Islamist aus Friedersdorf Islamist aus Friedersdorf: Behörden lassen Gefährder in den Sudan ausreisen

Magdeburg - Sachsen-Anhalts berüchtigtster islamistischer Gefährder, der 19-jährige Syrer Ayman N., ist in den Sudan ausgereist. Das bestätigten Landeskriminalamt (LKA) und Generalstaatsanwaltschaft der MZ am Freitag. Der Terrorverdächtige lebte bisher in Friedersdorf (Anhalt-Bitterfeld), wurde permanent von Polizeikräften bewacht und trug eine elektronische Fußfessel.
Die Überwachungsmaßnahmen hatten sich nach MZ-Informationen bisher auf rund fünf Millionen Euro summiert. Gegen den Gefährder läuft aktuell ein Verfahren am Kammergericht Berlin, weitere Ermittlungen führt die Generalstaatsanwaltschaft Naumburg.
N. soll bereits ab 2015 als Jugendlicher in Deutschland Kontakt zu Gleichgesinnten gesucht haben. Er gilt den Behörden als IS-Sympathisant. Im laufenden Terrorverfahren in Berlin geht es unter anderem darum, dass er sich den Bauplan eines AK47-Sturmgewehrs zusenden ließ.
Sachsen-Anhalt: 19-jähriger IS-Sympathisant verlässt das Land freiwillig
Er soll sich auch über den Bau von Sprengstoffgürteln erkundigt haben. Bis heute sind die Ermittlungen gegen N. immer weiter ausgebaut worden. Erst im Juni 2020 hatte es eine erneute Razzia gegeben, bestätigte Klaus Tewes, Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft in Naumburg, der MZ am Freitag. „Es geht da möglicherweise um schwerere Straftaten.“
Hinter den Kulissen wird in Sachsen-Anhalts Sicherheitsbehörden aufgeatmet, dass N. in dieser Woche freiwillig das Land verlassen hat. „Wir haben uns einverstanden erklärt“, sagte Tewes für die Generalstaatsanwaltschaft. So sehen es nach MZ-Informationen auch die Experten im LKA. Laut Behörden genießt der Mann Reisefreiheit. Ayman N. reiste über die Türkei in den Sudan. Der deutsche Staat zahlte nach MZ-Informationen für Ticket und Visum. Die Ausreise des Gefährders wurde bundesweit durch Sicherheitsbehörden koordiniert. In Fällen wie diesen erhalten Ausreisende in der Regel eine Einreisesperre. Es ist nicht der erste Fall, in dem deutsche Behörden entsprechend verfahren.
Sachsen-Anhalts Strafverfolger rechnen zudem im laufenden Kammergerichtsverfahren offenkundig nicht mit einer hohen Strafe, da der Islamist zum Zeitpunkt der angeklagten Taten noch Jugendlicher war. Die konkreten Tatvorwürfe gegen ihn reichten aktuell nicht einmal für einen Haftbefehl. Über die freiwillige Ausreise in den Sudan hatte zuerst die Volksstimme berichtet.
Gefährder Ayman N.: Vorwürfe reichten nicht für Haftbefehl
Erledigt sind die Verfahren gegen N. mit der Ausreise aber nicht. „Wir werden die neuen Ermittlungen weiterbetreiben, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche“, sagte Tewes. Denkbar ist eine erneute Anklage gegen Ayman N. und ein neuer Haftbefehl. Bei einer erneuten Einreise würden Behörden den Islamisten dann in Gewahrsam nehmen.
Innenpolitiker in Sachsen-Anhalt begrüßten die Ausreise weitgehend. „Ich finde das absolut richtig“, sagte der SPD-Abgeordnete Rüdiger Erben. Die Genehmigung der Ausreise sei eine Abwägungsfrage gewesen. „Die Ermittler mühen sich seit Jahren mit diesem Fall ab – am Ende droht aber vor Gericht ein böses Erwachen und der Mann ist sofort wieder frei.“ Es sei besser für die Sicherheit der Bundesrepublik, wenn sich dieser Gefährder in „größtmöglicher Entfernung“ befinde. CDU-Innenpolitiker Chris Schulenburg sagte zum Fall N.: „Wir wünschen eine gute Reise und hoffen auf kein Wiedersehen!“
Der Grünen-Innenpolitiker Sebastian Striegel sprach von einer „schwierigen Abwägungsentscheidung“ für die Behörden: „Dass der Strafanspruch des Staates hier zugunsten einer Verbesserung der Sicherheitslage zurückgestellt wurde, ist nachvollziehbar. Klar ist aber auch: Der Verfolgungsdruck auf die gewaltbereite islamistische Szene muss hoch bleiben, die Behörden müssen dafür noch intensiver zusammenarbeiten.“ Auch Linken-Fraktionsvize Eva von Angern bezeichnete das Vorgehen der Behörden als nachvollziehbar – schließlich hätten auch andere Verdächtige in Strafverfahren das Recht, zu reisen.
Anders sieht es AfD-Fraktionschef Oliver Kirchner. Der Staat hätte bis zu einem Gerichtsurteil warten sollen, „so dass der Mann auch seine Strafe absitzt“. Kirchner kritisierte die hohen Kosten der Gefährder-Überwachung. Er forderte eine „Sicherungsverwahrung“ für islamistische Gefährder, denen schwere Straftaten zugetraut werden. „Dafür müsste man vielleicht auch das Gesetz ändern“, so Kirchner. (mz)