Zwangsarbeiter in Wolfen Zwangsarbeiter in Wolfen: Tochter sucht nach geheimnisvoller Frau

Bitterfeld-Wolfen/Vierzon - Ein Brief erreichte Dietmar Mengel. Ein Brief aus Frankreich. Für den Vorsitzenden des Städtepartnerschaftsvereins eigentlich nichts Besonderes. Er bekommt öfter Post. Aber bisher keine wie diese. Der Absender - ein alter Bekannter: Hugues Dallois aus Vierzon. Der kümmerte sich einst als Dolmetscher um die deutsche Delegation. Als Dolmetscher sieht er sich auch heute. Nur geht es in diesem speziellen Fall nicht um die Gegenwart, sondern um die Vergangenheit und einen ganz besonderen Auftrag in Familienangelegenheiten von Annie Guiberteau, geb. Quintard. Ihr Auftrag führt nach Wolfen in die 1940er Jahre.
„Mein Vater, Omer Quintard, geboren am 27. Oktober 1921, gestorben 2001, kam 1942 als Zwangsarbeiter nach Bitterfeld und war in der Farbenfabrik Wolfen bis 1945 beschäftigt“, schreibt Annie Guiberteau. Er sei einer von 68 Franzosen gewesen, die den Ort verlassen mussten - im Rahmen des deutsch-französischen Abkommens. Das legte fest: Es werde ein französischer Kriegsgefangener entlassen, wenn drei Landsleute zur Zwangsarbeit nach Deutschland reisen. Nur zwölf von diesen 68 sollten ihre Heimat wiedersehen. Vollkommen abgemagert seien sie von den Amerikanern befreit worden, berichtet Quintards Tochter.
Wo Annie Guiberteau auf die Frau stieß und was ihr weiterer Plan ist, lesen Sie auf Seite 2.
Nach seiner Rückkehr aus Deutschland galt Omer Quintards berufliche Zukunft der Bahn. Er fing ganz unten als Feger am Saint Lazare Bahnhof in Paris an, promovierte und wurde zuständig für Gleise und Gebäude für den Bahnbezirk von Niort (Deux servres – 79). 1977 wurde er mit 56 Jahren Rentner, war als Gewerkschaftler aktiv. 1981 trat er dem Verein der Zwangsarbeiter bei und kämpfte für deren Anerkennung als Opfer. Omer Quintard „war ein guter Ehemann. Er bleibt für mich und meine Schwester ein liebvoller Vater“, schreibt Tochter Annie. „Aber er war streng und blieb immer von der deutschen Lebensordnung tief beeindruckt.“
Unter den Fotos, die Tochter Annie nach dem Tod ihres Vaters sichtete, fand sich das Bildnis einer geheimnisvollen jungen Dame. Wer sie wohl war oder vielleicht noch ist, fragt die Französin.
Ende der Woche reist eine Delegation zur Partnerstadt nach Vierzon. Auch Dietmar Mengel ist dabei. Er wird Annie Guiberteau in Frankreich treffen, sie über die aktuellen Recherchen in Sachen Familienangelegenheiten informieren. Mengel ist gespannt. Und er weiß, das Treffen wird nicht das letzte sein. Denn Quintards Tochter hat einen Plan: Bitterfeld-Wolfen, den Ort der Kriegsgefangenschaft ihres Vaters, kennenzulernen.
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