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MZ-Lesertelefon MZ-Lesertelefon: «Stadtverkehr als Kostenfalle»

Von Kerstin Beier 15.01.2002, 19:10

Aschersleben/MZ. - Das MZ-Lesertelefon klingelte beinahe ununterbrochen. Viel Arbeit also für Christel Seniak, Betriebsteilleiterin von der Verkehrsgesellschaft Südharz (VGS) in Aschersleben, die sich bereit erklärt hatte, den Fahrgästen nach der jüngsten Fahrplanänderung Rede und Antwort zu stehen.

Wie hoch die Wellen der Entrüstung nach den drastischen Kürzungen im Stadtverkehr schlagen, habe sie in den vergangenen zwei Wochen in zahllosen, teils erbosten und auch beleidigenden Anrufen erfahren, sagte Christel Seniak. Umso erfreulicher, dass die Anrufer beim Telefonforum der MZ sachlich blieben.

26 Leser meldeten sich in den drei Stunden zu Wort, die meisten wohnen in der Winninger Siedlung, im Neubauviertel Nord oder in der Nähe der Polizeischule - also in Gegenden, die besonders von den Einsparungen betroffen sind. Manche kommen nun gar nicht mehr motorisiert zur Arbeit oder müssen nach Feierabend laufen. So geht es zum Beispiel Helga Placht und Bärbel Scheffler. Frau Scheffler wohnt in der Winninger Siedlung, muss pünktlich um 7.30 Uhr mit der Arbeit anfangen. Ein Bus fährt um diese Zeit nicht. Der von Christel Seniak empfohlene Schulbus sei "so knackevoll, dass niemand mehr reinpasst", berichtet Frau Scheffler. Dafür - und dies sei nicht einzusehen - fahren um 8.30 Uhr und 9.30 Uhr gleich zwei Busse kurz hintereinander in die Stadt. Auch die Siedlungsbewohnerinnen Edith Schaffrath, Ingelore Sander und Ilse Dietz fühlen sich von der Stadt "abgeschnitten". Vor allem, wenn sie nach erledigten Einkäufen zurück wollen, sei das Angebot "mehr als dürftig". Ruth Beckmann aus der Welzstraße beklagte, dass "man den Tierpark am Wochenende ganz vergessen" kann, weil kein Bus die Gegend ansteuert. Das findet auch Edeltraud Hertel, die in der Keplerstraße wohnt und bislang jeden Sonntag um 13 Uhr ins Altersheim und um 16 Uhr wieder zurück fuhr. Das ist jetzt nicht mehr möglich, die Linie wird nur noch dienstags und donnerstags bedient. Eva Rutekolk empfindet es als Zumutung, dass so wenige Busse aus der Stadt wieder zurückfahren. "Laufen müssen und nicht können - das ist schon schlimm", sagte sie. Ingrid Rother wollte wissen, warum Einsparungen "immer am verkehrten Ende" vorgenommen würden.

Das richtige Ende zu finden, sei gar nicht so einfach. Gebetsmühlenartig beteuerte Frau Seniak, dass man nicht fünf Euro ausgeben könne, wenn man nur einen in der Tasche habe. Tatsächlich könne man das jetzige Angebot "nur als Grundangebot bezeichnen," räumte sie ein. "Wir haben versucht, aus dem, was noch möglich ist, das Beste zu machen und die Strecken zu erhalten, die noch einigermaßen gut ausgelastet waren." Isolde Knechtel wollte wissen, warum drei Linien von der Breiten Straße bis Busbahnhof fahren, "was soll denn das?", fragte sie. Frau Seniak lieferte die Erklärung: Dies seien Busse aus dem Regionalverkehr, die jetzt alle durch die Stadt kommen, damit die Fahrgäste schon in der Breiten Straße aussteigen können. Die VGS bemühe sich, mit Hilfe des Regionalverkehrs das eine oder andere Defizit zu kompensieren.

Ein guter Vorschlag kam von Hildegard Hoffmann. Sie regte an, die Kaufland-Busse nicht über den Zollberg, sondern über den Hellgraben zur Haltestelle Lindeneck zu führen. Auf diese Weise könnten dort noch Leute einsteigen, die in die Stadt wollen. Frau Seniak nahm diese Anregung gerne auf und versprach, sich um die nötige Sondergenehmigung für diese Straße zu bemühen.

Viele Leser riefen in der Hoffnung an, der Fahrplan werde sich in absehbarer Zeit wenigstens geringfügig füllen. Ein Zahn, den die Betriebsleiterin jedem sofort zog. Es führe kein Weg daran vorbei, dass der Stadtverkehr die "Kostenfalle Nummer eins" sei. Mehr Fahrten werde es definitiv nicht geben. Vielleicht könne sich bei den Abfahrtszeiten noch die eine oder andere Verschiebung ergeben, aber das könne sie nicht allein entscheiden. Die VGS werde alle Hinweise und Kritiken ausgewerten, versprach sie.