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Anhalt-Bitterfeld Anhalt-Bitterfeld: Kreis plant dritte Asylunterkunft

Von lisa garn 16.08.2015, 09:55
Landrat Uwe Schulze (2.v.r.) erklärt während der Pressekonferenz in Bitterfeld die aktuelle Lage.
Landrat Uwe Schulze (2.v.r.) erklärt während der Pressekonferenz in Bitterfeld die aktuelle Lage. michael maul Lizenz

Bitterfeld - Nach dem Schweigen nun die Offensive: Der Landkreis Anhalt-Bitterfeld will eine dritte Gemeinschaftsunterkunft für Asylsuchende schaffen. Das hat Landrat Uwe Schulze (CDU) nun offiziell bestätigt. Ausgelegt werden soll sie für maximal 200 Personen. Ziel ist, dass diese Unterkunft in etwa drei Monaten zur Verfügung steht. Als mögliches Objekt ist zwar weiterhin das Big Hotel in Wolfen im Gespräch, aber insgesamt lägen Angebote für 10 bis 15 Immobilien vor. „Es ist noch kein Vertrag abgeschlossen und auch nichts hinter verschlossenen Türen festgelegt“, so Schulze.

In Anhalt-Bitterfeld sind in den Gemeinschaftsunterkünften Friedersdorf und Marke 371 Menschen untergebracht. In 207 kommunalen und privaten Wohnungen leben 755 Flüchtlinge: Unter anderem in Bitterfeld sind 380 untergebracht, in Wolfen 45, in Sandersdorf 46, in Köthen 37, in Aken 31. Im Juni 2015 wurden dem Kreis 91 neue Flüchtlinge zugewiesen, im Juli 112. Für den August geht er von 183 aus, für die Folgemonate von etwa 230 monatlich.

Denn vor der Entscheidung sei eine Ausschreibung nötig. Die umfasst sowohl das Objekt selbst als auch die Betreibung. Verkürzt erklärt, stellt der Betreiber die Infrastruktur vor Ort im Komplettpaket und ist unter anderem für die Organisation der Abläufe und die Instandhaltung verantwortlich. Dafür zahlt der Kreis einen Tagessatz pro Platz. Nicht klar ist allerdings, in welchem Umfang möglicherweise Umbauten nötig sind. Insofern könnte eine neue Unterkunft auch erst im Januar bezugsfertig sein.

Anteil Asylsuchender: 0,67 Prozent

Dabei ist der Landkreis zur Eile gezwungen. Die Zahl der Zuweisungen von Asylsuchenden wird sich laut derzeitiger Prognose im Vergleich zu Ende 2014 verdreifachen. Wurden im vergangenen Jahr rund 600 neue Flüchtlinge zugewiesen, so geht der Kreis für dieses Jahr von insgesamt 1 800 Neu-Zuweisungen aus. „Aber das sind Schätzungen. Die Zahlen ändern sich alle zwei Wochen“, so die Ordnungsamtsleiterin Gabriele Adler. Derzeit leben rund 1 100 Asylsuchende in Anhalt-Bitterfeld, das sind rund 0,67 Prozent, gemessen an der Gesamtbevölkerung im Kreis.

Flüchtlinge werden nach dem Königsteiner Schlüssel, der Steuereinnahmen und Einwohnerzahl berücksichtigt und jedes Jahr neu berechnet wird, auf die Bundesländer verteilt. Für Deutschland: 2015 nimmt Nordrhein-Westfalen mit 21,2 Prozent die meisten Asylbewerber auf. Sachsen-Anhalt bekommt 2,9 Prozent zugeteilt. Im Bundesland selbst greift dann ein neuer Schlüssel. Nach diesem werden die Flüchtlinge von der Zentralen Anlaufstelle für Asylbewerber in Halberstadt aus auf die Landkreise und kreisfreien Städte verteilt. Anhalt-Bitterfeld nimmt 8,3 Prozent auf.

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Der Landkreis will zwar am Konzept der dezentralen Unterbringung in Wohnungen festhalten. „Aber wir kommen logistisch nicht hinterher“, so Schulze. Der Kreis bringt weiterhin in Wohnungen unter, doch das Angebot an geeignetem Raum dünnt aus. Hinzu kommt, dass offenbar die Bereitschaft von Vermietern nicht in allen Kommunen besteht. Als beispielgebend nannte die Ordnungsamtschefin Adler allerdings die Neue Bitterfelder Wohnungs- und Baugesellschaft, die den Kreis sehr gut unterstützt habe. „Aber weiter nördlich im Landkreis wird es dann zäher.“ Auch die Suche nach Objekten für eine Gemeinschaftsunterkunft - was Ausstattung, zügige Nutzbarkeit und Kosten angeht - gestaltet sich schwierig. Denn die sind laut Schulze eher im Altkreis Bitterfeld denn im Raum Köthen und Zerbst vorhanden.

Ungleiche Verteilung

Diese Faktoren bedingen auch eine ungleiche Verteilung von Asylsuchenden im Kreis. „Das wollen auch wir nicht. Aber wir sind nicht mehr in der Lage, dass wir uns das aussuchen können“, erklärte Schulze. So wurden bisher im Altkreis Bitterfeld die meisten Flüchtlinge aufgenommen. Dort bestehen die Gemeinschaftsunterkünfte in Marke (Raguhn-Jeßnitz) und Friedersdorf (Muldestausee). Mit 157 von 207 Wohnungen für die dezentrale Unterbringung befinden sich zudem die meisten im Altkreis. Der größte Anteil von Wohnraum wird in Bitterfeld-Wolfen gestellt. „Einige Kommunen haben ihre Aufnahme-Quote übererfüllt, bei anderen aber steht eine Differenz. Und ich betone: Städte und Gemeinden haben eine Mitwirkungspflicht.“ Die will Schulze vor allem in Köthen, Zerbst, Südliches Anhalt, Osternienburger Land, Aken und Zörbig einfordern. Mit den Bürgermeistern sei er im Gespräch oder dieses stünde demnächst an.

Gleichzeitig sendet Schulze einen Appell nach Berlin. „Ich kann Jeden verstehen, der ein besseres Leben will. Aber die Landkreise und Städte sind überfordert. Und eine gemeinsame europäische Migrationspolitik kann ich nicht erkennen.“ Er fordert eine Bekämpfung der Ursachen für Flucht vor Ort. Und: „Wir brauchen ein strafferes Asylgesetz. Flüchtlinge aus sicheren Herkunftsländern müssen zügig zurück geführt werden, damit wir uns mehr um die Flüchtlinge aus nicht sicheren Staaten kümmern können. Weitere Balkanländer sollten zu sicheren Drittstaaten erklärt werden.“

Ob eine weitere Gemeinschaftsunterkunft in Anhalt-Bitterfeld ausreichen wird, konnte Schulze nicht beantworten. „Es ist nicht auszuschließen, dass wir auch in ehemaligen Schulen oder Turnhallen unterbringen oder sogar über eine Zeltstadt nachdenken müssen. Davon sind wir im Moment weit entfernt. Aber wir wissen nicht, wie sich die Zahlen entwickeln.“

Sobald die Entscheidung für einen Standort der neuen Gemeinschaftsunterkunft gefallen ist, solle mit Verantwortlichen vor Ort das weitere Vorgehen auch hinsichtlich der Einwohner-Information abgestimmt werden. (mz)