Ein Mann will heim Ein Mann will heim: Zurück zu den Wurzeln
Bad Schmiedeberg/MZ. - Nun ist er also zurück. Mit seiner zweiten Frau Inge, einer gebürtigen Westfälin, sitzt er vor dem Café "Piano", trinkt Kaffee, raucht und genießt die Aussicht auf die makellose Anlage des Eisenmoorbades. Sein Großvater Friedrich Barche, erzählt er, war 1898 der erste Masseur und Bademeister des Kurortes. Es gab noch andere An-Verwandte, die Spuren in der Stadt hinterlassen haben. Sie liegen heute alle auf dem Friedhof, und den besucht Barche oft. Zehn Grabsteine mit seinem Familiennamen hat er gezählt. Und ein elfter könnte, wenn es das Schicksal schlecht meint, bald hinzukommen. Sein eigener. Rainer Barche, 63 Jahre alt, ist todkrank. Noch lebt er im westfälischen Löhne, doch bereitet er seine Rückkehr nach Bad Schmiedeberg vor. "Meinen letzten Weg", nennt er das und erklärt: "Ich möchte zu meinen Anfängen zurückgehen."
Wenn Barche, dem man die Folgen seiner zahlreichen Krebsleiden nicht ansieht - aber wie sagte schon Goethe: Man sieht nur das, was man weiß -, wenn also Rainer Barche solche Sätze ausspricht, dann kann es passieren, dass sich Gattin Inge verstohlen eine Träne aus dem Gesicht wischt. Sie hat goldblonde Haare und sehr freundliche Augen. Minutenlang lässt sie die auf ihrem Mann ruhen und sagt, als sie ihn beschreiben soll, dass er intelligent und nicht nachtragend ist, lieber gibt als nimmt und auch, dass er sie immer noch überraschen kann.
Auch der Vorschlag, die Zelte in Löhne abzubrechen und "in die Oberstadt von Schmiedeberg" zu ziehen, dürfte eine kleine, am Ende aber positive Überraschung gewesen sein. "Ich war schon oft mit hier, und ich mag die Menschen, sie sind so freundlich", sagt Inge Barche. Was jedoch vor allem ins Gewicht fiel, war die wundersame Verwandlung, die mit ihrem Mann vor sich gegangen sei, als er im Juni allein im Kurort gewesen ist. "Es ging mir auf einmal viel besser. Ich brauchte plötzlich weniger Medikamente, sogar Fahrrad fahren kann ich wieder, ohne dass mir die Luft wegbleibt", beschreibt Barche die Veränderungen. Er war nur eine Woche in der Heimat, aber als er danach die Wohnung in Löhne betrat, da habe seine Frau ihn gefragt, wie er aussieht. Und wie sah er aus? "Braun, vital, wie ausgewechselt. Ein anderer Rainer."
Ein Anderer dürfte er auch für die Bad Schmiedeberger geworden sein. Die Jungen kennen ihn nicht. Aber von den einstigen Weggefährten, da ist Barche sich sicher, muss es noch einige geben. Er möchte sie wiedersehen, ein Klassentreffen schwebt ihm vor. Und in einem Brief an die MZ hat er geschrieben, was er seinen alten Schulkameraden vielleicht auch zeigen will: "Ich bin kein Wessi, kein Ossi, ich bin ein Bad Schmiedeberger Junge." Der "kleene" Barche eben.