Hochwasser an der Mulde Hochwasser an der Mulde: Flut hat den Landwirten enorm zugesetzt

Möst/MZ - Schwäne schwimmen gemächlich auf der Fläche neben dem Muldedeich bei Möst, die eigentlich ein Feld ist. Jetzt ist sie ein großer See. Seit der Flut steht damit ein Großteil des Getreides, das Landwirt Bernhard Lauts und das die Agrargesellschaft Schierau hier oben angebaut haben, nicht nur im, sondern unter Wasser. 100 bis 120 Hektar, schätzt Lauts, sind von seinen 380 Hektar Ackerfläche betroffen. Auf 50 Hektar rechnet er mit Totalausfall. Dort wird er dieses Jahr nichts ernten - weder die avisierten 1.000 Tonnen Mais noch die 320 Tonnen Weizen. Auf den Schlägen der Agrargesellschaft sieht es nicht besser aus. Rund 160 Hektar, meint er, seien da in Mitleidenschaft gezogen - einige auch total.
Der finanzielle Schaden ist noch nicht absehbar. Wie überall im Landkreis Anhalt-Bitterfeld. „Es ist noch zu früh, hier Zahlen nennen zu können“, sagt Olaf Feuerborn, Vorstandsvorsitzender des Bauernverbandes „Anhalt“. Er weiß nur eins: Der Schaden, den allein das Hochwasser 2013 hinterlässt, wird weit in die Millionen gehen. „Nach den Dammbrüchen sind immer noch Felder unter Wasser. In den Senken bleibt Rückstauwasser stehen. Erst wenn das weg ist, kann man das Ausmaß der Schäden erkennen.“
Bei Lauts kann man das schon. Was nicht mehr überflutet ist, hat eine graubraune Schlammkruste. Doch auch vieles von dem, was jetzt satt grün scheint, ist hin. Denn auch dort stehen Pflanzen im Wasser, man sieht es nur nicht sofort. Der Landwirt, der Anfang der 90-er Jahre von der Nordsee kam, um den Familienhof in Möst wieder zu übernehmen, reißt hinter dem so genannten Sommerdeich ein Büschel Korn aus der Erde. Noch immer drückt hier das Wasser durch den Damm. Der Klumpen um die Wurzel ist klatschnass - die Pflanzen ertrinken und ersticken. Lauts puhlt in einer Ähre, in die ist auch Wasser gelaufen. „Die Infektionsbedingungen für die Pflanzen sind jetzt ideal. Und wir können nichts machen. Bei dem Boden mit Maschinen auf die Felder - das wird nichts.“
Auch als Viehfutter lässt sich das Getreide nicht mehr nutzen. „Wir müssen auch auf sauberes, qualitätsgerechtes Futter für die Tiere achten“, so der Landwirt. Für die Agrargesellschaft wirkt sich das doppelt schlimm aus, denn dort fehlt damit auch das Stroh, das für die 350-köpfige Milchkuhherde gebraucht wird.
Über eine ganze Woche musste die Arbeit der Landwirte hier in der Schierauer Ecke und auch anderswo jetzt liegenbleiben. Dabei sah es bis dahin gut aus auf den Schlägen. Nach dem langen Winter hatte die Natur alles aufgeholt, was sie aufzuholen hatte. Die Leute waren froh, alles wieder im Lot zu wissen. Sie wären einer guten Ernte entgegengegangen, ist der Landwirt überzeugt. Nun das . . .
Bernhard Lauts steigt in seinen Geländewagen und fährt zum neuen Deich. Schick sieht der aus und gehalten hat er auch, was er versprach. Doch sieht Lauts, der Mann von der Nordsee, mehr als jemand vom flachen Land. „Diese Grasmischung hat hier nichts verloren. Die schafft keine feste Narbe“, sagt er und nimmt die durchaus dekorativen, langstieligen Pflanzen in die Hand. Und: „Auf den Deich gehören Schafe, die das Gras niedrig halten und den Damm verdichten.“ Hier indes steht das Gras hoch, eine Sickerstelle ist so natürlich schwer zu erkennen. „Das würde an der Nordsee nie passieren“, meint er. „Dort setzt man andere Prioritäten, dort kommt der Hochwasser- vor dem Naturschutz. Ich denke, die Politik sollte mehr auf Leute hören, die Erfahrung haben. Wir leben nunmal mit und von der Natur.“ Auch die Erweiterung der Polder ist so ein Thema. Doch was wird aus den Landwirtschaftsbetrieben, deren Flächen dann gebraucht würden? Alles das sind Fragen, auf die die Politiker bislang keine Antworten finden.
Bernhard Lauts, zugleich Ortsbürgermeister von Schierau, hat turbulente Tage hinter sich. Niesau ist noch immer vom Wasser eingeschlossen. „Der Mensch ist ganz schön leistungsfähig, wenn er unter Strom steht“, meint er und lacht kurz, „das habe ich jetzt gemerkt.“
Er steht auf dem Deich und blinzelt gegen die Sonne zum Altdeich hinüber, der sichtbar tiefer ist als der neue. Ende Juli/Anfang August sollte der Deichbau hier fortgesetzt, die Lücke geschlossen werden. Er zeigt auf das Stück, das den Schierauern, Möstern und Niesauern jetzt das Leben schwer gemacht hat. „Wir haben den Lückenschluss immer und immer wieder gefordert. Man hätte hier nochmal einen Kredit aufnehmen müssen“, sagt er. „Jetzt wird es letztlich teurer als vorher.“
Bernhard Lauts und seine Familie leben gern in dem kleinen Örtchen Möst. Sie sind hier verwurzelt. An die zwei Millionen Euro haben die Lauts, seit sie Möster sind, in ihren Landwirtschaftsbetrieb investiert. Eine stattliche Summe. Dennoch, sagt der Chef, gibt es weiter viel zu tun. Er zeigt in die Runde: am Haus, an dem großen Hof. Und eigentlich wollte er hier schon viel weiter sein mit allem. Doch jetzt ist wie schon vor elf Jahren die Rücklage wieder fast weg.

