Ausstellung in Roßlauer Rathaus Ausstellung in Roßlauer Rathaus: Spuren von Unku zu Alberto
Dessau - Man könnte sie für Touristen halten: die jungen Gäste aus Liverpool, die Jana Müller, Leiterin des Alternativen Jugendzentrums (AJZ) auf einen Rundgang durch Dessau eingeladen hat.
1931 schrieb die Berlinerin Grete Weiskopf ein Buch über die Freundschaft des Jungen Ede zu dem Zigeunermädchen Unku zur Zeit der Weimarer Republik. Fotos zeigen die Familie der Erna Lauenburger, genannt Unku, mit der Weiskopf Ende der 20er Jahre eng befreundet war. Teile der Geschichte basieren auf realen Erlebnissen. Nach der Bücherverbrennung 1933 stand der Roman der jüdischen Schriftstellerin, die diesen unter dem Pseudonym Alex Wedding geschrieben hatte, auf dem Index, wurde vernichtet und verboten. Später gehörte er im Deutschunterricht der DDR zur Pflichtlektüre und wurde 1980 von der DEFA verfilmt.
Sie machen Fotos, posieren mit einer Kurt-Weill-Pappfigur und summen dabei Beatlessongs. Lehrer John McCarthy aber ist mit ihnen nicht nur der Kultur wegen in die Bauhausstadt gefahren. Am Donnerstagabend möchte er mit seinen Schülern, der Professorin Eve Rosenhaft und Jugendlichen des AJZ die eigene Ausstellung, welche schon in Liverpool zu sehen war, im Rathaus Roßlau besuchen.
Diese Ausstellung zeigt Fotografien des Roßlauer Journalisten Hanns Weltzel vor 1938, auf denen Sinti-Familien, insbesondere aber das Mädchen Erna Lauenburger, genannt Unku, in Roßlau zu sehen sind. Im Zuge des Holocaust wurde die damals 24-jährige Sintessa mit Töchtern und Mann 1938 dann nach Auschwitz deportiert und ermordet. „Durch die Fotomontage wollen wir das Thema für junges Publikum ansprechend machen“, sagt McCarthy.
Auch die Jugendlichen des AJZ haben sich vor rund zehn Jahren über einen längeren Zeitraum mit der Geschichte Unkus und der Verfolgung von Sinti und Roma beschäftigt. Im Projekt „Antisemitismus in Ost und West. Lokale Geschichte sichtbar machen“ waren sie zu einer Sonderausstellung nach Magdeburg und ins KZ Auschwitz gefahren, haben das Archiv ausgewertet, Zeitzeugen befragt und Geschichten Dessau-Roßlauer Sinti und Roma recherchiert.
Eindrücke wurden für Film verarbeitet
Während ihrer Arbeit waren auch sie auf die Fotos Weltzels gestoßen, die sich in der Universität von Liverpool befinden. Die gesammelten Eindrücke wurden 2009 im Film „Was mit Unku geschah - das kurze Leben der Erna Lauenburger“ zusammengefasst und unter anderem in Schulen gezeigt. „Der Film trifft den Nerv“, meint Jana Müller. Besonders regionale Bezüge und Schicksale Gleichaltriger erregen Aufmerksamkeit. Die Zusammenarbeit des AJZ mit Liverpool soll weiter ausgebaut werden: „Wir träumen davon, gemeinsam eine Ausstellung zu machen.“
Opfer rechter Gewalt
Material zum Nachdenken gibt es auch während der Tour durch Dessau genug: Kurt Weill, der wegen seiner „entarteten“ Musik 1933 aus Deutschland fliehen musste; das Bauhaus, 1932 verboten und zur Selbstauflösung gezwungen; die Stolpersteine der Juden und Ladenbesitzer Selma und Mayer Reiche, welche ebenfalls in Auschwitz ermordet wurden. Und: im Stadtpark der Erinnerungsort an Alberto Adriano; Vertragsarbeiter aus Mosambik, im Jahr 2000 von Neonazis totgeschlagen.
So ist Rassismus immer noch ein aktuelles Thema. Von 1990 bis heute wurden 182 Menschen durch rechte Gewalt getötet. „Man sieht, wozu der Mensch neigt“, sagt Mario Franz, der Donnerstagabend zur Ausstellungseröffnung in Roßlau Gitarre spielt. Er ist ein entfernter Verwandter von Unku, deren Geschichte und Tod englische wie deutsche Jugendliche zusammengeführt hat. (mz)