Auftragsvergabe der Stadt Auftragsvergabe der Stadt Dessau-Roßlau: Hiesige Architekten sehen sich bei Bauprojekten ausgegrenzt
Dessau-Roßlau - Matthias Kuplich war mehr als überrascht. „Dieses Treffen soll nicht konfrontativ werden, sondern konstruktiv“, sagte der Justiziar der Architektenkammer Sachsen-Anhalt, der am Montag an der Sondersitzung des Ausschusses für Wirtschaft, Stadtentwicklung und Tourismus im Ratssaal teilnahm - und auf eine aufgeheizte Stimmung traf. Die Fronten zwischen der Stadtverwaltung Dessau-Roßlau und den hiesigen Architekten und Planern scheinen weiterhin verhärtet zu sein.
Architekten und Planer fühlen sich bei städtischen Bauprojekten ausgegrenzt. Die Vorwürfe: Die Kriterien der Stadtverwaltung bei Ausschreibungen seien zu hoch, außerdem würden junge Firmen benachteiligt.
Diese Vorwürfe wurden bei einer Sondersitzung des Ausschusses Mitte Oktober laut und am Montag abermals wiederholt. Thomas Göldner vom gleichnamigen Architekturbüro erzählte beispielsweise von einem Gerücht, dass es bei der Stadtverwaltung eine Liste mit Architekten und Planern gebe, die bei Ausschreibungen berücksichtigt werden - alle anderen würden hinten herunterfallen.
Die Gesamtsumme eines Projektes entscheidet über die Prozesse im Vergabeverfahren
„Wie kann man auf diese Liste kommen?“, fragte Göldner in Richtung Stadtverwaltung, deren Vertreter ebenfalls an der Sondersitzung teilnahmen. Beim ersten Zusammentreffen im Herbst hatte das Fernbleiben von Vertretern der Stadtverwaltung für Empörung gesorgt. Damals gab es Unstimmigkeiten bei der Einladung zur Sitzung.
Am Montag nahm Klaus Bekierz, Leiter des Zentralen Gebäudemanagements (ZGM) bei der Stadtverwaltung, Stellung zu den Vorwürfen und wies das Gerücht einer Liste weit von sich. „Es gibt keine Liste - wir bevorzugen keine Büros bei der Vergabe von Aufträgen“, so Bekierz. Vielmehr klärte der ZGM-Leiter noch mal über die Vergabepraxis in Dessau-Roßlau auf.
„Es wird heftig über diese diskutiert, ohne sie zu kennen“, sagte er. Unterschieden wird zwischen europäischem und nationalem Vergaberecht. Bei den Ausschreibungen spielen immer sogenannte Schwellenwerte, also der Nettoauftragswert, eine Rolle. Liegt die Gesamtsumme über oder unter dem Wert, kommen verschiedene Verfahren zur Ermittlung des Ausführenden zur Anwendung.
In den Jahren 2010 bis 2016 wurden von der Stadt insgesamt 248 Aufträge vergeben
In der Stadt Dessau-Roßlau liegt die Vergabeentscheidung bei Arbeiten im Wert bis zu 50.000 Euro beim Amtsleiter, bis 125.000 Euro beim Beigeordneten und ab einem Gesamtvolumen von 125.000 Euro entscheidet stets der Bauausschuss. „Alle Vergaben werden durch die zentrale Vergabestelle statistisch erfasst und jährlich ausgewertet“ erklärte Klaus Bekierz.
Im Mittel würde Dessau-Roßlau rund 20 Planungsvergaben mit zirka zwei Millionen Euro Honorar pro Jahr vergeben, derzeit gebe es aber eine steigende Tendenz mit zirka 30 Planungsverträgen und rund drei Millionen Euro Honorar. In den Jahren 2010 bis 2016 wurden insgesamt 248 Aufträge vergeben, die mit Honorarzahlungen in Höhe von 12,5 Millionen Euro einhergingen.
Innerhalb der nationalen Vergaben bekamen Dessauer Büros 143 Aufträge
18 freiberufliche Leistungen wurden in diesem Zeitraum an Dessauer Büros vergeben, 47 an andere. Innerhalb der nationalen Vergaben bekamen Dessauer Büros 143 Aufträge, 40 Aufträge erhielten Architekten und Planer aus anderen Städten. Bei den hohen Haftpflichtsummen, die die Architekturbüros aufbringen müssen und kritisieren, verwies Bekierz auf die Richtlinien des Landes.
Zu einer Lösung des Problems sind die Teilnehmer der Sondersitzung allerdings nicht gekommen. „Jeder nimmt etwas von diesen Gesprächen wohl mit“, sagte der Ausschuss-Vorsitzende Hans-Joachim Mau (CDU). (mz)