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Lichtblick in dunkler Zeit Das große Netz der Hilfe: In Krina kümmern sich 60 Freiwillige um Kriegsflüchtlinge

Mehr als 20 Frauen und Kinder aus der Ukraine sind im Heidedorf angekommen. Wie sie unkompliziert aufgenommen und unterstützt werden.

Von Ulf Rostalsky Aktualisiert: 21.03.2022, 14:01
Maike Schramm gehört zu den vielen freiwilligen Helfern in Krina. Die angehende Grundschullehrerin hat einen Schnellkurs in Deutsch erarbeitet.
Maike Schramm gehört zu den vielen freiwilligen Helfern in Krina. Die angehende Grundschullehrerin hat einen Schnellkurs in Deutsch erarbeitet. Foto: André Kehrer

Krina/MZ - Vor der Klasse stehen und unterrichten: Für Maike Schramm ist das der Traumjob. Dafür legt sie sich ins Zeug und büffelt. In wenigen Wochen will sie ihr Examen ablegen, um irgendwann als Grundschullehrerin arbeiten zu können. Wissen vermittelt sie aber schon heute: freiwillig, unentgeltlich und nach ganz eigenem Plan.

„Sie ist unsere Lehrerin“, sagt Maria Oliinyk. Auch Marina Mishra zollt der jungen Frau Respekt. Egal, ob die bereits einen Abschluss in der Tasche hat oder nicht. Maike Schramm hilft Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine dabei, sich zurechtzufinden in einer fremden Welt. Oliinyk und Mishra sind mit 20 anderen Frauen und Kindern in Krina angekommen und halten mit Worten des Dankes nicht hinter dem Berg.

Marina Mishra (l.) und Maria Oliinyk sind zwei der geflüchteten Ukrainerinnen.
Marina Mishra (l.) und Maria Oliinyk sind zwei der geflüchteten Ukrainerinnen.
Foto: André Kehrer

Das Trauma Krieg verbindet: Nie zuvor fanden so viele Krinaer zueinander

„Vielen Dank, dass Sie sich so gut um uns gekümmert haben“, hat Maria Oliinyk in einen Chat geschrieben, der deutlich mehr als ein Nachrichtenkanal ist. Er zeigt, dass in Krina vor dem Hintergrund des Krieges ganz besondere Dinge geschehen sind. Im Heidedorf haben Bewohner ein großes Netz der Hilfe aufgespannt. „Krina hilft“ ist spontan entstanden und zählt momentan 60 Mitglieder. „Das hat es hier bisher noch nicht gegeben“, sagt Pfarrer Albrecht Henning, selbst ein Helfer.

Zunächst ging es auch in der Heide um Sachspenden, Geld. Anonym. Dann wurde der Krieg greifbar. Die Anfrage einer Leipziger Filmproduktionsfirma machte die Runde. Ob man nicht Flüchtlinge aufnehmen könne - einen ganzen Bus voll? „Warum nicht. Gerade in schlechten Zeiten musst du Gutes tun. Hat schon meine Oma immer erzählt“, sagt Jens Mahler. Er hat zwei Ferienwohnungen zur Verfügung gestellt. „Da musst du doch was machen. Die Frauen haben ihr Zuhause verlassen müssen, wissen nicht, was mit ihren Männern ist“, fügt Anja Sedlmayer hinzu. Auch in einer ihrer Ferienwohnungen sind Ukrainer untergebracht. Aber was kommt dann? Wie kommen die Flüchtlinge zu Ämtern, zum Arzt, zum Einkaufen? Und wie gelingt es, sie wenigstens zeitweise vom Grübeln über den russischen Angriff auf die Heimat abzuhalten?

Ablenkung im Klassenraum: Mit Bingo zu Deutsch-Kenntnissen

In Krina haben sie die Lösung gefunden. Man sorgt für Ablenkung. Maike Schramm bringt spielerisch Grundlagen der deutschen Sprache bei. Zahlenbingo. Es wird gelacht - im „Klassenraum“ im Pfarrhaus, bei Kremserfahrten, Spaziergängen. Ablenkung ist nötig. „Ich bin froh, hier zu sein. Unser Haus ist zerstört“, erzählt Marina Mishra. Dennoch will sie zurück nach Charkiw. Schnell. Heimat ist Heimat.

Selbst erarbeitete Vorlagen helfen beim Lernen der deutschen Sprache.
Selbst erarbeitete Vorlagen helfen beim Lernen der deutschen Sprache.
Foto: André Kehrer

Im Chat von „Krina hilft“ geht es hoch her. Von Vorteil ist der Übersetzer aus dem Internet. Man versteht sich, auch wenn man die Sprache des Gegenüber nicht beherrscht. Mal geht es um einen platten Fahrradreifen, dann um eine Schnupperstunde im Sportverein oder die Fahrt zu den Behörden. Auf jede Anfrage meldet sich schnell ein Helfer. „Ich sage es immer wieder. Ich bin überwältigt davon“, erklärt Pfarrer Albrecht Henning, während Maike Schramm die nächste Lerneinheit beginnt. Tage, Zahlen, Begrüßung: Deutsch, Englisch, Ukrainisch. Auf Papier und über Beamer finden sich die Vokabeln. Unkompliziert geht es zu. Das kommt an.

Chat als Bindeglied: Flüchtlinge und Heide-Bewohner im steten Austausch

Anja Sedlmayer denkt weiter. Warum nicht mal ukrainische Kinder mit in den Kindergarten schicken? „Sie können dann mit anderen Kindern spielen. Und die Mütter haben mal Freiraum.“ In Krina gehen die Ideen momentan nicht aus. Das kommt an: bei den Betroffenen und auch bei Bürgermeister Ferid Giebler (parteilos). „Solches Engagement entlastet uns in der Verwaltung wesentlich. Wir können uns so zum Beispiel verstärkt um die Vorbereitung weiterer Wohnungen kümmern.“

Im Chat von „Krina hilft“ tauchen immer wieder Worte der Dankbarkeit auf.
Im Chat von „Krina hilft“ tauchen immer wieder Worte der Dankbarkeit auf.
Foto: André Kehrer