur gebracht.
(Foto: Thomas Ruttke)

Der Abbau der drei Glocken bedeutet einen ganzen Tag Arbeit für die beiden Männer. Die große und die mittlere Glocke stehen nun hoch oben im Kirchturm, denn sie sind in Ordnung. Sie brauchen nur neue Klöppel.

Alltäglich ist das nicht, dass Kirchenglocken abgebaut werden, sagt Axel Schuhmann von der Unteren Denkmalbehörde. Er ist extra gekommen, um zu schauen, was die Firma macht. „Das sieht alles sehr gut aus“, stellt er fest.

Nach der Sanierung wird Geläut mit Elektrotechnik zum Klingen gebracht

Wann aber werden die Glocken wieder angebracht? Wann sind die Joche saniert, die Beschläge und Lager überarbeitet? Wann kommt die kleine Glocke aus der Manufaktur? Tom Träger will sich nicht festlegen, sagt vage „wenn es warm ist“. Auch Anja Glaß, Vorsitzende des Gemeindekirchenrates, rechnet nicht vor August oder September damit. Doch sie freut sich, dass die Glocken wieder läuten werden. Dann allerdings elektronisch. Bislang brauchte es drei Männer dafür.

Die Sollnitzer Kirche: Im Kirchturm wurden am Donnerstag die drei Glocken samt Jochen abgebaut. Es besteht dringender Sanierungsbedarf.
Die Sollnitzer Kirche: Im Kirchturm wurden am Donnerstag die drei Glocken samt Jochen abgebaut. Es besteht dringender Sanierungsbedarf.
(Foto: Thomas Ruttke)

Die Freude ist aber getrübt. Die 21.000 Euro, die die Sanierung kostet, muss die Kirchengemeinde alleine aufbringen. Die Landeskirche beteiligt sich nicht. „Wir sollten zwar einen Antrag einreichen. Aber dann wurde uns mitgeteilt, dass die Glocken nicht baubezuschussungsfähig sind“, erzählt sie. Auf dem Spendenkonto, der Gemeinde sind bereits 4.000 Euro eingegangen. Nicht nur Sollnitzer haben gespendet, „sondern auch Menschen, die wir nicht kennen“, sagt Glaß dankbar und hofft auf weitere Unterstützer.

Spendenkonto: Kirchgemeinde Sollnitz/Kleutsch, Volksbank Dessau, DE42 800935740001 017764 Stichwort: Glocken