1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Bernburg
  6. >
  7. Drogenabhängige: Drogenabhängige in Bernburg: Ufer-Treffpunkt vom Verein Rückenwind soll wieder öffnen

DrogenabhängigeDrogenabhängige in Bernburg: Ufer-Treffpunkt vom Verein Rückenwind soll wieder öffnen

Von Torsten Adam 13.03.2018, 11:55
Rückenwind-Geschäftsführer Hans Strecker hofft, dass die Anlaufstelle für Drogensüchtige bald wieder eröffnet werden kann.
Rückenwind-Geschäftsführer Hans Strecker hofft, dass die Anlaufstelle für Drogensüchtige bald wieder eröffnet werden kann. Engelbert Pülicher

Bernburg - „Wir haben sonst für alles Mögliche Geld. Ich finde es furchtbar, dass die Gesellschaft sich bei Menschen zurückzieht, die ganz unten sind“: Einen flammenden Appell für die Mitfinanzierung der Drogensüchtigen-Anlaufstelle „Ufer“ hat Gerd Klinz an seine Stadtratskollegen gerichtet.

Eine Botschaft, die offenbar angekommen ist, wie das Händeklopfen aller auf die Tische nach der emotionalen Rede des FDP-Kommunalpolitikers belegte. Zwar ist die Bereitstellung von 53.000 Euro in diesem Jahr für die Reaktivierung des Projektes des Rückenwind-Vereins nicht samt Haushalt beschlossen worden.

Aber dass das Thema nun überhaupt von einem städtischen Gremium diskutiert wird - der zuständige Sozialausschuss soll sich schnellstmöglich damit befassen - hätte Rückenwind-Geschäftsführer Hans Strecker vor einem Jahr nicht für möglich gehalten.

Salzlandkreis hatte Ende 2015 seinen Zuschuss gestrichen

Rückblende: Ende 2015 musste „Ufer“ endgültig aufgeben, nachdem auch der Salzlandkreis den Daumen gesenkt hatte und seine bis dato bereitgestellten 22.000 Euro komplett strich. Das Hilfsangebot für Drogenabhängige in der Nienburger Straße 24 war anfangs gemeinsam von Land, Kreis und Stadt finanziert worden.

Als 2013 nach über zehn Jahren das Land ausstieg, konnte von den beiden Rückenwind-Mitarbeitern nur noch einer weitermachen. Die Drogensüchtigen an ihren Treffpunkten aufsuchen, war fortan nicht mehr möglich. Dem Ziel, sie vom Rauschgift loszubekommen, näherte sich der Verein nicht in Form einer klassischen Drogenberatung.

Die Betroffenen konnten selbst entscheiden, ob und wann sie „Ufer“ aufsuchen, konnten hier zusammen frühstücken, etwas kochen, Wäsche waschen. Und sie erhielten Unterstützung bei Behördengängen. Wieder Struktur in den Alltag zu bringen, sollte ein erster Schritt sein auf dem Weg zurück in ein suchtfreies Leben.

„Süchtige hatten bei uns jemanden, dem sie vertrauen konnten“

„Wir haben ihre Drogensucht nicht gutgeheißen, aber akzeptiert. Sie hatten bei uns jemanden, dem sie vertrauen konnten“, erläutert Hans Strecker den sozialpädagogischen Ansatz. In Zusammenarbeit mit der Salus-Klinik sei es gelungen, einige Betroffene zu therapieren, andere wiederum nicht.

Zu Spitzenzeiten hätten sich bis zu 140 Abhängige aus Bernburg und Umgebung „Ufer“ anvertraut, im Durchschnitt waren es 50 Hilfsbedürftige. Gerd Klinz spricht im Stadtrat von bis 30 schwer Heroinabhängigen. „Viele wissen gar nicht, was in Bernburg los ist“, verweist er auf eine rege Drogenszene in der Saalestadt.

Auf seine Bitte hin habe Hans Strecker im Vorjahr ein neues Konzept erarbeitet und bei der Stadt vorgestellt. Dieses beinhaltet nun zusätzlich eine Drogenprävention an den Schulen und eine Elternberatung.

Sozialarbeiter sollte mindestens drei Jahre beschäftigt sein

„Dass es jetzt diskutiert wird, darüber bin ich froh“, sagt der Rückenwind-Chef. Gleichwohl ergebe ein Neustart nur Sinn, wenn „Ufer“ nicht nur bis Jahresende sicher finanziert wird. Hans Strecker spricht wie Gerd Klinz von mindestens drei Jahren. Ansonsten würde sich kaum ein geeigneter Bewerber auf die Stelle einlassen.

Auf dem Arbeitsmarkt sei es ohnehin schwierig, einen qualifizierten Sozialarbeiter zu finden, der am besten auch noch Erfahrung in diesem Bereich mitbringt. In der Hinterhand habe er leider niemanden für diesen Job, sagt der Rückenwind-Geschäftsführer. Die Mitarbeiterin, die „Ufer“ bis zuletzt betreut hatte, habe sich nach Projektende beruflich anders orientiert. Für eine mittelfristige Planung spreche zudem, dass eine gewisse Anlaufzeit nötig ist. „Der Sozialarbeiter müsste erst wieder Kontakte knüpfen, ein Netzwerk aufbauen und sich Vertrauen erwerben“, verdeutlicht Hans Strecker.

Privater Sponsor will jährlich 15 000 Euro zuzahlen

Sollte die Reaktivierung des Projektes gelingen, kalkuliert Rückenwind mit jährlichen Ausgaben von 68.000 Euro. Ein privater Sponsor, der anonym bleiben möchte, hat Jahr für Jahr 15.000 Euro zugesagt.

Die Stadt müsste mit 53.000 Euro den Löwenanteil übernehmen, früher waren es lediglich 12.000 Euro. Für den Start liegen zudem einmalig 1.700 Euro bereit, die das diesjährige Benefizkochen im Ilberstedter Hotel „Wippertal eingespielt hat.

Wenn der Sozialausschuss am 10. April über das Projekt berät, dürfte dessen Notwendigkeit wohl unstrittig sein. Dafür dürfte die Frage im Raum stehen, ob die Stadt es sich leisten kann, eine Pflichtaufgabe des Salzlandkreises zu übernehmen. Dieser ist per Gesetz für die Jugendsozialarbeit in der Region verantwortlich, kann aber selbst definieren, in welchem Umfang sie nötig ist. (mz)