Tourismus Tourismus: Vineta sticht in See

bitterfeld/MZ - „Halt, wir fahren doch noch mit“, ruft Annegret Henze dem Matrosen René Gleffe zu, der gerade den Landesteg einziehen will. „Nehmen Sie sich Zeit“, meint er freundlich. „Auf zwei Minuten kommt es nicht an.“ Dann wird der Anker gelichtet - die „MS Vineta“ geht auf ihre erste große Fahrt in diesem Jahr. Zu Ostern ist das Fahrgastschiff in die Saison gestartet. Und gab damit einen - wenn auch noch eher theoretischen - Vorgeschmack auf die ersehnte warme Jahreszeit.
Kapitän Hartmut Dornheim begrüßt die Passagiere über Lautsprecher; mit sechs Knoten, das sind rund zwölf Stundenkilometer, nimmt die Vineta schließlich Fahrt auf.
Eigentlich wollten Henzes nur an der Bernsteinpromenade spazieren gehen. Den spontanen Entschluss bereuen sie aber nicht: Sie haben bei Kaffee und Kuchen nicht nur einen Platz in der ersten Reihe erwischt, sondern unter Deck ist es auch mollig warm. Die Stimmung: trotz Schneetreibens ausgesprochen fröhlich. Dafür sorgt nicht zuletzt eine lustige Truppe im Vorschiff. „Es ist in unserer Familie seit ein paar Jahren Tradition, dass wir uns wenigstens einmal im Jahr alle treffen“, erzählt Erika Kallweit, die der Arbeit wegen jetzt in der Nähe von München lebt. „Wir sind froh, dass Renate wieder alles so schön organisiert hat - auch die Fahrt mit dem Schiff“, sagt die Wahl-Münchenerin und meint damit ihre Cousine Renate Johannes aus Wolfen. „Wir Auswärtigen“, so Kallweit, „schlafen heute alle bei unserem Schwager - vielleicht aber auch nicht“, setzt sie lachend hinzu. „Denn wenn in unserer Familie gefeiert wird, ist oft erst dann Schluss, wenn der Hahn kräht.“
Und dafür ist eine Fahrt mit der „MS Vineta“ ein guter Auftakt. Seit 2006 schippert Kapitän Dornheim über den Goitzschesee. Mehr als 1 800 Fahrten kamen in den Jahren zusammen. Langweilig wird es nie: Denn der Blick vom Wasser aufs Land ist für viele etwas völlig Neues. Auf dem 1962 gebauten Schiff können Paare seit einigen Jahren auch heiraten. Insgesamt 30 000 Passagiere sind 2012 mit der „MS Vineta“ in See gestochen. Die Tour führt unter anderem an der Bitterfelder Wasserfront, der Halbinsel Pouch mit den Landschaftskunstwerken und dem Roten Turm in Pouch vorbei.
Immer wieder zum Staunen bringt Gäste die Geschichte der Goitzsche, die Kapitän Dornheim über Lautsprecher nahe bringt: Durch den Tagebau einst in eine Mondlandschaft verwandelt, ist mittlerweile ein umfassendes Erholungs- und Naturschutzgebiet mit einer fast 25 Quadratkilometer großen Wasserfläche entstanden. Allerdings, hebt er hervor, mussten dafür die Orte Niemegk und Döbern weichen. Doch bei der Rundfahrt wird deutlich, dass die Natur dabei ist, sich ihr Terrain Stück für Stück zurückzuerobern.
Inzwischen hat die „Vineta“ die noch sehr jungfräulich daliegende Marina passiert. Pia Thyrolf und Marion Schröter vom Service-Team können die erste Fahrt des Schiffes entspannt angehen, weil 32 statt 200 Passagiere Bord sind. „Zum Einarbeiten genau richtig“, meinen beide lächelnd.
Nach rund 70 Minuten der anderthalbstündigen Fahrt rücken der Bitterfelder Bogen ins Blickfeld, der Stadthafen und die dort neu entstandenen Häuser. Wie im Fluge vergeht die Zeit, und dann ist auch schon wieder die Promenade an der Bernsteinvilla erreicht, wo wieder neue Gäste warten.
Es ist ein guter Start in die Saison - auch wenn der Schnee noch nicht allumfassende Frühlingsgefühle aufkommen lässt. Für die „MS Vineta“ beginnt nun mit voller Kraft voraus eine Saison mit tausenden Gästen. Bis in den November hinein können Touristen und Einheimische bei einer Fahrt zu Wasser den Blick schweifen und die Seele im Sonnenschein baumeln lassen.


