Bildung Bildung in Aschersleben: Wenn die Bezugsperson fehlt

Aschersleben - Nachdem Ende 2016 rund die Hälfte der Verträge von Sprachlehrern in Sachsen-Anhalt ausgelaufen sind, stehen viele Schulen nun vor Problemen. So auch die Berufsbildenden Schulen Aschersleben-Staßfurt „Wema“ (BbS) und die Burgschule in Aschersleben.
An der BbS in Aschersleben waren noch bis vor einigen Wochen zwei Sprachlehrerinnen für 35 junge Migranten zuständig: Karina Grude und Daniela Müller. Müllers Vertrag wurde allerdings nicht verlängert, was zu großer Bestürzung unter den Jugendlichen führte.
Schulleiterin Veronika Schmidt weiß sich zu helfen
Schulleiterin Veronika Schmidt weiß sich aber zu helfen. Sie hat sich dafür eingesetzt, die Lehrerin zu halten. Daniela Müller darf weiterhin an der Schule unterrichten. Vier Tage pro Woche als Privatdozentin. Die Stelle wird unter anderem aus dem mit 1.000 Euro dotierten Integrationspreis, den die Schule 2016 erhalten hat, finanziert. „Worin sollen wir investieren, wenn nicht in Lehrkräfte?“, begründet Schmidt diesen Schritt.
Wie das Landesschulamt Sachsen-Anhalt auf MZ-Anfrage mitteilt, wurden zum Jahresende nur noch 50 Sprachlehrkräfte angestellt und Verträge von 88 weiteren verlängert. Vorher unterrichteten noch 190 Sprachlehrer.
Kein Verständnis für Landesentscheidung
Daniela Kannenberg hat kein Verständnis für diese Entscheidungen auf Landesebene. Die gelernte Erzieherin leitet eine Wohngruppe in Gatersleben, in der unbegleitete minderjährige Flüchtlinge unterkommen.
Von fünf der dort lebenden Jugendlichen war Daniela Müller zugleich Klassenlehrerin und Bezugsperson. „Sie ist sehr engagiert und hatte einen guten Kontakt zu den Jungs“, sagt Kannenberg.
Die Schüler haben einen Brief geschrieben und sich für ihre Lehrerin stark gemacht. Dieser Brief wurde zusammen mit anderen, in denen sich auch die Betreuer der Wohngruppe für Daniela Müllers Verbleib ausgesprochen haben, ans Landesschulamt geschickt.
„Wenn eine Lehrkraft die vom Landesschulamt vorgegebenen Kriterien nicht erfüllt, wird sie keinen Anstellungsvertrag erhalten“, erläutert Schulleiterin Schmidt das Problem. So wie im Fall Daniela Müller. Die 39-Jährige ist studierte Ernährungswissenschaftlerin mit Doktortitel, hat allerdings keinen Lehramtsabschluss.
Bislang hatten die Sprachschüler der BbS 15 Deutschstunden pro Woche. Diese Zahl ist noch nicht korrigiert worden, was bei nur noch einer Lehrkraft aufgrund des Arbeitsaufkommens unweigerlich zu Ausfällen führen dürfte.
Schule hat eine reine Flüchtlingsklasse
Derzeit gibt es an der Schule fünf reine Flüchtlingsklassen mit maximal 14 Schülern pro Klasse. Angefangen hat der Unterricht laut Schmidt mit sechs Schülern. Ab dem Alter von 16 können die Jugendlichen den einjährigen Bildungsgang, der als Berufsvorbereitungsjahr zählt, absolvieren.
Danach erhöhen sich die Chancen auf einen Ausbildungsbeginn. Bis zu diesem Alter müssten die Migranten anderenfalls eine allgemeinbildende Schule wie die Burgschule Aschersleben besuchen.
Deren Schulleiterin Claudia Brandt-Heim kennt die Herausforderungen ebenfalls. Bis Ende 2016 gab es an der Sekundarschule noch eine reine Sprachklasse für Migranten. Nachdem auch hier die befristeten Verträge von zwei Sprachlehrerinnen ausgelaufen sind, wurden die 20 Sprachschüler auf bestehende gemischte Klassen aufgeteilt.
Das Landesschulamt nennt das „integrativen Unterricht“. Schüler ohne deutsche Sprachkenntnisse lernen gemeinsam mit Muttersprachlern. Dies sei laut Brandt-Heim besonders schwierig, wenn einige der aus Syrien, Russland, Tschetschenien, Somalia oder Mazedonien stammenden Jugendlichen zu Beginn des Kurses kein Wort Deutsch sprechen.
Der Februar könnte sich die Situation entspannen
Mit den üblichen Lehrer-Einstellungen im Februar könnte sich die Situation an den Schulen aber wieder etwas entspannen. „Zumindest ein Hoffnungsschimmer“ sagt Brandt-Heim. Dann müssen laut Vorgabe auch an der Berufsschule „Wema“ wieder vier Stellen besetzt werden.
Die Ministerien schreiben die zu besetzenden Stellen aus, daran können auch die Einrichtungsleiter nicht viel ändern.
Laut Landesschulamt gibt es für die Integration von Migranten drei Formen: integrativ - also gemeinsam mit deutschen Schülern -, in Sprachgruppen oder in Sprachklassen. Eine Integration sei so auch ohne den Einsatz von speziell geschulten Sprachlehrkräften möglich, ist man zumindest im Landesschulamt überzeugt. (mz)