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Mit Herz und Drohne unterwegs Sichtung aus der Luft - So lief das erste Jahr für die Rehkitzretter aus Zörbig

Um Wildtiere vor Agrarmaschinen zu retten, gründete Rebecca Hübsch 2021 einen neuen Verein. Welche Bilanz zieht sie nach dem ersten Jahr?

Von Robert Martin Aktualisiert: 29.11.2021, 11:35
Ein Rehkitz wurde von den Freiwilligen gesichert und wird später mit seiner Mutter vereint. Der Verein konnte 2021 weitere 18 Rehkitze retten.
Ein Rehkitz wurde von den Freiwilligen gesichert und wird später mit seiner Mutter vereint. Der Verein konnte 2021 weitere 18 Rehkitze retten. Foto: R. Hübsch

Zörbig/MZ - Jedes Jahr sterben in Deutschland viele Rehkitze durch die Mähwerke der großen Agrarmaschinen der Landwirtschaftsbetriebe, auch in der Region ist das nicht anders. Seit diesem Jahr gibt es allerdings eine Gruppe von Ehrenamtlichen, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Kitze zu retten: Der Zörbiger Tierschutzverein. Wie blicken die Mitglieder auf das erste Jahr zurück und was erhoffen sie sich für die Zukunft?

Kleine Rehkitze sind ohne Geruch und Fluchtreflex

Es begann mit einer Idee. Als sie im vergangenen Winter in Elternzeit war und „zu viel Zeit“ hatte, überlegte sich Rebecca Hübsch, wie sie sich für Tier- und Umweltschutz einbringen könne. Etablierte Tierschutzvereine betreiben oft verwaltungs- und kostenintensive Tierheime und haben keine Kapazitäten für Aktionen außerhalb ihres Arbeitsfeldes. Dazu zählt die Wildtierrettung, für die sie sich interessierte.

Also musste ein neuer Verein her. Nachdem Rebecca Hübsch die Satzung geschrieben hatte, gründete sich der Tierschutzverein Zörbig Ende März. Wenige Wochen später erfuhren die Ehrenamtlichen über eine lokale Facebook-Gruppe, dass auf einer Wiese bei Thalheim ein Rehkitz entdeckt wurde. Die erste Aktion wurde geplant. Über die Gruppe kamen in kurzer Zeit 30 Freiwillige zusammen. Nach Rücksprache mit dem verantwortlichen Jäger, dessen Erlaubnis sie bei jedem Einsatz benötigen, machte sich die Gruppe in den Morgenstunden auf, das Feld zu durchsuchen und das Kitz zu retten. Denn die Wiesenmahd stand kurz bevor, das Gras war bereits hüfthoch.

Rebecca Hübsch, Lena Anton und Anja Gulitz (v.l.) freuen sich über die Wärmebilddrohne, mit der sie deutlich bessere Ergebnisse erzielen können.
Rebecca Hübsch, Lena Anton und Anja Gulitz (v.l.) freuen sich über die Wärmebilddrohne, mit der sie deutlich bessere Ergebnisse erzielen können.
Foto: R. Martin

Während die Ricke vor den Maschinen flüchtet, verharrt das Kitz am Ort, denn es hat keinen Fluchtreflex und in den ersten Wochen auch keinen Eigengeruch, damit es nicht von Fressfeinden entdeckt werden kann. Mit einer Menschenkette durchsuchten die Helfer die Wiese und sie konnten das Kitz retten, indem sie es in einem umgedrehten Wäschekorb am Wiesenrand sichern und zum Ende der Mahd wieder in die Nähe des Fundorts bewegen, wo es seine Mutter später wieder entdecken kann. Auf diese Weise konnten sie in den nächsten Monaten viele weitere Kitze retten, wenn auch nicht alle.

Eines wurde auch schnell klar: Diese Art der Rehkitzrettung ist aufwendig, benötigt viele Teilnehmer und ist nicht besonders effektiv. Die Lösung: eine Drohne mit Wärmebildkamera. Ein solches Gerät besitzt der Verein nun, die 6.300 Euro für die Anschaffung kamen aus Fördermitteln. Dank der Drohne kann ein Feld von den ausgebildeten Piloten des Vereins aus luftiger Höhe überflogen werden. Die kleinen Rehe sind dann klar als roter Punkt auf der Wiese zu sehen. Dass nun nicht mehr 30 Leute über die Wiese marschieren, hilft auch dem Landwirt, erklärt Rebecca Hübsch. „Das sichert die Qualität des Grases“, sagt sie.

Verein wünscht sich noch mehr Unterstützung

Zum ersten Mal von der Arbeit des Vereins hörte der Landwirt Johannes Feuerborn bei der Sitzung des Landwirtschafts- und Umweltausschusses des Landkreises Mitte November, bei dem der Verein seine Arbeit vorstellte. „Ich war überrascht, dass es Menschen gibt, die Rehe retten“, sagt er. „Ich finde, dass Landwirte das unterstützen sollten.“

Ihm geht es dabei um das Tierwohl, aber auch um ganz praktische Gründe. Denn wenn Rehkitze übersehen werden, landen sie unter Umständen im Futter für das Vieh, das wiederum kann zu Krankheiten führen. Feuerborn könne sich Unterstützung in Form einer Pauschale pro Fläche vorstellen, wie er sagt.

Im vergangenen Sommer waren freiwillige Helfer  auf vielen Wiesen in der Region auf der Suche nach Rehkitzen unterwegs, hier bei Wadendorf .
Im vergangenen Sommer waren freiwillige Helfer auf vielen Wiesen in der Region auf der Suche nach Rehkitzen unterwegs, hier bei Wadendorf .
Foto: A. Kehrer

Zu Jahresbeginn sei ein Treffen mit dem Bauernverband Anhalt geplant, zu dem Johannes Feuerborn den Kontakt hergestellt habe, wie Rebecca Hübsch bestätigt. Dort solle besprochen werden, wie Landwirte die Arbeit des Vereins unterstützen können.

Rebecca Hübsch zieht ein positives Fazit nach der ersten Saison. 19 Rehkitze konnten gerettet werden. Sechs wurden nachweislich übersehen. Damit das in Zukunft nicht mehr passiert, will der Verein eine weitere Ortsgruppe mit einer zweiten Drohne ins Leben rufen. So können ein größeres Gebiet abgedeckt und mehr Kitze gerettet werden. Die überzeugte Tierschützerin freut sich über den guten Start des Vereins. „Dass es so schnell zum Selbstläufer geworden ist, ist toll. Ich bin erstaunt, dass wir so viel Zuspruch von Bürgern bekommen haben.“ Dass es noch viel Raum nach oben gibt, weiß Rebecca Hübsch auch. „Wir hoffen, dass wir noch mehr Leute gewinnen“, sagt sie.

Wer die Arbeit des Vereins unterstützen oder sich einbringen möchte, findet unter www.tierschutzverein-zoerbig.de weitere Informationen.