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Nach heftiger Diskussion Ersatz für Nazi-Glocke: Versöhnungsglocke ist bei Kirchgemeinde in Gossa eingetroffen

Zwei Glocken sind in Gossa angekommen. Eine davon ersetzt das Modell aus dem Jahr 1934. Die darauf zu findende Nazisymbolik hatte zu Diskussionen geführt.

Von Ulf Rostalsky 05.12.2021, 09:00
Die neuen Glocken stehen für Versöhung. Bis sie aufgehängt werden können, wird allerdings noch einige Zeit vergehen. Sie sind zwischengelagert.
Die neuen Glocken stehen für Versöhung. Bis sie aufgehängt werden können, wird allerdings noch einige Zeit vergehen. Sie sind zwischengelagert. (Foto: Kehrer)

Gossa/MZ - Die evangelische Kirchengemeinde in Gossa hat eine weitere Etappe auf dem Weg zur Versöhnung zurückgelegt. Zwei neue Bronzeglocken wurden jetzt von Pfarrer Albrecht Henning und den Kirchengemeindemitgliedern Thomas Born und Volker Dietrich aus der Glockengießerei Bachert in Neunkirchen bei Heidelberg in die Heide geholt.

„Alles ist heil angekommen“, sagt der Pfarrer über den Transport, der im mehrfachen Sinne ein Schwertransport war. Zunächst geht es ums Gewicht. Beide Glocken bringen in Summe fast 600 Kilogramm auf die Waage. Dann geht es um einen finanziellen Kraftakt. Der Guss der beiden Glocken kostet die Gemeinde in Summe gut 25.000 Euro. Vor allen Dingen hat der Neuguss der Glocken aber auch eine Botschaft.

Der Neuguss wurde auch in Gossa nicht durchweg begrüßt

Die Gemeinde hatte entschieden, eine 1934 gegossene und mit reichlich Nazisymbolik versehene Glocke nicht mehr zu läuten und als Ersatz die Versöhnungsglocke gießen zu lassen. Sie zog damit nicht zuletzt die Konsequenzen aus der Klage einer Privatperson gegen die Landeskirche und die daraufhin entfachten Diskussionen unter den Christen. Es ging um das Verwenden von verbotenen Symbolen, den Umgang mit Geschichte überhaupt.

Der heilige Christophorus ziert die kleine Glocke.
Der heilige Christophorus ziert die kleine Glocke.
(Foto: André Kehrer)

Der Neuguss wurde auch in Gossa nicht durchweg begrüßt - weil zum Beispiel die Symbole an der betroffenen Glocke von keinem Besucher gesehen werden können und sich an ihrem Klang selbst zu DDR-Zeiten niemand störte. Die neuen Glocken allerdings begeistern. „Ich bin einfach überwältigt und beglückt. Ein besonderer Moment“, sagt Albrecht Henning, blickt er zurück auf den Augenblick, in dem er die Versöhnungsglocke und ihre kleinere Schwester in der Gießerei zum ersten Mal im vollen Glanz zu Gesicht bekam.

„Wir haben noch einen langen Weg vor uns“

Die Versöhnungsglocke hat einen Durchmesser von einem Meter, ist 450 Kilogramm schwer und unter anderem mit dem Wort Schalom, hebräisch für Frieden, verziert. Die kleinere der neuen Gossaer Glocken wiegt 160 Kilogramm und misst 65 Zentimeter im Durchmesser. Zusammen mit der in Gossa vorhandenen Glocke aus dem 14. Jahrhundert soll sie für einen neuen Dreiklang in der Heide sorgen. Wann das sein soll, ist allerdings offen.

„Wir haben noch einen langen Weg vor uns“, sagt Albrecht Henning. Die neuen Glocken sind zwar von Christopher Schulz, dem Glockensachverständigen der Landeskirche abgenommen und nun auch aus der Gießerei abgeholt worden. „Sie sind aber erst einmal in einem Privatgrundstück zwischengelagert“, erklärt der Pfarrer.

Die Kirchengemeinde muss nun eine weitere Mammutaufgabe erledigen

Die Kirchengemeinde muss nun eine weitere Mammutaufgabe erledigen. Bevor die drei Glocken in der Christophoruskirche hängen können, muss der Glockenstuhl erneuert werden. Die Planungen dafür laufen. Erste Kostenschätzungen liegen vor. Von bis zu 100.000 Euro Aufwand ist die Rede. Geld, das die Gemeinde nicht auf der hohen Kante hat. „Wir sind für jede Spende dankbar“, erklärt Albrecht Henning und setzt außerdem auf die Unterstützung von Landeskirche und Kirchenkreis. Vor allen Dingen freut er sich aber auf den Moment, wenn die beiden neuen Glocken erstmals angeschlagen werden. „Bis dahin wird die älteste Glocke noch viel Arbeit tun müssen.“